Relikte der Vergangenheit

Moderator: Geist von Atys

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raccoonb
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Relikte der Vergangenheit

Post by raccoonb »

Mardoks Blick schweifte über die Reste des Grenzpostens.
Viel hatte man nicht stehen lassen.
Was mochte diesen Ort überrannt haben?
Banditen? Goo Erkrankte oder die Kitins?

Er ging ein paar Schritte, blieb wieder stehen und ließ den Blick über den Ort wandern.
Die Ruinen waren alt.

Er stutzte, ging ein paar Schritte vorwärts, beugte sich vor und zerrte behutsam ein Buch aus dem Sand.
Wie lange mochte es dort schon gelegen haben?

Eine verblasste Siluette, einer Lilie gleich zierte den Einband. Die Buchstaben darunter waren kaum noch zu entziffern.
Er wischte die Sandkörner beiseite und schlug es auf.

Das Buch hatte zweifellos die besten Tage hinter sich.
Vergilbte Seiten zeugten, daß die Zeit am Buch nicht spuhrlos vorbei gegangen war.
Und die Worte und Zeilen schienen in Hast geschrieben.

Mit wachsender Neugierde setze Mardok sich auf einen umgefallen Stamm und begann die ersten Zeilen zu entziffern.

Das alte Buch wrote: "Ich fühle,
daß mir nicht mehr viel Zeit verbleibt der Nachwelt mein Erbe zu hinterlassen.
All das Wissen und die Erkenntnisse, die ich in den vielen Jahren der Buße sammelte, sollten nicht verlohren gehen.

Wie viele lernte ich zunächst den Gebrauch der Waffe.
Erlernte die Kunst des Tötens. Lange bevor ich mich der Frage stellte,
was ein Kampf wert war.

Ich kämpfte aus zahlreichen Gründen.
Mal kämpfte ich um zu überleben.
Ein anderes mal um die Liebsten zu beschützen.
Ein weiteres um mein Hab und Gut zu verteidigen.

Aber ich kämpfte auch für Geld und sogar um des Kampfes Willen selbst.
Oftmals von Zorn erfüllt.
Bis zu dem Tag, der mein Leben für immer verändern sollte.

Noch immer sehe ich das Bild vor mir.
Die Nacht, die brennenden Hütten, überall Leichen und zwei Kinderaugen die einen anschauten.
Stumm, Anklagend, warum?

Diese Augen hatten nie von den großen Schlachten gehört. Vom blutigen Streit der Völker.
Sie mochten von Jena gehöhrt haben, aber sie nie als Grund für den Tod ihrer Lieben aktzeptieren.
Diese Augen sahen nicht den Schmerz, der mich Jahrzehnte begleitet hatte. Den Zorn auf allen die Jena folgten.
Doch..
es war eine schmerzende Erkenntnis.
Ich kannte den Weg den diese Augen gehen würden. Gehen konnten.
Mein Leben hatte ähnlich begonnen. Mit einer Nacht als die Mörder kamen.
Diese Augen waren dabei den schmerzhaften Weg kennenzulernen, den ich gegangen war.

Garts Stimme riß mich aus den Gedanken.
"Das Dorf ist Karavanfrei, Sir. Bis auf das Kind."
"Dem Kind wird kein Leid wiederfahren."
"Es wird..." unter meinem Blick erstarb Garts Stimme.
"Eher wird ein Kami-Anhänger tod am Boden liegen als das Kind", flüsterte ich.
Gart begegnete meinem Blick, drehte sich fluchend um und ging zu dem Rest unserer Bande.

In dieser Nacht dachte ich lange nach.
Über das was ich in meinem Leben getan hatte.
Hinterfragte meine Taten und lauschte dem Gewissen, daß ich seit vielen Jahren achtlos zur Seite geschoben hatte.

Im Morgengrauen kam Gart mit den anderen. Sie blickten kurz zu dem Kind und dann zu mir.
"Das Kind am Leben zu lassen ist ein Fehler und daß weißt Du."
Ich erhob mich, wandte mich ihnen zu und entgegnete ihren Blicken.
"Es war ein Fehler was wir taten, Gart. Und heute wird dieses Tun enden. Auf die eine oder andere Art. Aber es wird enden."

Als die Sonne sich über die Baumgipfel schob, ergriff ich die Hand des Matis-Kindes.
Der Schnitt am Bein war deutlich zu fühlen, war aber nichts im Vergleich zu dem Schmerz der Erkenntnis.
Gart und die anderen hatten den falschen Weg nicht verlassen wollen.
Und so war es gekommen wie es kommen mußte.
Sollte das Kind eines Tages den Tod seiner Eltern rächen wollen, so würde es nur noch mich jagen müssen.
Die anderen hatte das Schicksal bereits eingeholt.

Bei Ma-Duk kann man lange an so einem Buch sitzen.
Hoffen wir, daß die Kitins noch eine Weile auf sich warten lassen. Diesmal war die Zeit unser Verbündeter.
Mardok ließ daß Buch sinken.
Man hatte ihm immer davor gewarnt, dem Zorn oder dem Schmerz nachzugeben.
Waren beide doch jene die einen zum dunklen Pfad führten.
Wie hatte sein Lehrmeister immer gesagt?

"Erst wenn Du weißt was Leben ist,
wenn Du weißt wann man das Schwert ziehen darf,
wenn Du der Versuchung des dunklen Pfades widerstehen kannst,
dann werde ich Dich in der Kunst des Kampfes unterweisen."
Mardok,
Juwelier und Heilkundiger in Zora
Mittelsmann, der Fahrenden Händler (Projekt Freihafen)
Mitbegründer des Zirkels der weißen Lilie
raccoonb
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Re: Relikte der Vergangenheit

Post by raccoonb »

Mardok schlug die nächste Seite auf.
das alte Buch wrote: Noch immer bin ich in Gedanken vom letzten Kampf gefangen.
Die Kincher brandten gegen die Mauer der Nahkämpfer unseres Ordens.
Blitze erhellten die Nacht.
Während ich mit dem Zweihänder auf die Kitins einschlug. Einmal! Zweimal! Dann einen beißenden Schmerz als der Kitin meinen Arm aufriß und eine blutige Spur hinterließ. Schmerz der im Wirbel des Heilzaubers verging. Noch ein Schlag.
Der erste Kincher taumelte und brach zusammen. Der erste von vielen.
Nun lagen die Kitins tod vor unserer Verteidungslinie. Doch es würden weitere kommen.
Weiteren denen wir trotzen mußten.

Doch zurück zu meinem Werk. Die Pause will genutzt werden um die Gedanken niederzuschreiben.
Als ich in die Gegend von Hoi Cho kam, hörte ich zum ersten mal von dem Orden. Einem uralten Orden der schon vor den Kitinkriegen existiert haben soll.
Die Meinungen über ihn gingen weit auseinander. Die einen - meist in kostbaren Gewänden gehüllt - nannten sie Feiglinge, die sich nicht trauten gegen die Feinde des Landes zu ziehen. So mancher ließ sogar das Wort "Verräter" fallen. Andere jedoch, meist ärmlich gekleidete Homins, fanden bessere Worte. Nie hatte die Streiter des Ordens sie im Stich gelassen. Und wesentlich leiser fügte man hinzu (im Gegensatz zu so manchem hoch gebohrenem Herrn)
Ich kann heute nicht mehr sagen, was meine Schritte zum Orden lenkte.
Lag es an meiner eigenen Vergangenheit, die mich wie scheinbar dieser Orden einen eigenwilligen Weg beschreiten ließ. Einen Weg, mit dem man immer bei dem einen oder anderen aneckte.
Möglicherweise wart ich auch bloß neugierig den Orden kennenzulernen, der beim einfachen Volk großes Ansehen genoß.

Der große Zorai grüßte mich und schob mir einen Becher Met zu.
Schließlich landete das Gespräch beim Kampf; war ich doch begierig ob dieser Ordensmann meine gewonnenen Anischten über den Kampf teilte

Der Zorai blickte mich an und es schien als würde er tief in meine Seele schauen.
Er griff nach seinem Schwert und legte es auf den Tisch.
"Ein Schwert folgt der Hand, die es führt. Es fragt nicht für was es kämpft, ob es einer gerechten Sache dient oder ob es einen Wehrlosen fällt. Es folgt immer alles und jedem ohne sein Tun zu hinterfragen.
Manche glauben, ein Krieger sollte wie das Schwert sein. Ein Schwert, daß seinem Herrn überall folgt ohne wenn und aber.
Doch sollte ein Krieger nicht mehr sein als nur eine Figur im großen Spielfeld der Politik? Eher ein Schwert mit einem Gewissen, das sich bewußt ist welche Folgen seine Taten haben? Das neben der Pflicht gegenüber seinem Herrn auch die Pflicht gegenüber die Hominheit kennt?

Wofür sterben wir?
Man kann bei einem Handgemenge im Wirtshaus den Tod finden. Nur weil man glaubte einen anderen im Beleidigen übertreffen zu müssen. Man kann in einem fernen Ländern fallen, bei dem Versuch neue Ländereien für einen Adligen zu erstreiten. Man kann aber auch fallen während man die eigene Heimat vor den Kitins beschützen. In der Hoffnung damit das Leben anderer zu retten.

Ihr könnt Eurer Blut für einen Kampf geben, der nie hätte geführt werden müssen. Der genauso gut auf dem diplomatischen Parkett hätten geschlagen werden können. Und vielleicht auch geschlagen werden wird und muß, nachdem daß Blut vieler tapferen Homins floß.
Man kann aber auch sein Blut in Kämpfen vergießen die unumgehbar sind. Die wir führen müssen, damit unsere Lieben und Nachfahren leben können."

Der Zorai blickt auf das Schwert.
"Wenn die Kitins kommen, will ich hier sein, hier wo man mich braucht, Reisender.
Niemand soll mich nach dem Tode fragen können, wo ich war als die Kitins kamen. Was ich in dem fernen Lande suchte, während jene starben, die unser Schwert bedurften."

Wahrscheinlich starrte ich den Zorai nur an, während ich ein sehr lang vermißtes Gefühl in mir verspührte. Das Gefühl nach Hause gekommen zu sein.
Mardok nickte.
Der Schreiber hatte seinen Weg gefunden.
Der Mond war augefangen und hatte die alten Ruinen in ein geheimnisvolles Licht gehüllt. Zufall? Vielleicht. Oder auch ein Zeichen Ma Duks, daß die Dinge die hier geschehen war nicht unbemerkt geblieben waren.
Mardok,
Juwelier und Heilkundiger in Zora
Mittelsmann, der Fahrenden Händler (Projekt Freihafen)
Mitbegründer des Zirkels der weißen Lilie
raccoonb
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Re: Relikte der Vergangenheit

Post by raccoonb »

Der nächste Tag neigte sich seinem Ende. Mardok füllte einen Becher mit Met, holte das Buch aus einer alten massiven Kiste und öffnete es, begierig zu erfahren wie es weiterging.
aus dem alten Buch wrote: Die wenigsten wagen sich die Frage zu stellen, gegen wen sie kämpfen.
Wartet eine Frau auf ihn?
Hat er Kinder?
Steht er hier weil er an seine Sache glaubt?
Oder kämpft er, weil er der Verlockung der Dappers nicht widerstand?
Kämpft er aus Angst? Angst vor seinem Verbündeten.
Oder Angst vor uns?

Es gibt tausende von Gründen, warum jemand gegen einen in den Krieg zieht.
Nicht alle sind verwerflich oder ehrlos.
Und mancher Grund ist durchaus berechtigt.

Wir können den leichten Weg gehen.
Die Augen verschließen und uns einreden, daß unsere Gegenspieler finstersten Absichten folgen.
Daß wir Atys einen Gefallen erweisen, wenn wir Ihre Leben beenden.
Um damit unser eigenes Gewissen zu belügen.

Oder wir stellen uns den Antworten selbstkritischer Fragen.
Kämpfen wir noch für was, für daß es sich zu kämpfen lohnt?
Folgen wir noch unseren einstigen Zielen.
Oder sind wir inzwischen selbst der Versuchungen der Macht erlegen?

Solange man kämpft, sollte man sich diesen Fragen stellen.
Verschließt die Augen und ihr lauft Gefahr all jenes zu verraten für daß Ihr einst eingestanden seid.

Sie kommen....
Die Schrift endete abrupt. Mardok blätterte die Seite um.
aus dem alten Buch wrote: "Kitin Commander vorraus."
Er sah schon furchteinflößend aus. Riesige Scheren die ohne Zweifel fürchterliche Wunden reißen würden. Weit überragte er selbst den größten Homin unter uns.
Und er ward nicht allein. Zahlreiche Invasionskirostas begleiteten ihn auf seinem Sturm gegen uns.
Der Wunsch zum Rückzug erwachte und wurde gnadenlos niedergeschlagen.
Wir hatten eine Aufgabe.
Wenn es mein Schicksal war, jetzt hier und heute zu sterben, so sollte es sein.
Unsere kleine Tryker-Heilerin stimmte ein Kampflied an. Und als die Kitins gegen unsere Verteidigung brandten, schlug ihnen der Refrain entgegen.

Es war ein harter Kampf.
Sie durchbrachen die Verteidigungslinie und rannten auf unsere Elementarmagier zu. Der stumme Matis löste sich mit ein zwei weiteren Kriegern von der Flanke und schob sich zwischen den Kitins und unseren Elementarmagiern. Kitinschehren krachten wütend gegen die schwere Rüstung und hinterließen blutige Streifen. Für einen kurzen Moment wankte der Matis. Das Gesicht Schmerzverzogen. Dann kam die Antwort der Elementarmagier. Das konzentrierte Feuer aller unserer Magier bereitete dem Durchbruch ein jähes Ende. Der Matis wischte die Haarsträhne aus dem Gesicht und wankte blutend zurück zur Flanke, noch bevor ihn ein Heilzauber stärken konnte. Und als der Heilzauber ihn umwehte, wurde aus dem Wanken ein Sprint.

Der Kitincommander fiel als letzter.
Wir blickten zum Sternenhimmel empor. Vielleicht noch vier bis fünf Stunden, dann mußte der Vorsprung des Treks groß genug sein.

Die kleine Trykerin zückte Ihren Beutel und zerrte ein paar Kekse raus.
"Es wäre doch wirklich schade, wenn dies den Kitins in die Hände gefallen wäre."



Einst hatten einige Kami-Anhänger den stummen Matis durch die Straßen von Pyr gejagt, da er es gewagt hatte nicht Ma Duk zu preisen. Es war unser Ordensvater gewesen, der sich dem Mob entgegengestellt hatte. Eine von jenen Taten mit dem er im Laufe der Zeit den Zorn so manches Mächtigen auf sich gezogen hatte. Nun kämpfte der Matis mit uns zusammen, um das Leben einiger Homins zu retten. Auch einiger Kami-Anhänger.
Mardok betrachtete, die Fackel, wie sie mit dem Windzug rang.
Viele Kämpfe, die für die Hominity gefochten wurden, waren in Vergessenheit geraten.
Wer erinnerte sich heute noch an die Schlacht von Thesos?
An dem Tag als die Homins Seite an Seite die Wüstenstadt gehalten hatten?

Wie hatte ein alter Meister gesagt?
"Erweist der Vergangenheit Euren Respekt und sie wird Euch ein guter Lehrmeister sein. Vergeßt sie und Ihr werdet es bitter bereuen."
Mardok,
Juwelier und Heilkundiger in Zora
Mittelsmann, der Fahrenden Händler (Projekt Freihafen)
Mitbegründer des Zirkels der weißen Lilie
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