Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Allgemeine Themen und Diskussionen rund um Saga Of Ryzom und die fantastische Welt von Atys.

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acridiel
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Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by acridiel »

Hallo Leute, ich fand soeben diesen Artikel in einem anderen Forum das ich frequentiere und ich finde, er gehört nich nur in diese Vampire LARP Forum, sondern auch hier her. Denn auch hier wird mit "dem Tod eines Homins" sehr leicht und teilweise sehr verantwortungslos umgesprungen.

Lest es mal, vieleicht denkt ihr dann anders über einige Dinge.

Viel Erfolg.

Acridiel

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Die größte Verantwortung

(Von Matthew McFarland)


Es ist harte Wirklichkeit, sowohl im echten Leben als auch in Spielen. Es ist auf die eine oder andere Weise wahrscheinlich ein prägender Moment im Leben von Jedem, Spieler oder Charakter. Ich rede über den Tod.

Viele Spielgruppen, und tatsächlich auch viele Spiele, haben eine recht freie Einstellung gegenüber dem Tod. Im Besonderen gehen sie sehr gedankenlos mit dem Töten um. Man kann Orks töten, weil sie rechtschaffen böse sind, kein Problem oder? Man kann haufenweise Fomori in Werwolf töten, aber sie kommen irgendwie vom Wyrm. Man kann normale Menschen in Vampire töten, aber hey »eine Bestie bin ich, um keine Bestie zu werden«, oder?

Ja ... natürlich.

Ich würde nicht darauf zählen, dass irgendjemand, der dieses Essay liest, weiß, wie es sich eigentlich anfühlt, ein menschliches Leben zu beenden (Und wenn Sie es wissen, möchte ich ehrlich nichts davon wissen). Aber ich würde Geld darauf wetten, dass die Meisten von Ihnen Charaktere gespielt haben, die getötet haben. Und in diesem Essay werden wir über genau das sprechen. Wir werden darüber reden wie Sie, als Geschichtenerzähler, die Bedeutung dieses Ereignisses hervorheben können. Und wir werden definitiv über die Auswirkungen dieses Aktes reden.

Worüber wir nicht reden werden sind Spiele, die den Tod leicht nehmen, wie etwa Paranoia und andere Spiele des schwarzen Humors. Ich möchte nicht sagen, dass sich solche Dinge nicht auszahlen — Hölle, aller Humor basiert auf Schmerzen — aber das ist hier nicht der Fokus. Wenden Sie die hierin enthaltenen Vorschläge also nur auf Ihre Chroniken an, wenn sie thematisch angebracht sind, okay?

Auswirkungen


So, wo fangen wir an. Lassen Sie uns zuerst über die Folgen des Tötens in der modernen Welt reden.

Wussten Sie zum Beispiel, dass Menschen »festverdrahtet« sind, einander nicht zu töten? Es fügt sich dass, wenn Menschen töten, sie sich oft in tiefer Depression oder tot durch Selbstmord wiederfinden. Wenn man nicht gerade seelisch krank ist, ist das Töten einer anderen Person eine schreckliche Sache, mit der man täglich konfrontiert wird (und selbst wenn man seelisch krank ist, ist es oft nicht angenehm). Ich hatte einmal die Einstellung »nun, Menschen sind bloß Tiere, also ist es nicht sonderlich spektakulär, wenn einer stirbt«. Und dann hatte ich vor einigen Jahren ein Erlebnis, das mich wachgerüttelt hat.

Meine Frau hatte einen Freund, den sie eine Weile nicht gesehen hatte und den ich nie getroffen hatte. Besagter Freund tauchte auf und wir saßen alle um den Wohnzimmertisch und redeten. Ich mochte ihn von Anfang an nicht — schlechte Schwingungen, denke ich. Wie auch immer, eines der Dinge, über die wir geredet haben, war, dass er vermutlich vor einigen Jahren angegriffen wurde, und dass er und einige Freunde den Verantwortlichen getötet und in einen Fluss in ihrer Stadt geworfen haben.

Ich habe zuerst gar nichts gefühlt. Aber später nagte die Unterhaltung immer noch an mir (und tut es noch heute, um ehrlich zu sein). Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, wie inhärent falsch töten war — oder wurde gar damit konfrontiert. Ich hatte jede Menge heiße Luft darüber abgelassen, dass wenn jemand meine Frau angriffe oder in mein Haus einbräche, ich ihn töten würde, aber ich hatte nie darüber nachgedacht, was das wirklich bedeutete. Und als ich das tat, machten mich die Folgen ziemlich krank. Das bedeutet nicht, dass ich mich oder meine Frau nicht verteidigen würde, wenn ich müsste. Es bedeutet nur, dass ich hoffe, niemals eine solche Art von Entscheidung treffen zu müssen.

Da ist also die psychologische Folge des Tötens, die nicht geringfügig ist. Und dann gibt es da die Legalität. In manchen Ländern kann man für Mord innerhalb einer Woche hingerichtet werden. In manchen Ländern ist es bis zu einem gewissen Grad legal. In den Staaten kann man hingerichtet werden, aber dies erfordert einige Jahre des juristischen Eierlaufens, an dessen Ende der Delinquent in der Regel froh ist zu sterben.

Was bedeutet dies für einen Geschichtenerzähler? Es bedeutet, dass Sie es sich zweimal überlegen müssen, ob Sie »Attentäter«- oder »Serienmörder«- Charaktere erlauben. Töten hat Konsequenzen, rechtliche, spirituelle und psychologische. Wenn Sie irgendeine Art von spirituellem Aspekt in das Spiel einbauen möchten, ist das Ihre Sache (und eine Funktion des betreffenden Spiels natürlich). Die rechtlichen Konsequenzen hängen davon ab, wie gut der Charakter seine Spuren verwischt und wie das Rechtssystem aussieht. Und der psychologische Standpunkt hängt natürlich vom betreffenden Charakter ab. Aber ich würde Albträume empfehlen, besonders wenn der Charakter keinen Hintergrund hat, der Gewalt beinhaltet. Ich würde vorschlagen, dass die Medien den Charakter verfolgen, wenn er geschnappt und freigelassen wird, oder subtile, andauernde Hinweise darauf, dass Leute über den Mord bescheid wissen und den Charakter auffliegen lassen (diese Hinweise könnten nicht stimmen, aber sie werden die Paranoia verstärken, die der Charakter fühlt). Wenn es ein System für die Moralität des Charakters gibt (wie die Menschlichkeit in Vampire), reizen Sie es zum Vollsten aus, anstatt es als ein Regelmechanismus abzutun. Rollen-Spielen Sie das Letzte aus diesem System heraus.

OK, Matt, fragen Sie, aber wie stelle ich das dar? Ich meine, ich habe nie jemanden getötet und alles was ich weiß ist, was ich in Filmen sehe. Worauf ich antworte, »Lesen Sie ein Buch«. Nein, ernsthaft, worauf ich antworte, »Improvisieren Sie!«. Versuchen Sie sich vorzustellen, wie der Charakter (nicht der Spieler) sich fühlen würde, wenn er jemanden töten würde. Berücksichtigen Sie seine Geschichte, die Kultur, in der er lebt, die Umstände des Mordes, wie er es rationalisieren könnte, welchen Einfluss es auf sein tägliches Leben hat, und alles andere, von dem Sie denken, dass es wichtig ist. Übernehmen sie die Details der Tötung in die Angewohnheiten des Charakters — wenn er mit einer Schere auf seine Liebhaberin einsticht und sie dabei versehentlich tötet, können Sie wetten, dass er Scheren nie wieder mit denselben Augen sehen wird.

Der Rest der Spielgruppe ist bei dieser Sache ebenfalls nicht außen vor. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie mit einem Mörder herumhängen würden? Wichtiger, wie würde sich Ihr Charakter fühlen? Würde er sich deswegen arrogant aufführen? Würde er ebenfalls die Schuld fühlen? Würde er darüber nachdenken, den Mörder auszuliefern? Würde er anfangen, den Mörder mit Samthandschuhen anzufassen, um dessen fragile Psyche nicht zu beschädigen (oder ihn zu reizen)?

Nachdem ein Charakter jemanden getötet hat, sollte sich alles verändern. Es sollte jeden Aspekt seines Lebens einfärben. Ein Beispiel:

Ein Spieler in einer Magus-Chronik, die ich zur Zeit leite, schoss auf den Benzintank eines Autos. Der Wagen explodierte (dies kann im echten Leben passieren, es ist nur nicht so einfach, wie es in den Filmen dargestellt wird). Vier Personen starben, alle NSCs, alle von ihnen Leute, welche die Charaktere bekämpft hatten. Einer von ihnen hatte eben einen der Spielercharaktere mit einem Wagenheber bewusstlos geschlagen. Ein weiterer dieser Antagonisten hatte auf einen der Charaktere geschossen und, obwohl dieser nicht tot war, war er kurz davor.

Welchen Unterschied hat all das rückblickend für den Charakter gemacht, der das Auto in die Luft gejagt hat? Überhaupt keinen. Er war trotzdem wegen der Sache von Schuld zerfressen. Ihr Beruf und die Umstände erlaubten es ihm, einer Verhaftung zu entgehen, aber sie verlor ihren Job und alles, wofür sie gearbeitet hatte. Der Charakter begegnete den Geistern der Männer, die er getötet hatte und versprach, Buße zu tun. Dieser Charakter war nie wieder derselbe — und so sollte es sein, nachdem ein Charakter getötet hat.

Die rechtlichen Folgen des Tötens können die Hölle sein, und können in der Tat die Chronik für einen Charakter beenden (Leben im Gefängnis ist genau das). Aber das sollte der einfache Teil sein. Das Leben des Charakters ist jetzt in zwei Teile gespalten: vor dem Mord, und danach. Alles nach der Tat, jeder Gedanke und jeder Atemzug, den der Charakter tut, sollte durch diesen Akt verdorben sein. Es spielt keine Rolle, ob es gerechtfertigt war. Es spielt keine Rolle, ob Sie einen Monat Downtime zwischen dieser Geschichte und der nächsten haben. Es ist noch immer da — diese Person ist noch immer tot.

Charaktere, die töten.


Wir haben sie alle gespielt. Der Krieger, der Assassine, der Vampirahn, der Berserkerwerwolf, und so weiter. Jene Charaktere, die als Teil ihres Konzeptes töteten. Die Charaktere, die »eiskalte Killer« sind. Und daran ist nichts falsch. Gewalt ist ein fester Bestandteil der meisten Rollenspiele. Nennen Sie es, wie Sie wollen; eine Möglichkeit, Dämonen auszutreiben, unterschwellige Aggression zu zähmen, oder was auch immer. Die Sache ist die, dass Rollenspiele sich aus Kriegsspielen entwickelt haben, und das bedeutet, dass Kampf, und daher Tod, meistens ein Teil des Hobbys ist.

Aber! Ich kann es schon hören. Aber Matt, du arbeitest für White Wolf! Das ist das Spielsystem, wo man tragisch hippe Monster spielt, die die ganze Zeit über Leute töten! Nicht, wenn ich dabei bin. Die Spiele von White Wolf sind angeblich »Spiele für Erwachsene«. Und ich habe Neuigkeiten für Sie (und die Erwachsenen in der Leserschaft können das bestätigen): Die Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen ist erwachsen. Zu versuchen, sich herauszuwieseln, ist es nicht. Wenn sie gespielt werden, wie sie gedacht waren, unterstützen Spiele von White Wolf diese Art von Beachtung der Rahmenumstände. Ehrlich gesagt denke ich, dass die meisten Spiele davon profitieren können.

Was also, im Lichte all dieses unangenehmen Geredes über Verantwortung und Töten, das alles verändert, wenn Sie einen Charakter spielen wollen, der kein besonderes Problem mit dem Töten hat? Was, so könnten Sie fragen, würde ich einem Spieler sagen, der mir ein solches Konzept vorlegt?

Ich würde Folgendes sagen:

Wie viele? Ist der Charakter ein Massenmörder, ein angeheuerter Killer oder tötet er aus Nervenkitzel? Vielleicht ein Gangster oder Söldner? Ein Soldat, ein Polizist? Wie viele Leute hat er getötet? Angeblich nimmt der Schock mit jedem Tod ab, aber das bedeutet nicht, dass es keinen Schock gibt. Wenn der Spieler jemanden darstellen will, der aus Spaß oder für Geld tötet und die Ernsthaftigkeit des Aktes nicht zu schätzen zu wissen scheint, haben Sie zwei Möglichkeiten. Sie können gegen das Konzept Veto einlegen (und das wahrscheinlich überdenken, wenn Sie wollen, dass der Spieler in der Gruppe bleibt) oder es erlauben und die volle rechtliche Macht des Settings zum Tragen bringen.

Das erste Mal. Wir erinnern uns alle an das erste Mal. Wer war das erste Opfer des Charakters? Wie waren die Umstände? Holen Sie sich vom Spieler alle Details, die Sie können. Dann benutzen Sie diese in Flashbacks.

Warum? Ist es ein integraler Bestandteil des Charakters, ein Mörder zu sein? Warum? Erinnern Sie den Spieler daran, dass dies nicht DOOM ist, man bekommt keine Punkte dafür, wie viele Gegner man tötet, also liegt auch kein Sinn darin, mit einem Vorsprung zu starten. Wenn der Killer-Aspekt für das Konzept notwendig ist, aus gutem Grund, dann können Sie es wahrscheinlich erlauben.

(Ab hier gekürzt da nicht mehr passend und zu sehr auf ein anders Spiel eingehend)
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corizo
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Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by corizo »

acridiel wrote:...mit "dem Tod eines Homins" ...
Ich kann keine Homins töten, du ebenso wenig.

Das liegt daran, das der Tod in Ryzom erst dann eintritt, wenn der Samen eines Homins zerstört wurde, und dazu haben wir als Spieler keine Möglichkeit bisher. Ryzom ist beim Thema "Tod" sehr speziell und das mir einzig bekannte Spiel, was erklärt, warum meine Mitspieler immer wieder vor mir stehen, obwohl sie vor wenigen Momenten noch "gestorben" sind.
(Wenn Spieler ig über den Tod reden ist das für mich nebenbei meist ein guter Indikator, ob sich derjenige wirklich mit der Ryzom Lore auskennt oder nicht, ähnlich auch die Glaubensfrage zwischen Kami/Karavan und Tryton)

Bei Ryzom ist es eher die Gewalt. Ryzom ist ein ganz anderes Universum als unseres, in dem Ideale / Ehre / Ähnliches eine ungleich stärkere Rolle spielen als in unserer Gesellschaft. Durch diese Erhöhung dieser Ideale wird gleichzeitig die Beleidigungstoleranz niedriger und es kommt eher zur Gewalt. Zudem haben die Homins auf Atys meines Wissens nach noch keine Massenvernichtungswaffe, sie können also ungehemmter Gewalt anwenden, ohne gleich einen Genozid zu riskieren. Krieg ist nichts ungewöhnliches auf Atys, sondern etwas, das man zu riskieren bereit ist auf Grundlage von Idealen etc.

Die Völker untereinander haben auch noch keinen extremen Vernichtungsfeldzug untereinander geführt, der sie zum Umdenken bewogen haben könnte (vgl. Zweiter Weltkrieg). Sie hatten "lediglich" eine Bedrohung von außen (Kitins), was für mich die einzige Erklärung ist, warum die Homins nach dem Genozid an ihnen nicht umgedacht haben
(Extremformen von Kriegen:
Zweiter Weltkieg: Mensch gegen Mensch
Atys: Homin gegen Kitin, nicht Homin gegen Homin)
Die Hemmschwelle, Gewalt gegen andere Homins anzuwenden, wurde durch kein extremes Homin gegen Homin Ereignis abgeschwächt. In den Kitins sieht man nur Bestien, denen man am besten den Panzer über die Ohren ziehen sollte bevor diese das an einem selbst tun.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Tatsache, das es auf Atys nach wie vor 2 Parteien gibt, die unterschiedlicher nicht sein können in ihrer Lebensweise, Denkweise, Art der Technologie, Glauben usw (vgl. Kommunismus gegen Demokratie im Kalten Krieg).
Es sind keine abstrakten Parteien, sondern nahbare, die vor einem stehen können und die auch wirklich Macht besitzen, in Kombination mit mysteriös-anziehenden Elementen.


////

Ok, etwas abgerutscht :D
Aber gut genug (etwas kurz gehalten, ich gebs zu...), um zu sehen, das Gewalt / Tod im Real Life zum virtuellen Leben was komplett anderes ist. Allein schon durch die Umwelt der virtuellen Welt und ihrer Geschichte.
...was aber nicht heißen soll, das Gewalt / Tod in Spielen grundsätzlich dazuhören sollte
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feilan
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Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by feilan »

Ich denke zum einen, dass das ein hervorragender Artikel ist, den Mr. McFarland da geschrieben hat. Zum anderen möchte ich mich im Zfeifel auf seine Relevanz in Bezug auf Rollenspielsysteme im Allgemeinen und SoR im Besonderen Numal anschließen.

Zum einen sei zu beachten, dass trotz seltener Nennung dieser Artikel auf ein ganz bestimmtes System abzielt, das in einem bestimmten Setting anzusiedeln ist - in diesem Falle recht offensichtlich in einer alternativen 'Jetzt-Zeit', also der Gegenwart. Es werden Autos und Massenmedien erwähnt. Gerade die Massenmedien spielen eine wichtige Rolle beim Einordnen des von Mr. McFarland geschriebenen.

Seine Beobachtungen treffen nur auf eben diese westliche Welt zu. Auf 'Normalbürger' dieser unserer westlichen Welt, wohlgemerkt. Die von ihm angesprochene 'Festverdrahtung' ist keineswegs genetisch, sondern Kulturell bedingt. In anderen Kulturen sieht es da schon ganz anders aus - selbst in unserer ist nicht jeder im selben Maße auf Friedfertigkeit konditioniert. Nicht jeder Rachemörder, der Nachts friedlich schlafen kann, ist gleich 'Geisteskrank'. Ob durch Religion, Kultur oder einfach nur Dummheit legitimisiert, solange der Täter seine Taten für gerechtfertigt hält, mag er durchaus ohne Reuhe weiterleben. Verrückt werden nur die Reuhigen, die die hintergründe ihrer Tat suchen, sich Gedanken über die Konsequenzen machen usw... und dazu sind wir westlichen nunmal 'programmiert' von frühester Kindheit an. Zum Glück.

Aber wie sieht es aus in einer Kultur in der man zum Überleben gezwungen ist, sich sein Essen selber zu jagen? Der größte Teil der 'Normalwestlichen' war noch nie bei einer Jagd dabei und hat erst recht noch nie ein Tier selber ausgenommen. Passionierte Jäger haben vermutlich schon eine deutliche niedrigere Hemmschwelle als der Durchschnittsbürger, einen anderen Durchschnittsbürger zu erschießen (wenn er dazu gezwungen ist). Nein, es ist nicht jeder Jäger ein potentieller Killer. So natürlich nicht. Aber sie sind es zumindest schon einmal gewohnt, andere Lebewesen zu Töten - ja, sogar Spass daran zu empfinden. Damit ist die erste 'Festverdrahtung' dort schon einmal ausgeschaltet (oder war nie existent).

Aber zum Glück gibt es ja noch mehr von der Sorte. Zum Beispiel die 'Kulturmoral', also das, wass von der jeweiligen Gesellschaft in der man lebt, als richtig und falsch angesehen wird. So mag es in bestimmten Gesellschaften vorkommen, dass die Ehre über alles wichtig ist und jemand, der seine geschändete Frau nicht Rächt als ehrlos gilt. Hier ist auch die zweite 'Festverdrahtung' gefallen (oder war nie existent).

Im Krieg kann die dritte 'Festverdrahtung' fallen - oder von ihm verhindert werden, dass sie überhaupt erst entsteht. Denn das Töten eines Feindes ist noch etwas ganz anderes, als das Töten eines geliebten Menschen (auf das Mr McFarland eingeht) oder eines Unbekannten. Lange nicht jeder Soldat ist als geistiges Wrack aus dem Krieg gekommen (egal, welcher). Solange es dem Soldaten nur gelingt, nicht zu sehr über die Konsequenzen seiner Taten nachzudenken (was passiert mit der Familie, den Freunden der getöteten?), hat er auch die dritte 'Festverdrahtung' eingerissen.

Es gibt noch mehr dieser 'Festverdrahtungen' und alle sind umgehbar bzw nicht zwingend sondern nur im Kulturellen Kontext vorhanden. Aber ich möchte jetzt noch kurz auf etwas anderes eingehen, was angesprochen wird.

Die Medien.

So, ich finde eigentlich, damit habe ich auch schon genug dazu gesagt *g*. Kann sich wohl jeder denken, was ich damit aussagen will. Obwohl... vielleicht sollte ich konkretisieren:

Die MASSENMedien.

*g*
Jetzt sollte eigentlich alles klar sein ;)

Wozu ich das alles schreibe, wenn ich doch eigentlich der Meinung bin, dass das ein hervorragender Artikel ist? Nun, wie ich eingangs erwähnte, schreibe ich es, weil dieser Artikel zwar toll, aber nicht allgemeingültig ist. Weshalb mir duiese Feststellung so wichtig ist? Nun, sehen wir uns an, über was dort geschrieben wurde, und weshalb er seinen Weg hier in's Forum fand.

Es wird dort darüber geschrieben, dass Mr. McFarland der Meinung ist, viele Spieler in RPGs würden mit dem Tod zu leichtfertig umgehen. Er geht sogar noch weiter und sagt, diese Leute würden die Spiele 'falsch' spielen - nicht so, wie sie gedacht sein. Acridiel wiederum hat den Artikel hier ins Forum gestellt, weil er ihn ebenfalls hervorragend fand (so scheint es mir) aber vielleicht auch, weil er ein wenig mit Mr McFarlands Meinung sympathisiert und selber der Meinung ist, _hier_ würde zu leichtfertig mit dem 'Tod' umgegangen.

So ehrbar ich den Hintergrundgedanken finde (mehr Tiefe ins RP bringen?), so unpassend finde ich den Artikel in Bezug auf Ryzom. Nein, eigentlich sogar im Bezug auf MMORPGs, respektive jegliche Art von PC-Spielen. Über Shooter und dergleichen brauchen wir hier kaum sprechen - wem es Spass macht, einen gebrochenen Revolverhelden zu spielen, mag sich alle 10 Min in eine dunkle Ecke setzen und phylosophieren. Ob er davon Vorteile hat ist seine Sache *g*. Nun, wie auch immer, scheint er in diesem Artikel ganz klar auf PnP oder LARP zu sielen.

In MMOs, die in unserer heutigen Zeit oder einer 'vergleichbaren' fantasy oder sci-fi-Wlet spielen, mag ich seinen Artikel ja auch noch als teilweise zutreffen betrachten, obwohl dort das Problem besteht, dass man in Onlinespielen per Definition nicht 'sterben' kann (soll heißen: von 0 anfangen muss bei Tod, mit neuem char undneuem Namen). Aber dort kann ich zumindest die Argumentation der 'Festverdrahtung' verstehen, die nämlich einiges mit den Massenmedien zu tun haben (und dem Griechisch-Römisch-Christlichen bzw humanistischen Moralverständnis).

In einer Welt, die jedoch so vollkommen anders ist, wie es zum Beispiel Atys ist, halte ich seine Einwürfe nur noch für sehr bedingt zutreffend. Etliche 'Festverdrahtungen', die wir durch Bücher, Filme, Serien, Lieder usw empfangen haben, existieren dort nicht. Die Entwicklung der Zivilisation und Kultur ist dort eine völlig andere, die mit der irdischen Entwicklung nicht vergleichbar ist. Krieg ist scheinbar mehr oder weniger allgegenwärtig in dieser Welt. Der Überlebenskampf gegen die Kitin und wilde Stämme oder gar andere Nationen begleitet auf Atys seit über 50 Jahren das Aufwachsen eines jeden jungen Homin. Auch davor war lange nicht alles eitel Sonnenschein. Konflikte und offensichtliche Missgunst zwischen den Völkern bestehen seit Jahrhunderten (Jahrtausenden???). Es schien ja gerade, als wenn die neue Generation diese alten Barrieren einreißen könnten, aber da haben ja leider die gutmütigen und barmherzigen Götter (oder deren [vermeintliche?] Vertreter) was dagegen. Und wie Numar schon sagte, sterben homins sowieso nur an Alersschwäche, Gooverseuchten Waffen, oder aus reiner Willenskraft, sicher aber niemals durch 'Niederstreckung-durch-einen-anderen-Homin-mit-Standardbewaffnung' *g*. Dadurch werden sie höchstens 'ins Licht geschickt', 'weggeschickt', oder wie immer du's nennen magst um gleich darauf am nächsten Kami oder Kara zu stehen ;)

Lange Rede, kurzer Sinn:
Ich finde den Artikel sehr gut, aber leider hat er ziemlich wenig mit dem Leben auf Atys und dem Erleben eines Tötungsvorganges und dessen Seelischen Konsequenzen zu tun.

Aber ich mag dich, Acridiel, soweit beruhigen: Auch, wenn ich das so sage und tatsächlich der Meinung oben geäusserten Meinung bin, wird Fei sicher ein gebrochener Homin sein, sollte er jeh dazu gezwungen sein, einen anderen, rechtschaffenden Homin in das Licht zu senden. Über die zahllosen von ihm 'weggeschickten' Banditen macht er sich jedoch keine Gedanken mehr (obwohl er sich Anfangs auch dagegen sträubte und tatsächlich einige Zeit daran zu tragen hatte, als er damit anfing -.-).
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xolghost
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Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by xolghost »

Ich bin mal so dreist und schreite -freiwillig- als erster durch Tor 3, auf dem die Aufschrift "Oh Nein, wieder eine PvP-Diskussion" mit dem Untertitel "Offtopic wahrscheinlich - Zonkentgegennahmestation" prangt und hoffe, damit keinen richtungsweisenden Lemmingeffekt, dem hier gerne gefröhnt wird, auszulösen.
corizo wrote:Ich kann keine Homins töten, du ebenso wenig.
.snip.
Widerspruch.
Nur Du (übertragend gesehen, bitte) oder eine Gemeinschaft von Du kann Homins töten.
Allerdings findet dieser Tod nicht auf dem Boden Atys' statt, sondern in diesen geistigen Sphären einer Hominseele. Und bisher weiss ich von keinem stattgefundenen Sterbevorgang, der in diesem Sinne plötzlich eingetreten wäre oder den Tätern Reuegedanken in den Kopf gekommen sind. Oftmals leiden nur die Opfer, auch noch lange nach ihrem Ableben.

Den zweiten Faktor der höheren Macht lasse ich absichtlich aussen vor...

Happy Köcheln :p , ich gehe mal die Würmer an meinen Überbleibseln besuchen :D

Und... *das Grinsen wieder aufsetzt* Viele versuchten, RL in Spiele zu übertragen. Wenn die Parallelen Überhand nehmen, ist ein Spiel dann noch ein Spiel?
Diese Frage sollten allerdings auch andere, die es weniger gut mit der Gemeinschaft von Du meinen als Du, Acri, sich häufiger stellen.
Nehmt's locker, das X *g*
Edit - *grml* Fei war schneller...das ist selten *fg*
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Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli!
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∞ Fogarty ∞
Nieder mit den Vergewaltigern der Sprache Goethes und Schillers!
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-United Homins- ۞ Leanon
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feilan
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Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by feilan »

Ja, genau. Oftmals leiden nur die Opfer und deren Freunde.
Auch auf Atys stimmt es leider: Die Besten sterben jung *schluchz*.

Anmerkung der Redaktion: Nein, das ist in keiner Weise als Scherz gemeint.
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raccoonb
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Joined: Tue Sep 21, 2004 2:26 am

Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by raccoonb »

Hallo Ihr,

laßt uns mal ein paar der Gedanken trennen...

Der Spieler selbst
Spricht man einen Spieler auf die vielen Toten vor den Füßen seines Charakters an, so wird er ohne zu zögern jegliche mögliche Kritik mit den Worten "Das ist nur ein Spiel" abschmettern. Notfalls noch einmal darauf hinweisen, daß er zu keiner Zeit einen anderen Spieler wirklich verletzte.
Für den Spieler ist nur eine Art von Wettkampf.

Das Rollenspiel
Betrachtet man dies mehr aus der Rollenspielsicht und fragt sich, was mag der Charakter empfinden, der über das Schlachtfeld läuft, so ist dies ein ganz anderer Gedanke.
Selbst wenn man wüßte, daß alle, die man niederstreckte, wieder geheilt werden, ginge der Kampf nicht wirklich spurlos an dem Charakter vorbei. Man kann nicht köpfen, anderen Schwerter in den Leib rammen, etc und danach sich genauso fühlen, als hätte man eine Runde Billiard gespielt. Genauso wenig würde ein Charaker völlig unberührt vor einem schwerverletzten Freund stehen und murmeln "das bringt der Kami schon wieder hin".
Oder schreiben wir es anders.
Welchen Typ von Charakter würde man spielen, wenn er nichts dabei empfände wenn er jemandem anderen Schmerzen zufügt? Den es nicht bewegt, wenn ein Freund röchelnd zu seinen Füßen liegt?

Moral
Und irgendwo gibt es dann noch die Frage, ob man es sich nicht ein wenig zu einfach macht, wenn man all sein Meucheln mit den Worten "ist doch nur ein Spiel" abtut.

Resüme
In meinen Augen hat der Author des Essays durchaus recht, wenn er darauf hinweist, daß der gewaltsame Tod in Rollenspielen nicht richtig ausgespielt wird. Es mag daran liegen, daß uns die Komplexität erschreckt, die ein richtiges Ausspielen mit sich bringen würde.
Es kann aber auch durchaus daran liegen, daß wir uns gar nicht bewußt werden wollen, mit was wir da gerade so spielerisch umgehen. Das wir gar nicht wissen wollen, was da unser Charakter für eine Art Homin wäre, wenn Atys real wäre.

Hochachtungsvoll
Mardok, Juwelier und Heilkundiger in Zora
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Solaya
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Joined: Thu Sep 16, 2004 9:00 am

Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by Solaya »

Zwei Anmerkungen hierzu:

Atys ist zwar eine Science-Fantasy-Welt, ergo es gibt auch fortschrittliche Technik, doch spielt sich das Leben des Homins eher in mittelalterlichen Bahnen ab (wenn man mal von Portertickets absieht, die der Homin aber keinesfalls versteht, sondern von ihm als göttliches Wunder interpretiert werden könnten).
Betrachten wir also eine mittelalterliche Gesellschaft, die von herben Verlusten im Krieg gegen "böse Wesen" (=Kitin) geprägt ist, Pioniere die eine neue Welt für sich bewohnbar machen (zB entfernt vergleichbar mit der Entdeckung Amerikas). Es ist eine raue, harte Welt. Nun gibt es zwei Möglichkeiten wie "der Homin an sich" auf das Töten / den Krieg eingehen kann.

-- Entweder, die Homingesellschaft befindet sich an einem Punkt auf dem sie das Leben jedes Homin extrem hoch einschätzen, stark werten und zu schützen suchen, da es nur noch so wenige Homins gibt die nach den Kitinkriegen leben und jeder Homin zählt um Atys aufzubauen.
-- Oder, es hat sich eine Art Wettstreit entwickelt, die neue Welt, der Run aufs Gold der Inkas, die Eroberung fruchtbaren Bodens für sich selbst. Hier wird durch das Individuum nur eine kleine Gruppe Bezugspersonen als wertvoll und schützenswert eingestuft (zB eigene Familie - vgl. Ryzom Gilde/Faction).

Da wie bereits sehr treffend erwähnt, der endgültige Tod des Homins nicht durch einen anderen Homin (Ich spreche hier rein spielbezogen - natürlich können einzelne Spieler auf andere Spieler einwirken) bewirkt werden kann ist die Situation meines Erachtens eindeutig für die zweite Variante.
Dieses Spiel ist ein Wettstreit und das Töten eines anderen in diesem Wettstreit ist kein eigentliches Töten, sondern ein "Ausschalten auf Zeit".

Was die Gefühle eines einzelnen Homins nach einer Schlacht oder gar einem Mord betrifft, so werden davon sicherlich viele nicht ausgespielt, doch nun sind wir wieder an diesem Punkt: Es ist ein Spiel.
Solaya
Illuminati Jenae


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acridiel
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Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by acridiel »

Und ich finds gut, dass euch das Ding wenigstens zum Nachdenken anregt. :)
Das war die Absicht.

Allerdings ist es mal wieder echt faszinierend wie ihr darauf kommt, das dies meine Worte seien...

Acridiel
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khetas
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Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by khetas »

Ok, "Töten" auf Atys ist etwas anders als das Töten in anderen Rollenspielen. Über Atys möchte ich mich jetzt auch mal gar nicht auslassen - aber über einen "Aha"-Effekt in einem anderen Rollenspiel (ein Play-by-Email, Chrestonim).

Ich spiele dort einen älteren Soldaten, der mit seinen 48 Jahren doch schon das eine oder andere menschliche Leben beendet hat und als Priester der Göttin der Jagd jeden Morgen ihr zu Diensten Tiere jagt und opfert. Er ist das Töten gewöhnt.
ABER. In seinem Hintergrund gibt es einen fiesen Zwillingsbruder, der ihn verraten und verkauft hatte und dank dem er - für eine Zeit lang - alles verloren hatte, was ihm jemals etwas bedeutete. Er schwor Rache, schwor, diesen Bruder seiner Göttin zu opfern.
Ok. Alles klar. Seit Jahren gibt es also diesen Hintergrund, man weiß, daß es irgendwann passieren wird, arbeitet darauf hin (mit dem anderen Spieler), spielt sogar das finale Duell ein Jahr im voraus aus, weil man aufgrund der getrennten Wohnorte sich nur selten sieht, hat also den Text komplett fertig... doch als es dann tatsächlich passiert, INGAME, ist alles anders. Der Bruder ist tot, man selbst gerächt, der Eid ist erfüllt. Man überlebt gerade mal so, schwer verletzt, mit einem Auge weniger - und plötzlich ist alles anders. Keiner der Tötungsakte der Vergangenheit ist vergleichbar. Er war auch ein Mörder - ein Soldat. Er hat in einem langen Leben schon viel zu viele Leute umgebracht, aber als Soldat hat man zu seinen Opfern eine gewisse Distanz, es ist leichter, es als "notwendig" zu sehen, als "nur ein Feind". Aber das Töten seines Zwillings hat ihn sehr verändert. Es war ein ungeheurer Einschnitt für den Charakter, als es tatsächlich passierte. Er hat sich verändert... komplett und total.

Ok... Ryzom ist anders. In Ryzom lehne ich das PvP komplett und kategorisch ab, obwohl es kein "Morden" in dem Sinn ist, wenn der Char kurze Zeit später wieder lebt und nicht allzu viele Nachteile dabei hinnehmen muß. Aber ich habe sowieso Probleme mit Rollenspiel in Ryzom - was vermutlich am animierten Charakter liegt. Ich kann nicht Wut beschreiben, wenn sich mein Char vorbeugt und seine Stiefel betrachtet, oder Trauer, wenn er sich beiläufig am Kinn kratzt. Da setzt es bei mir aus... ich wollte nur bestätigen, was Matt da beschrieben hatte, weil ich es selbst erlebte. Und das ist irgendwie... faszinierend.
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feilan
Posts: 482
Joined: Thu Sep 23, 2004 5:40 pm

Re: Sehr gutes Essay über das Töten im RP/Spiel

Post by feilan »

raccoonb wrote:Hallo Ihr,

laßt uns mal ein paar der Gedanken trennen...

Gut, lass uns das tun.
raccoonb wrote: Der Spieler selbst
Spricht man einen Spieler auf die vielen Toten vor den Füßen seines Charakters an, so wird er ohne zu zögern jegliche mögliche Kritik mit den Worten "Das ist nur ein Spiel" abschmettern. Notfalls noch einmal darauf hinweisen, daß er zu keiner Zeit einen anderen Spieler wirklich verletzte.
Für den Spieler ist nur eine Art von Wettkampf.
Stimmt, da ist wohl etwas dran. Und wie wir alle wissen, ist ein Spiel ein Kräftemessen in welchem es darum geht, herauszufinden, wer der Stärkere ist und wo die eigenen Grenzen liegen. Manche suchen diese Grenzen in ihrer Fähigkeit, sich in andere Charaktere hineinzufühlen und diese auszuspielen, andere suchen ihre Grenzen in ihrer Fähigkeit, Taktiken und Skills zu Entwickeln, die dazu dienen, möglichst viele Gegner auszuschalten.

Die meisten Kinder in der heutigen Zeit lernen schon früh, den Tod im Spiel als nichts endgültiges zu beachten. Ob man Räuber und Gendarme spielt, oder sich an Zeichentrick-Gewalt erfreut, ob man Schach spielt oder in's Kino geht. Der Tod ist ein Spannungselement in Spielen. Natürlich kommt dies zum Teil von der Übertragung aufs echte: Wäre ich/er/sie jetzt wirklich gestorben, wäre es vorbei/schrecklich gewesen. Die Spannug kommt gerade aus dieserm Element, somit ist der Tod in Spielen und auch in Videospielen immer irgendwie ein abstraktes 'umgehen mit dem Tod'. Auf die Abstraktion allerdings kommt es an. Man ist im vollen Bewusstsein, dass der Tod nicht real ist und nur im Buch/Film/Spiel passier und ebenfalls gespielt/ausgedacht ist. Dennoch wäre es nicht bewegend oder spannend, wenn es nicht die spielerische Gestaltung/Darstellung/Reflektion eines 'echten' Todes wäre. Man weint nicht, wenn der Schauspieler toll hinfällt oder der Schriftsteller es angemessen fand eine liebgewonnene Figur zu 'töten'. Nein, wir weinen um die Figuren selbst, sind uns nach dem Zuklappen des Buches oder Verlassen des Kinosaales aber absolut bewusst, dass es die Romanfigur nie gab und es der Schauspielerin hervorragend geht.
raccoonb wrote: Das Rollenspiel
Betrachtet man dies mehr aus der Rollenspielsicht und fragt sich, was mag der Charakter empfinden, der über das Schlachtfeld läuft, so ist dies ein ganz anderer Gedanke.
Selbst wenn man wüßte, daß alle, die man niederstreckte, wieder geheilt werden, ginge der Kampf nicht wirklich spurlos an dem Charakter vorbei.
Schöner einwand, aber leider für mich nicht nachvollziehbar. Zumindest nicht in seiner zwingenden Konsequenz, sofern diese sei, dass er hernach 'gebrochen' sei. Spurlos geht ein Gemetzel sicher an niemandem vorbei - eion vollkommen überzeugter (fanatischer?) Kämpfer würde sich daran ergötzen und neue Kraft schöpfen, so könnte ich mir vorstellen. Ich auf der Erde würde sowas natürlich nicht machen, aber wir können unsere Maßstäbe eben nicht anlegen. Das Rollenspiel beinhaltet für mich auch, mir Gedanken zu machen, wie eben Moral und dergleichen auf Atys aussehen könnten und ich komme nun einmal zum Schluss, dass die dortigen Vorstellungen sehr wenig mit unseren gemein haben können.

Es gibt zwei Gottheiten, an denen man nicht so leicht zweifeln kann, wie an den irdischen Religionen, weil sie nämlich ziemlich unverkennbare Vertreter auf Atys haben. Nahezu ein jeder Homin ist es gewohnt zu jagen und Tiere zu erlegen oder gegen riesengroße Käferartige Wesen um sein Überleben zu kämpfen. Dazu kommen Banditen und 'feindlich gesinnte Stämme'. Die Homin sind das Kämpfen - auch gegen andere Homin - gewohnt. Es ist Normal. Keine Ausnahme. Und letztenendes steht immer das unumstößliche Faktum, dass unter normalen Umständen kein Homin die Macht besitzt, einen anderen Homin (dauerhaft) zu töten. Es gibt natürlich Ausnahmen und es müssen nicht immer gooverseuchte Waffen sein (an Desanne und co denkt), aber die Regel ist es eben nicht, dass ein Homin einen anderen Homin zu töten in der Lage ist.

Und vor diesem Hintergrund scheint es mir einfach wenig einleuchtend, das Homin auch nur ansatzweise eine ähnliche Gesellschaftsmoral entwickelt haben, wie wir. Zwar wolltest du trennen, aber es ist eben die Moralvorstellung eines homin, sein hintergrund, die Erziehung, seine Vorgeschichte, die darüber entscheiden, wie sehr ihn so ein Schlachtfeld beeindruckt oder eben nicht. Sicher wird ein Homin, der schon oft in Bergen von Gingofleisch und -knochen stand, sich schon häufig gegen Banditen zur Wehr setzen musste und dergleichen von so etwas weniger beeindruckt, als ein Homin, der wie ein Prinz behütet aufwuchs und nie zuvor ein Schwert oder offensiven Zauben führte.

Also sollte man sich über die Hintergrundgeschichte des eigenen charakters bis ins kleinste Detail im Klaren sein, zu jeder Zeit. Die Reaktion auf den ersten Tod ausspielen? Wann geschah er, wie alt war 'man' zu jenem Zeitpunkt? Hat man schon an vielen Schlachten teilgenommen? Sollte man von den Tempelkriegen zm Beispiel besonders angeschlagen sein, wenn man zuvor hunderte Maroudeure ohne Reuhe hinstrecken konnte? Wenn ja, wieso? Weil Maroudeure klare Feinde waren und man im Tempelkrieg gegen menschgesteuerte Homin kämpfte? Weil man im Tempelkrieg gegen Freunde kämpfte? Freunde, die man schon oft dem Tode nahe sah, wenn man mit ihnen gefährliche Jagten unternahm oder Kitinnester stürmte? Das alles und viel mehr sollte man sich fragen, bevor man versucht, die Reaktion des eigenen chars auf bestimmte Todesfälle 'realistisch' zu spielen.
raccoonb wrote: Man kann nicht köpfen, anderen Schwerter in den Leib rammen, etc und danach sich genauso fühlen, als hätte man eine Runde Billiard gespielt. Genauso wenig würde ein Charaker völlig unberührt vor einem schwerverletzten Freund stehen und murmeln "das bringt der Kami schon wieder hin".
Oder schreiben wir es anders.
Welchen Typ von Charakter würde man spielen, wenn er nichts dabei empfände wenn er jemandem anderen Schmerzen zufügt? Den es nicht bewegt, wenn ein Freund röchelnd zu seinen Füßen liegt?
Wolltest du nicht trennen? Wenn schon differenzieren, dann bitte nicht selektiv :P (*muhaha* Ja, ich weiß, ich hab grade gesagt, trennen is eh schwer *schaut treudoof*)
'Jemand anderen Schmerzen zufügen' und 'einen röchelnden Freund vor sich wissen' sind doch zwei SEHR unterschiedliche Dinge. Ich behaupte, wenn der Hass auf jemanden nur groß genug ist, ist selbst der Mensch in der Lage, anderen die grausamsten Dinge zuzufügen, ohne hinterher Reuhe oder Gewissensbisse zu empfinden (wenn auch noch andere Dinge hinzukommen um die angesprochenen 'Festverdrahtungen' zu umgehen). Wenn nun einem blindgläubigen Homin die Ankunft seiner Göttin/Nemesis angekündigt wird und dass er alles tun solle, um dies zu ermöglichen/verhindern, dann sieht die Sache schon ganz anders aus.

Und ich möchte vielleicht noch auf folgendes hinweisen: Das wir hier in SoR offenbar eine Klientel aus recht liberalen, toleranten und im allgemeinen (nach)denkenden Menschen sind, bedeutet noch lange nicht, dass es allen so geht. Schaut einfach mal in die Zeitung oder seht euch die Nachrichten an und ihr wisst, wovon ich spreche. Und auch, wenn ich es vorher nur auf Soldaten bezog: Es gibt genug Menschen, die keinen Knacks bekommen, wenn sie andere Töten - und ob das nun krank ist oder nicht ist eine phylosophische, keine medizinische Frage.
raccoonb wrote: Moral
Und irgendwo gibt es dann noch die Frage, ob man es sich nicht ein wenig zu einfach macht, wenn man all sein Meucheln mit den Worten "ist doch nur ein Spiel" abtut.
Ich kann es dir nicht verübeln, ist ja ein ziemlich langer Text, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass du mein Gesülze nicht gelesen hast ;)
Womöglich habe ich das aber auch nicht klar genug gesagt, also noch einmal: Moral ist, was du draus machst ;)
Vor allem ist sie etwas, das in der Gesellschaft entsteht und stark von dieser geprägt ist. Findest du es 'moralisch', wenn Frauen sich mit auf den Scheiterhaufen ihres Mannes werfen? Das ist Kultur in manchen Breitengraden und die Meisten tun es freiwillig und in Vorfreude auf das Zwischenleben und die Wiedergeburt. Es gibt ein paar, die das nicht freiwillig machen und von ihren Mitdörflern gezwungen werden - eben, weil es Teil der Kultur ist und sehr wahrscheinlich fühlt sich keiner Schuldig, wenn er dabei mithilft. Immerhin hat er nur der Erfüllung einer Tradition gedieht.
Wo wir schon bei Scheiterhaufen sind, schauen wir uns doch mal die Europäische Vergangenheit an. Hexenverbrennung, öffentliche aufknüpfung von Räubern vor den Stadttoren zur Abschreckung anderer Räuber, öffentliche Enthauptungen...wie haben die das alles zustande bekommen, wenn sie ale wegen ihren Schuldgefühlen in dunklen Ecken kauerten und sich selbst bemitleideten?
Nehmen wir ein Beispiel, dass nicht so weit weg liegt. Findest du es moralisch, unliebsame Menschen unter Vorwand in die Nervenklinik einliefern zu lassen, wo sie dann mit Medkamenten ruhiggestellt, ans Bett gefesselt und durch die ständige Behauptung, sie wären verrückt, tatsächlich verrückt gemacht werden? Ist noch gar nicht so lange her, da war es in unserer ach so zivilisierten westlichen Welt gang und gäbe, das so zu regeln, wenn man jemanden los werden wollte. Ich gehe sogar jede Wette ein, dass es das noch immer gibt, wenn auch vermutlich nicht in dem Maßstab wie noch vor 50 Jahren.
Was ist also Moral? Exakt, sie ist ein Kind der Umstände, unter denen man sie referiert. Jemand, der im Krieg aufgewachsen ist und an den Überlebenskampf gewöhnt ist, wird nicht plötzlich einbrechen - allerdings könnte derselbe durchaus zusammenbrechen, wenn er dabei versehentlich einen geliebten Menschen tötet. Denn das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Moral jedoch, kann sich auch in das völlige Gegenteil von dem verkehren, was du darunter verstehst. Moral führt Kriege.
raccoonb wrote: Resüme
In meinen Augen hat der Author des Essays durchaus recht, wenn er darauf hinweist, daß der gewaltsame Tod in Rollenspielen nicht richtig ausgespielt wird. Es mag daran liegen, daß uns die Komplexität erschreckt, die ein richtiges Ausspielen mit sich bringen würde.
Es kann aber auch durchaus daran liegen, daß wir uns gar nicht bewußt werden wollen, mit was wir da gerade so spielerisch umgehen. Das wir gar nicht wissen wollen, was da unser Charakter für eine Art Homin wäre, wenn Atys real wäre.
Das hast du gut geschrieben. Ich vermute allerdings, dass du den letzten Satz genau gegenteilig meinst, zu dem, wie ich ihn gerade lese *g*. Genau das ist aber die entscheidende Frage bei der Überlegung, wie du deinen char spielen möchtest. Ich kann mich an die vielen Diskussionen und bald schon Belehrungen erinnern, was denn nun 'richtiges Rollenspiel' sei und möchte an dieser Stelle mal so weit gehen, zu behaupten: Wer's wirklich wasserdicht machen will, sollte alle seine Bezüge zur Menschenwelt außen vor lassen und bei Null anfangen. Die Handlungen des Homin müssen innerhalb des Systems in dem er sich bewegt begründbar sein, nicht innerhalb unseres Systems. Irdische (westliche-europäische-deutsche) Moralvorstellungen haben dort prinzipiell nichts verloren. Homin denken und leben vollkommen anders als wir - sofern wir WIRKLICH konsequent rollenspielen möchten. Das ist natürlich extrem anstrengend, immer konsequent zu sein und die Rolle VOLLKOMMEN unabhängig vom Spieler und dessen Erfahrungen/Wertvorstellungen/Moralvorstellungen usw zu spielen, aber genau das wird in diesem Artikel und insgesamt, wenn gesagt wird "Spiel den Tod realistischer aus", gefordert. Deshalb sage ich: Er passt nur bedingt hier her.

Ich sehe dies übrigens tatsächlich als einen sehr guten Artikel an, sofern man ihn nur auf UNSERE Welt bezieht. Ich finde, dass er zum Beispiel vielen Jugendlichen, die leichtfertig sagen "Ich bring dich um" oder irgendwelche Gewaltfantasien haben, einen Einblick in das REALE Leben geben kann und darauf, was der Tod wirklich bedeutet. In Bezug auf Spiele, kann ich ihn allerhöchstens als Empfehlung aufnehmen. Eine Empfehlung, die meines Erachtens nach eben nur teilweise auf Rollenspielsysteme anwendbar ist, die sich in ihrer Geschichte stark von unserer irdischen unterscheiden. Allerdings mag ich nicht den "ihr spielt das falsch"-Unterton, der darin mitschwingt. Denn wie jemand spielt und was er aus dem Spiel zieht, dass ist jedermanns eigene Sache. Jeder sollte für sich selbst entscheiden (dürfen), wie viel Rollenspiel er betreiben möchte, mit welcher Intensität und Konsequenz.
Vor allem aber, sollten jene, die häufig konsequenteres RP fordern, endlich mal selbst damit anfangen *wegduckflüchtbreitgrins* :P

Gruss,
Fei

ps:
Wer hat behauptet, dass das dein Artikel wäre, Acridiel? Kann ich in keinem posting lesen *g*. Falls du mein letzten Absatz im vorigen langen post meinst, der war nur direkt an dich gerichtet, weil du eben diesen Artikel von Mr McFarland hier reingestellt hast und somit zumindest scheinbar mit ihm einer Meinung bist - wenn ich natürlich auch nicht weiß, in welchem Maß *g*.

pps:
Nehmt das alles mal nicht _zu_ ernst *g*. Bin nur grad kurz in phylosophischer Laune. Und dachte mir halt, wenn schon Konsequnz gefordert wird, dann richtig *sfg*. Wenn ich hier vielleicht auch scheinbar 'gegen' den Artikel und die darin geäußerste Meinung angehe, gehts mir eigentlich nur um den Unterton. Wie ich im vorletzte posting schon schrieb, reagiert Fei durchaus auf den ausgebrochenen Krieg sehr empfindlich und musste lange mit sich selber kämpfen, bevor er die ersten Banditen zurcükschlug und später sogar Jagte. Ist also alles sehr relativ, was ich hier schreibe und eigentlich auch nix weiter als ein Gedankengang, der ebenfalls vielleicht zum nachdenken anregen soll *gg*
Last edited by feilan on Wed Jul 26, 2006 12:56 pm, edited 1 time in total.
I have a dream
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