Fragmente

Moderator: Geist von Atys

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cushing
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Fragmente

Post by cushing »

Salazar kniete sich auf den Hügel zu Yrkanis und blickte voller Wehmut über die Stadt. Sah sie nicht aus wie immer? Das gleiche rege Treiben, die Geschäftigkeit, das Schnauben der Mektoubs, das Lachen der Händler …

Das Lachen der Händler? Nein, von den Händlern lachte keiner mehr. Geschäftig war die Stadt noch immer, doch das echte Leben schien aus ihr gewichen zu sein. Der kräftige, optimistische Herzschlag, der Leben und Freude durch die Straßen pulsieren ließ, er war der Herzschlag eines Greises geworden, zittrig, unregelmäßig, mühevoll. Es gab keine fröhlichen Jagdgesellschaften mehr.
Offene, vertrauensvolle Blicke waren durch solche des Misstrauens und der Verschlossenheit ersetzt.
Lange schon hatte der ehrwürdige Numar nicht mehr auf dem Hügel gesessen und Salazar spüren lassen, das er lieber alleine wäre. Ein schmales Lächeln, vielleicht eher dessen Anflug, glitt kurz und flüchtig über des Heilers hageres, bleiches Gesicht. Obwohl die Sonne schien, spürte er die Wärme ihrer Strahlen nicht.
Verschwunden war der wackere, ernste, fleißige Solstice, mit dem er einst in Yrkanis angekommen und auf Taure getroffen war – den fröhlichen, unbekümmerten Taure, der sich manchmal in der Rolle des Narren und manchmal in der des Weisen gefiel, der wohl kaum etwas so sehr liebte wie die Freiheit und der glücklich war, sich die Ketten der Ehe anlegen zu lassen. Selbst das Gildenhaus vermochte nicht mehr, Salazar die einstige Geborgenheit zu geben. Dort hatte er gemeinsam mit Taure die Abmachung mit den Silberdrachen und ihrem überaus ehrenhaften Hochoffizier Ayronil geschmiedet; aber Taure war weggegangen, und mit ihm seine Gattin Schnee, und niemand wusste, wann sie zurückkommen würden.

Salazar fühlte sich fremd und verlassen in dieser Stadt, die so grün war und ihm nun trotzdem trostlos erschien. Yrkanis – ganz Atys – war die Unschuld geraubt worden; geraubt durch die Versprechungen der Götter, die sich selbst auf Allmacht beriefen und die doch nur das Niederste in den Homins zu erwecken vermochten: Gier, Haß, Neid, unmäßigen Stolz und die tumbe Lust daran, den Nächsten zu erschlagen. Für Ruhm und Ehre hatte man jene gemordet, die wehrlos am Wegesrand standen oder die – für Glaube oder Lebensunterhalt - konzentriert die Scholle bearbeiteten; wie rühmlich war das, und welche Art von Ehre gebührte dem Mörder?
Ruhm und Ehre auch jenen, die um ihre eigene Haut zu schützen je nach Belieben zu jenen wechselten, deren Sieg wahrscheinlicher erschien. Was als das harmlose Ringen um die schönsten Sakralbauten begann und sich auf Scharmützel ausweitete, endete als verbissener, blutiger Feldzug um die Vormacht. Vergessen die Freundschaften, vergessen all das, was den Homin vom Kitin trennt. Sorenal, der Wanderer, war daran verzweifelt; und er war den letzten seiner langen Wege gegangen, in Länder, die fern von unserer Sphäre lagen und in denen die kleinlichen Gottheiten Ma-Duk und Jena keine Macht besaßen. Salazar hatte gesehen, wie Blutrausch und Machtgier die Augen mancher Kami trübte, während die Zahl der Karavan immer weiter abnahm. Geringer war meist der Karavan eitler Glaube an die Unfehlbarkeit ihrer Gottheit, der den Fanatismus der Gegner wachhielt. Geringer war auch ihr Stolz und ihr Ehrgeiz. Höher, so erschien es Salazar, war jedoch ihr eigenes Empfinden für Ehre: höher als der Wert, den die Karavan-Botschafter bestenfalls schwammig anzudeuten vermochten, höher als die Ehre, die Jena als Opfergabe für sich einforderte, und höher als jene Form, die manche Kami als Kerbe in ihren Schwertknauf schneiden mochten. Salazar konnte nur jene - mehr schlecht als recht - heilen, die auf Seiten der Karavan fielen; doch während er Leben in ihre irdischen Hüllen pumpte, da spürte er, dass es andere, tiefere Verwundungen gab, von denen niemand so bald genesen konnte, und gegen die auch seine Magie machtlos war.
Und so wurde der Haufen kleiner und kleiner, und manches Mal saß Salazar fast alleine im Lager und blickte auf jene Kami, die wie Hetzhunde oder Gingos vor dessen Eingang umherstreiften.

Die Karavan unterlagen in jenem zähen Ringen. Ma-Duks Jünger gewonnen eine Schlacht. Die wahren Verlierer aber waren die Homins; denn von nur die Narren können noch unbeschwert dem Gegenüber ins Gesicht sehen, ohne sich die Frage zu stellen, was jener wohl in dieser Auseinandersetzung getrieben habe. Und das Leid ist nicht – kann nicht vorbei sein; denn der Siegreiche will immer noch mehr, und der Verlierer kann das nicht entbehren, was ihm verblieben ist. Und die Götter – die allmächtigen Götter – sie haben Blut geleckt, und sie werden nicht ablassen, Homins wie Figuren aus Bernstein über ein Spielbrett zu schieben, das ihnen Atys ist.
Doch das Spielbrett ist zersplittert, es liegt nur noch in Fragmenten vor ihnen.

Konnte Salazar selbst noch in den Spiegel sehen? Wie rein war sein Gewissen – wie rein konnte es sein, da er doch kein „Gott“ ihm Absolution zu erteilen vermochte? Und doch war er zufrieden, dass er manchem Kami und manchem Karavan deshalb offen ins Gesicht sehen konnte, weil er selbst mit seinen Dämonen gerungen hatte.
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Salazar Caradini

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madcat01
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Re: Fragmente

Post by madcat01 »

Freund Salazar,

ich muss dich auf einen Irrtum hinweisen.
Nicht ich, sondern meine Gefährtin Lynie ist das Oberhaupt der Silberdrachen.
Ich erledige nur viele ihrer Termine an ihrer statt.

Ich bin nur der Hochoffizier hinter ihr.

Hochachtungsvoll,
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Re: Fragmente

Post by cushing »

madcat01 wrote:Freund Salazar,

ich muss dich auf einen Irrtum hinweisen.
Nicht ich, sondern meine Gefährtin Lynie ist das Oberhaupt der Silberdrachen.
Ich erledige nur viele ihrer Termine an ihrer statt.

Ich bin nur der Hochoffizier hinter ihr.

Hochachtungsvoll,
Freund Ayronil,

kein Irrtum, der sich mittels modernster Magie nicht beheben ließe!

Respektvollst,

Salazar Caradini

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Re: Fragmente

Post by cushing »

Honigfarben schimmerte der Bernstein in den langen, schlanken, bleichen Fingern des hochgewachsenen Matis. Sachte glitt er zurück in die mit seinen Vettern gefüllte Schale. Salazar liebte die Wärme, die von Bernstein ausging; ein ruhiges Glimmen, das nichts mit dem nervösen Feuer von Rubinen gemein hatte. Er liebte die Leichtigkeit des fossilen Harzes, seinen Geruch, das Gefühl, es in der Hand zu halten. Es spendete ihm Trost, wenn er sich einsam fühlte. Manchmal stellte er sich vor, sein Herz sei ein Bernstein wie dieser. Gerade, wenn sich Kälte wieder einmal seiner zu bemächtigen drohte, dann wünschte er sich dieses warme Leuchten herbei, um die Dunkelheit zu vertreiben, die lange Schatten auf sein Gemüt warf. So wie jetzt, als sein grüblerisches Naturell sich Bahn brach und die Heiterkeit – den Anflug von Heiterkeit – die er bei der Errettung von Collix empfunden hatte, vertrieb.

Salazars Blick wanderte durch die Gildenhalle. Die Wände waren geschmückt mit Erinnerungsstücken an die ruhmreiche Geschichte der Malignus Germanitas; kostbare Rüstungen, mächtige Kitinpanzer, Waffen in jeder denkbaren Form waren da zu finden. Die Lager quollen über mit kostbaren Waren, die die Schürfer, Jäger und Handwerker zusammengetragen oder gefertigt hatten. Aber langsam setzte sich Staub darauf ab. Salazar hatte nicht die Muße, noch die Energie, ihn zu entfernen. Selten betrat noch jemand außer ihm das Gildenhaus. Die Tempelkriege hatten die Reihen der Malignus Germanitas stark ausgedünnt; die Entscheidung zur Neutralität hatte Einschränkungen mit sich gebracht, und schließlich hatte der schnelle Verlust der Möglichkeit, einen Außenposten und damit Zugang zu seltenen Materialien zu erlangen, das Ende beschleunigt. Salazar war nun weniger Sprecher einer prosperierenden als vielmehr Sachwalter einer sterbenden Gilde. Gortax und Steinbocktom hatten Atys verlassen, Asgad war ausgetreten, Leara hatte sich einer Karavan-Gilde angeschlossen; Ryzzonn würde wohl zu einer Gilde wechseln, die den Kamis nahestand.

Die Größe der Halle, in der Salazar stand, ihre Leere, drohte ihn zu erdrücken. Er strich sich eine Haarsträhne aus dem schmalen Gesicht, ließ die grünen Augen durch den Raum wandern und ging dann langsam zu dem Tisch herüber, auf dem er seine Pergamentrollen ausgebreitet hatte: persönliche Notizen, Abschriften von Dokumenten aus den Archiven befreundeter Gilden, Palindrome, Zauberformeln, spielerische Rätsel, Skizzen, die er bei Spaziergängen verfertigt hatte, Vertragsentwürfe … Eine Vielzahl von Manuskripten lag über den beschnitzen, hölzernen Tisch verteilt.
Salazar seufzte. Eigentlich genoß er es, sich mit Problemen zu beschäftigen, seinen Verstand in unablässiger Bewegung zu halten – es lenkte ihn auch von seiner immer wieder aufkeimenden Melancholie ab, die schon ein Begleiter seiner Jugend gewesen war. Wie vielleicht alle Matis war auch er durchaus nicht uneitel. Er gefiel sich in der Rolle des geschmeidigen Rhetorikers, des selbstbeherrschten, beinahe klinischen Beobachters. Vielleicht war die Welt um ihn herum manchmal auch nur ein Rätsel für ihn wie jene, die unter den Schriftrollen auf dem Tisch lagen, ein großes Gedankenspiel, dessen Lösung nur auf eine Entdeckung harrte.

Wenn er nur Klarheit in alle diese Dinge bringen könnte. Was hatte es auf sich mit dem Schamanen Oda und seinen schemenhaften „dunklen Schülern“, die Collix und Yola bedrohten? Welches Mysterium war in dem Rezept verborgen, und woher kam der Geist jenes stolzen Kriegers, der manchmal Besitz von Yola ergriff ? Was bedeutete die Prophezeiung der geisterhaften Zorai-Hexe, die den Heiltrank bereitet hatte? Auch einer von Odas Schülern hatte sie gemurmelt.

(Fortsetzung unten)
Last edited by cushing on Sat Jan 14, 2006 2:05 am, edited 1 time in total.

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Re: Fragmente

Post by cushing »

(Fortsetzung von oben)

Und dann waren da diese Probleme, die vielleicht die Geschicke von ganz Atys mitbestimmen würden – das „große Spiel“, wie es sein Onkel immer formuliert hatte. Im Moment war Atys, im Großen und Ganzen betrachtet, eine relativ friedliche Welt, auch wenn gerüchteweise die Kitin die stille Selbstbeschäftigung der Homins nutzten, um eine erneute Invasion vorzubereiten. Gelegentlich gab es Versuche, Außenposten auf kriegerischem Wege, durch Scharmützel oder Zermürbung zu erringen; manche benutzten die verschlungenen Pfade der Intrige, andere den dornigen Weg einer flüchtigen, obskuren Zweckgemeinschaft. Gilden bauten ihre wirtschaftliche Macht aus, die vielleicht nur zur Vorbereitung für weitere militärische Macht dienlich sein sollte. Bündnisse wurden bis zum Zerreißen strapaziert. Im besten Falle unbedacht, im schlimmsten kalt berechnend schürten Homins den Haß unter den Religionen, den Völkern, den Gilden. Hochmut und Selbstgerechtigkeit bereiteten einen ungesunden Boden für bittere Früchte. Manches Mal, wenn Ignoranz, Überheblichkeit, vielleicht auch Dummheit vernehmlich über die Lippen eines Homins kamen, dann war Salazar versucht, mit kühler Gelassenheit seinen beißenden Spott über den Urheber zu ergießen. Stattdessen biß er die Zähne zusammen, lächelte – und schwieg. Bittere Wahrheiten spart man sich für enge Freunde auf, wenn man in diplomatischen Diensten steht. Salazar hätte sich nie der Würde beraubt, die einem solchen Amt zusteht, und lieber hätte er sich die Zunge abgebissen, als seiner Gilde und ihrem Ansehen zu schaden.

Und als ob all diese Dinge nicht genügt hätten, dem Matis den Kopf schwirren zu lassen, so gab es zusätzlich noch die vielen kleinen, persönlichen Fragen, die mit Vehemenz immer wieder ihre Stimme erhoben und denen es gelegentlich durchaus gelang, dabei Hörnerschall und Flötenklang der Weltpolitik zu übertönen. Die Sorge um die Gilde beschäftigte ihn natürlich fortwährend, und sein Pflichtgefühl machte es selbstverständlich für ihn, dass er sie bis zur Rückkehr Taures, dem er einst die Treue schwor, so gut als möglich in Ordnung halten wollte.
Er machte sich auch Gedanken um die Seelenqualen, die sein Freund Ayronil mitunter offensichtlich durchlitt: gebürtiger Matis wie Salazar trug er das Herz nicht auf der Zunge, doch Salazar spürte die innere Einsamkeit Ayronils, weil er vielleicht selbst mit diesem Empfindungen nicht unvertraut war.
Rhythmisch pochten Salazars Finger den Einsatz zu einer unhörbaren Melodie auf den schweren hölzernen Tisch, und sein Blick schweifte in eine unendliche Ferne.
Schließlich der einäugige Zorai mit der zerstörten Maske, den er einmal getroffen hatte – wie war sein Name? Yachalis? So wenig seine äußeren Wunden zu heilen waren, so tief verletzt war auch sein Gemüt. Welches Mysterium verbarg sich hinter der barbarischen Tat, die die Kamis ihm zugefügt hatten?

Unablässig kreisten Salazars Gedanken um solche Fragen. Sie interessierten ihn, weil es sich für Homins interessierte; sie bewegten ihn, weil er mit dem Leid anderer mitempfand. Aber sie lenkten ihn auch ab von sich selbst – von seinen eigenen Erinnerungen, seinen eigenen, ganz persönlichen Ängsten, seiner eigenen Seelenpein.

Mit einem Seufzen schloß Salazar die Augen, um in das Dunkel in seinem Inneren hineinzuhorchen, und bereits einen Augenblick später befand er sich in tiefem Schlaf.
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Re: Fragmente

Post by gigi16vo »

Es ist kalt und ein starker Wind weht Salazar in sein Gesicht.

Super!

Nadje
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Re: Fragmente

Post by cushing »

Kein Laut zu hören - kein Laut als das Murmeln des Wassers, das sanft an die Küste schlug, und das ferne Rauschen eines Wasserfalls am Horizont. Nach der Ermordung Still Wylers hatte Salazar, aufgewühlt, zornig auf sich selbst, diesen abgeschiedenen Platz gesucht und gefunden - eine verwaiste Insel, auf der es nicht einmal einen verirrten Izam gab. Im Stillen hatte er sich selbst verflucht, weil er nicht da war, als Wyler ermordet wurde, als das vielleicht einschneidendste Ereignis seit der Rückkehr aus den Urwurzeln stattfand. Doch der Nexus war ihm nicht wirklich zugänglich - alleine und zu Fuß hätte er es nicht dorthin geschafft, in eine Gegend, die ihm fremd war, in der er sich nicht auskannte. Salazar fühlte sich nutzlos, überflüssig; ein Diplomat ohne Parkett. Eine der von ihm am meisten geschätzten Persönlichkeiten auf Atys war gestorben, die Auswirkungen auf das Zusammenleben der Hominheit waren noch nicht abzusehen - und er war nicht dort gewesen, hatte es nicht verhindern oder dies zumindest versuchen können, konnte nicht zur Aufklärung beitragen - sondern mußte die öffentlichen Anschläge lesen oder sich von anderen Homins, die dort gewesen waren, berichten lassen.

Wie immer, wenn er frustriert war, zog sich Salazar in sich selbst zurück. Die Einsamkeit, die er wählte, war vielleicht nur Symbol für die Leere in seinem Inneren. Er konnte sich selbst nicht helfen; wie konnte er sich dann anmaßen, anderen helfen zu wollen? Ayronil, gefangen in einem Wirbelsturm der Gefühle, oder Chanchey und seinen anderen Tryker-Freunden, die Wylers Tod zerschmettert haben mußte? Und wieviel wert waren seine mäßigenden Worte, die versucht hatten, die Aggressionen zwischen den Machtblöcken, zwischen Fraktionen, zwischen Gilden zu vermindern? Die Jünger Jenas hatten Kamisten in Pyr angegriffen und damit alle Ideale, die sie einst als Mitglied der ehrenwerten Stimme der Vernunft vertreten hatten, über Bord geworfen: mehr noch, sie hatten sogar die Silberdrachen in Scharmützel verwickelt. Auch dort war Salazar nicht gewesen, um seinen Freunden beizustehen; auch da hatte er gegenüber Ayronil versagt.

Mit einer leichten Armbewegung schleuderte er ein Stück Rinde über den Klippenrand in die See. Es hatte zu regnen begonnen, schon wieder, und das Wasser, das Salazars Gesicht und über seine Augen herunterrann, schmeckte salzig. Selbstvergessen starrte er in das Blau, kaum seine Umgebung wahrnehmend ... und schreckte zusammen, als eine vertraute Stimme neben ihm plötzlich sagte: "Schön ist es hier". Salazar grüßte nur knapp. War es nicht offensichtlich, daß er allein sein wollte? Aber die andere Stimme ging nicht weg. Sie war ungezwungen und fröhlich; sie erzählte ihm, daß er an nichts schuld sei, daß er zu viel an andere und zu wenig an sich selbst denke; sie schoß Lücken in seinen Schutzwall aus Eis, und während diese Bastion schmolz, da spürte Salazar deutlich, zu deutlich, wie sehr es ihm nach Wärme verlangte - nach Nähe, nach einer Stimme, die sanft in sein Ohr flüstert. Salazar gab das Grübeln auf und sich dem Augenblick hin. Und er erinnerte sich daran, wie es ist, glücklich zu sein.


(Text noch in der Konzeptionsphase, aber aus chronologischen Gründen gepostet.)
Last edited by cushing on Sun Apr 16, 2006 11:09 am, edited 1 time in total.

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Re: Fragmente

Post by cushing »

Freiheit - Gleichheit - Aufteilung ... hehre Worte sind das.

Doch wie leer sind sie, wenn nicht der rechte Geist dahintersteht.

Still Wyler stand jedoch für sie alle - mit ganzem Herzen und wachem Verstand.

Focht er nicht für die Freiheit?
Er stand an der Seite von Yrkanis, um unser Land aus den Fesseln von Jinovitch zu befreien.
Mit seinem letzten Lebenshauch zeichnete er für die Freiheit des Glaubens.

Gleichheit ... Es war Still Wyler, der die Grundlage der Grundrechtscharta verfaßte.
Und er war es, der dafür sorgte, daß es auf Atys keine Sklaverei mehr gibt.

Aufteilung ... Großzügig gab er seine Weisheit allen Völkern, und er respektierte die Grenzen, die sie besitzen.

Still Wyler verfügte über große Qualitäten, und wer immer ihm nachfolgt, der tritt ein schweres Erbe an.

Denn das, wofür er stand, ist etwas, nach dem wir alle streben sollten:

Loyal zu seinem Glauben zu stehen ...
... und treu zu seinem Volk;
Den Freund zu lieben ...
... und dem Feind ehrenvoll gegenüberzutreten.

Das ist ein Beispiel nicht nur für Tryker, sondern für uns alle.

Ich verneige mich vor einem großen Homin.

(Vorsichtig bearbeitete Niederschrift der von Salazar nach dem Trauermarsch für Still Wyler in Fairhaven frei gehaltenen Ansprache)

Salazar Caradini

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Re: Fragmente

Post by cushing »

Das Feuer knisterte fast zornig, so, als würde es unter Drohungen neue Nahrung fordern, und es zuckte immer wieder gierig auf, wenn Salazar ein neues Pergament ihm überantwortete. Rechts von ihm lag noch ein ganzer Stapel, der seiner letzten Bestimmung harrte. Das flackernde Licht des Kaminfeuers leckte über die bleichen Züge des Matis. Immer, wenn das Feuer etwas zusammensank und sich Schatten über Salazars Züge legten, schienen lediglich seine grünen Augen wie mit einem Glimmen erfüllt.

Beinahe mechanisch warf er Blatt um Blatt in die gierenden Flammen, fast jedes von ihnen bedeckt mit seiner eleganten, aber beinahe spinnenhaft dünnen Schrift; dazwischen Briefe von Taure, kräftig aufs Papier geworfen, oder die leichtere, feminine Handschrift von Schnee. Für Salazar war jedes dieser Dokumente ein Ausdruck der Loyalität, die er zu seiner Gilde empfand. Jedes neue Aufflackern des Feuers durchzuckte ihn wie ein Peitschenhieb; und jedes Aufflackern löste gleichzeitig ein weiteres Band zu den Malignus Germanitas.

Fast war es so, als würde er die reinigende Kraft des Feuers nutzen, um einen Pakt zu besiegeln – doch in Wahrheit setzte er sich frei von einem Pakt, den er vor langer Zeit geschlossen hatte. In jener Nacht, in der andere Lippen die seinen versiegelt hatten, da hob sich paradoxerweise der Schleier, der so lange seinen Blick umwölkt hatte, und er sah die Welt so, wie sie wirklich war – oder zumindest so, wie sie Bedeutung für ihn hatte, wenn er … leben wollte. Leben. Wann hatte Salazar zuletzt gelebt? Wann hatte er wirklich die Feinheiten im Aroma eines guten matisianischen Weines geschmeckt und ihn nicht nur genutzt, um seinen Schmerz – der wie ein tollwütiger Gingo tief in den Kavernen seines Inneren angekettet war und doch unablässig an ihm fraß, ungesättigt und wild – zu betäuben? Wann hatte er zuletzt diesen Funken in den Augen anderer Homins gesehen, der Glück und Lebensfreude ausdrückte, und sich wirklich mit ihnen gefreut, mit ihnen gefühlt, und sie nicht einfach nur beneidet? Er konnte sich nicht erinnern. Als Taure da war, bestimmt. Aber Taure kam nicht wieder, und kein anderer der stolzen alten Gilde. Die Erinnerungsstücke setzten Staub an – und auch die Erinnerungen; und Salazar erkannte, dass er so staubig und grau wurde wie der Name, den er so lange noch nach außen vertreten hatte, und dass er drohte, mit ihm zu verblassen, zu verschwinden. Er hatte dies lange als Schicksal akzeptiert – bis etwas menschliche Wärme, eine sachte Berührung, Verständnis, Zuneigung und Zärtlichkeit Werte in ihm wachriefen, die er so lange schon vergessen hatte.

Seufzend erhob sich Salazar, nachdem die Glut das letzte Pergament verzehrt hatte. Die Unterlagen über die Geschichte der Gilde hatte er verschnürt auf den Tisch im unteren Stockwerk gelegt, zusammen mit einem Brief; wer wusste schon, ob nicht doch irgendwann wieder einer der Malignus Germanitas diese Räume betreten würde? Alles, was ihm gehört hatte – und etwas mehr – hatte er bereits auf seine Mektoubs verladen; einige Waffen, ein paar Rüstungen, etwas Schmuck. Seine Finger zitterten, als er das Gildenabzeichen von seiner Brust nestelte. Er legte es neben die Schale mit Bernstein. Wie zum Abschied berührte er noch einmal die honigfarbenen, warm schimmernden Harze, um dann schließlich ein einzelnes Stück, das einen glänzenden Käfer in seinem Inneren verschloß, herauszunehmen und nach einer nachdenklichen Musterung in der Tasche verschwinden zu lassen.

Ein letztes Mal wanderte sein Blick durch das Gildenquartier. Beinahe ärgerlich, in jedem Falle hastig, fuhr er sich mit der Hand über die Augen und hinterließ dabei eine feuchte Spur in seinem Gesicht. Dann betrat er den Aufzug, der nach draußen führte. Dort draußen, da lag die Welt. Dort gab es Homins, die stritten und liebten und lachten; einen Wind, der über die Wipfel der Wälder von Matis strich oder sanft die Oberfläche der Seen von Aeden kräuselte. Sein Körper straffte sich, als er den Aufzug verließ - tief sog er die warme, abendliche Frühlingsluft ein - und dann trat Salazar hinaus in die Welt, ein freier Homin.

Salazar Caradini

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Re: Fragmente

Post by cushing »

Text folgt, derzeit in Vorbereitung

Siehe derzeit Seite 2
Last edited by cushing on Mon Aug 14, 2006 4:31 pm, edited 1 time in total.

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