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Der letzte Dämon

Posted: Thu Aug 23, 2007 1:42 am
by neferath
Schier unendlich sind die Weiten der ewigen Finsternis die wir durchschreiten. Ungezählt die Sterne die sie erleuchten. Ungehört all die Namen der sterbenden Welten die sie umkreisen und niemand ...

Niemand, wird sich einst jener erinnern, die auf ihnen wandelten.


~*~

Wie die Cratchablüte im Wind wirst du tanzen.
Taumeln wie der Izam im Sturm.
Verzehrt werden, wie der Schatten vom fahlen Licht des Morgens im Winter.
Doch am Ende deines Weges, sollst du der Funke sein, der den Geist eines anderen erhellte.

~*~



Mit einem dumpfen Knirschen zerbrach die Maske und fiel in mehreren kleinen Teilen zu Boden. Der Gesang der Frösche verstummte abrupt und selbst das monotone Schnarren der Psykoplas erstarb. Nur der Regen prasselte unaufhörlich weiter vom Wolken verhangenen Himmel. Fassungslos starrte der Zorai in dass, was vor unendlich langer Zeit einmal ein Gesicht gewesen sein musste. Die ehemals blaue Haut hatte einen dunklen, violetten Ton angenommen und grünlich schimmernder Eiter quoll aus unzähligen weissen Pusteln. Jetzt, da ihn die Maske nicht länger zurück halten konnte, begann er die schwarzen Löcher an deren Stelle irgendwann einmal Augen, Nase und Mund seines Gegenübers gewesen sein mussten zu umfliessen. Mühsam kämpfte sich eine Schabe durch das klebrige Nass welches den Punkt bedeckte, an dem wohl einst eine zierliche Nase das Gesicht geschmückt hatte, nur um im selben Moment von einer schwarzen Zunge in den Schlund dieses .... Dings gezogen zu werden. Langsam rappelte sie sich wieder auf und wischte mit einer wütenden Bewegung die feuchte Erde von der nach wie vor makellosen blauen Haut ihrer Schenkel und kam auf ihn zu. "Du hast sie kaputt gemacht !" , fauchte sie ihn bedrohlich an. "Elender Narr, du hast alles kaputt gemacht !" Unwillkürlich wich der Zorai zurück bis seine Füsse im schlammigen Ufer des Tümpels hinter ihm zu versinken begannen. "Und jetzt ... " , zischte sie gegen den prasselnden Regen an, während Strähne um Strähne ihres nassen Haares auf dem eitrigen Gesicht zu verkleben begannen," ... jetzt werde ich dich kaputt machen ... " Geschmeidig wie eine Katze sank das blaue Ding in die Knie nur im sich im selben Augenblick mit einem irren Kreischen auf den Lippen in seine Richtung zu katapultieren.



Schweissgebadet wachte Neferath mit einem Stöhnen auf den Lippen auf.
Trotz der geöffneten Fenster erfüllte der angenehme Duft des Slavenimooses das er wie jeden Abend entzündet hatte noch immer die Luft. Er konnte also noch nicht lange geschlafen haben. Seit Wochen schon kehrte dieser Traum Nacht für Nacht zurück und wie jedesmal, war er auch in dieser an der selben Stelle aufgewacht und würde keine Ruhe mehr finden. Matt und mit tauben Gliedern stand der hochgewachsene Zorai auf und schritt schlurfend zum Fenster. Der kühle Nachtwind würde die letzte Müdigkeit schon vertreiben. Er tat es jede Nacht. Tief sog er die Düfte des Dschungels ein die vom Ostwind in die Stadt getragen wurden. Selbst hier unten, tief innerhalb der Rinde bahnte er sich noch immer seinen Weg durch den zentralen Tunnel bis hin zu den kleinen Fensterluken. Der Herbst war angebrochen, und der schwermütige Duft der langsam vergehenden Pflanzenwelt hätte das melancholische Licht das die verdorrenden Lande dieser Tage in seine Farben badete nicht besser unterstreichen können.
Dennoch verlieh die nächtliche Kühle der Luft eine erfrischende Klarheit und lies sie auf eine unbeschreibliche Weise Rein wirken. Der anbrechende Tag würde dem sicherlich in nichts nachstehen. Ein letztes Mal tief durchatmend wandte er sich vom Fenster ab und begann sich anzukleiden. Die Dochte der mit Timarifett befüllten Talgleuchten waren nicht einmal zur Hälfte abgebrannt. Es würden also sicherlich noch gute sechs Stunden vergehen bis die ersten Strahlen der Sonne Zora erreichten.

Zora, die Stadt der Morgenröte. Es gab keinen vergleichbaren Ort auf Atys und besonders im Herbst machte sie ihrem Namen alle Ehre. Jeder einzelne Zentimeter der Stadt schien die mystischen Energien des Planeten aus zu atmen wenn das bernsteinfarbene Licht der Stadtbeleuchtung sich mit dem Rot der aufgehenden Sonne zu vermischen begann. Ein kleiner Spaziergang würde ihm sicherlich gut tun und mit etwas Glück traf er sogar noch Fai-Cu Fung an bevor sie ihre Bar schloss. Bei Ma-Duk ... kam es ihm in den Sinn. Die gute Frau musste ihn mittlerweile dafür hassen das er sie all abendlich um ihren wohlverdienten Schlaf brachte und davon abhielt die Bar vor Anbruch des Morgengrauens zu schliessen.
Es war nicht weit vom Daisha Gut, dem Viertel in dem auch er wohnte bis hin zum Goo Chase Distrikt in dem die junge Zorai ihre Bar unterhielt. Sie schien ihn bereits erwartet zu haben und das aufkeimende schlechte Gewissen das ihn befallen hatte wich ehrlichen Schuldgefühlen als er in ihre müden Augen blickte.

"Sag nichts ... " , begann sie mürrisch während sie mit fahrigen Bewegungen begann die zwei bereit gestellten Gläser mit Cratchawein zu füllen. "Du konntest wieder keinen Schlaf finden nicht wahr ? " Schuldbewusst sah sie der Zorai an und nickte stumm bevor er nach dem Glas griff das sie ihm entgegen streckte. "Das kann so nicht weitergehn." Sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas und blickte gedankenverloren durch das Rot des Weines auf seine Hände. "Im Gegensatz zu Dir brauche ich meinen Schlaf und erzähl mir was du willst, auch dein Körper braucht ihn." Sie warf ihm einen abschätzenden Blick zu. "Du wirst von Tag zu Tag bleicher. Würdest du deine Maske nicht so stolz zur Schau tragen, hielten dich die Leute schon bald für einen matisianischen Balg soviel Farbe wie du verloren hast."
"Pah !", entfuhr es Neferath. "Was soll ich denn tun ? Ich habe jeden einzelnen Medicus der verdorrenden Lande aufgesucht und keiner von ihnen wusste Rat. Keiner ihrer Zauber zeigte Wirkung und das einzige was ihre Mittelchen bewirkten waren Magenverstimmungen. Ich habe Tage gebraucht um den widerlichen Geschmack los zu werden den das Wundermittel von diesem Scharlatan Cei-Pe hinterlassen hat. Aber dieser Traum kehrt immer wieder und raubt mir den Schlaf." Erschöpft lies sich der Zorai auf eine der Bänke im Rund sinken und leerte sein Glas mit einem letzten Schluck.

"Vielleicht weil es keine medizinische Heilung für dein Problem gibt du Narr.", entgegnete Fai-Cu wütend während sie ihm nach schenkte. "Ich habe dir von Anfang an geraten meine Cousine auf zu suchen." Sie sah ihn eindringlich an bevor sie mit harter Stimme fortfuhr. "Ja-Zun Fa hat schon ganz anderen geholfen weitaus schwierigere Dinge als nur einen Traum los zu werden.", begann sie mit erhobenem Finger gestikulierend. "Was meinst du wohl warum sie die Empfängerin vom Stamm des heiligen Sap´s ist ? Mach dich auf den Weg in den vergänglichen Garten nach Matis wie ich es dir geraten habe oder lass es sein. Aber dies hier, wird die letzte Nacht sein die ich deinen Träumen zum Opfer fallen lasse und das ist mein voller Ernst."
Neferath warf ihr einen störrischen Blick zu und griff mürrisch nach dem aufgefüllten Glas. "Meinetwegen. Du lässt mir ja doch keine Ruhe mit dieser Hexe. Ich werde mich morgen auf den Weg machen und so Ma-Duk will weiss sie ja tatsächlich Rat." Verschmitzt blitzte es in den Augen Fai-Cu´s auf und bemüht ihrer Stimme einen gutmütigen Klang zu verleihen füllte sie sein noch immer volles Glas weiter bis zum Rand auf.
"Jetzt trink erstmal einen Schluck mein Freund. Sie ist keine Hexe und das weisst du auch. Du wirst ihr doch Grüsse von mir bestellen nicht wahr ? Oh und ich habe da noch etwas das du ihr mitbringen musst.",erwähnte sie beiläufig. "Sie wartet schon seit Ewigkeiten darauf und du weisst wie schwer es ist heutzutage noch einen verlässlichen Boten zu finden der etwas bis nach Matis bringt. Der Weg ist beschwerlich und der unsägliche Konflikt mit der Karavane hat dafür gesorgt das die Preise für Botengänge astromische Höhen erreicht haben. Eine einfache Barfrau wie ich kann sich all diese Gefahrenzulagen wirklich nicht leisten.", fügte sie nach einer kurzen Pause klagend hinzu und unterstrich die dringlichkeit des Ganzen mit einer theatralischen Geste. Unwillkürlich musste Neferath anfangen zu lachen. "Aye, keine Sorge. Ich werde ihr deinen Wein schon bringen. Aber jetzt lass uns den Rest dieser Nacht noch selbst davon kosten und morgen dann ... " Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas nur um zu beobachten wie sie es eifrig wieder füllte und ihn erwartungsvoll ansah. "Morgen werde ich die Lieferung abholen und sie deiner Cousine bringen."

Fai-Cu lachte zufrieden auf. "Das ist der Neferath wie ich ihn kenne und liebe. Unerschrocken und immer voller Tatendrang." Sie klopfte ihm auf die Schulter und nickte bestätigend zu ihren eigenen Worten. "Vergiss mir ja nicht ihr die Grüsse auszurichten und jetzt trink Freund, meinetwegen bis die Sonne scheint. Ich lasse dir den Wein in dein Appartment bringen sobald mein Bursche ausgeschlafen hat." Kopfschüttelnd lachte Neferath sie an und prostete ihr zu. Es würde eine lange Nacht werden ...

Fortsetzung folgt

Re: Der letzte Dämon

Posted: Thu Aug 23, 2007 6:02 pm
by neferath
~*~



Wähle deine Schritte mit Bedacht Reisender.
Denn so wie der Weg oftmals das Ziel ist,
so führt uns das Ziel nur all zu gern zum Anfang des Weges zurück.
... und glücklich, kann sich allein derjenige schätzen, dessen Weg nie beschritten werden muss.



~*~



Die angenehme Schwere des Weines war schon vor Stunden einer drückenden Last gewichen und allein der gehaltvolle Bodocbraten aus Fai-Cu´s Küche verhinderte dass das flaue Gefühl in Neferath´s Magen schlimmere Auswirkungen zeigte. Die Sonne hatte den Zenit bereits weit überschritten und ein um das andere Mal trafen ihn die strafenden Blicke der jungen Barfrau. Bald schon, würde ihre Geduld ein Ende finden und neben der Tatsache das dies dann wohl ein sehr unangenehmes Streitgespräch über das Thema Zeitgefühl mit sich bringen würde, dürfte es wohl auch bedeuten das er für die Zeche der vergangenen Nacht und des heutigen Tages aufkommen musste. Murrend leerte der Zorai sein Glas und winkte Fai-Cu zu sich.

"Denk nicht mal daran noch eine Flasche zu bestellen ...", begann sie aufgebracht als Neferath ihr ins Wort viel. "Ist ja gut, ist ja gut. Ich wollte mich nur verabschieden, ich denke es wird Zeit aufzubrechen. "

Sichtbar erleichtert schenkte sie ihm ein müdes Lächeln. "Ich nehme an dieser Schwall von Höflichkeit bedeutet das du noch eine Flasche für dich selbst mitnehmen willst ?" Neferath warf ihr ein schelmisches Grinsen zu. "Du kennst mich schon viel zu gut meine Liebe."

"Kunststück ... " engegnete die Barfrau spitz. "Kein anderer hat mir jemals soviel meiner Zeit gestohlen ohne auch nur einen einzigen müden Dapper dafür hier zu lassen." Betont unschuldig hob Neferath die Achseln. "So wie kein anderer sich all dein Gemeckere anhören würde ohne dafür einen Dapper zur Entschädigung zu verlangen meinst du ?" Für einen kleinen Moment blitzte es gefährlich in den Augen der jungen Zorai auf bevor sie tief einatmete um sich zu sammeln. "Geh einfach ...", sagte sie gequält. "Nimm dir eine der verdammten Flaschen und geh." Bedächtig stand Neferath auf und lies einige Sekunden verstreichen um sein Gleichgewicht zu finden bevor er sich schweren Schrittes mit einer Flasche Wein in der Hand auf den Weg machte.

"Und wehe du richtest Ja-Zun meine Grüsse nicht aus ! Und denk an die Kiste die du ihr mitbringen sollst, mein Bursche hat sie in dein Appartment gebracht !" , rief sie ihm aufgeregt nach. Abwiegelnd winkte Neferath mit erhoberer Hand. "Keine Angst ...", erwiederte er im Gehen ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. "Ich werd das schon nicht vergessen."

Wie erwartet hatte Fai-Cu´s Lieferung ihren Weg bereits in Neferath´s Appartment gefunden und wartete darauf von ihm nach Matis gebracht zu werden. "Alles zu seiner Zeit ...", sagte er flüsternd und nickte sich selbst bestätigend zu. Zu aller erst würde er sich noch einen Schluck genehmigen und sich etwas frisch machen. Ob Ja-Zun wohl wusste wieviele Flaschen in der Kiste sein sollten ? Mit einem Achselzucken verstaute er seine eigene im Wandschrank und bediente sich an der Kiste. Heute Abend würde er es erfahren.

Der Tag neigte sich allmählich seinem Ende zu und nur mühsam gelang es Neferath den säuerlichen Geschmack herunter zu schlucken der mit dem Zusammenziehen seiner Unterkiefermuskulatur einher ging. Es war defintiv etwas zuviel Wein gewesen und ein Blick in die mittlerweile zur Hälfte geleerte Kiste erschrak ihn beinahe selbst. Es wurde wirklich Zeit auf zu brechen. Mit ein wenig Wehmut begann er den Deckel der Kiste wieder so sorgfältig zu verschliessen wie es ihm die vom Wein geführten Hände erlaubten und klemmte sie, mit einer Hand nach der Teleporter Rune kramend, unter seinen Arm. Mit einem leisen Zischen brach das Siegel Augenblicke später. Er hasste das Gefühl von den Energien des Kamipaktes auseinander gerissen zu werden um Sekunden später in einem anderen Teil von Atys erneut zu materialisieren. Immerhin würde es diesmal ein wenig der Schwere des Wein´s von ihm nehmen.

Das Kribbeln in seinem Magen war noch nicht richtig abgeklungen als ihm bereits der kalte Regen ins Gesicht schlug. Matis, die grünen Anhöhen. Missmutig verzog der Zorai das Gesicht. Land der immerwährenden Regenzeit wäre weitaus treffender gewesen. Gab es in diesem Ma-Duk verlassenden Landstrich von Atys denn niemals trockene Tage ? Laut fluchend machte er sich auf den Weg um Ja-Zun Fa, die Empfängerin des Stammes des heiligen Sap´s aufzusuchen. Die kleine Zorai Gemeinde hatte ihre Zelte nicht unweit des Kami Kreises im vergänglichen Garten aufgeschlagen, aber selbst diese wenigen Meter reichten aus um ihn bis auf die Knochen zu durchnässen. Drohend grollte der Donner und der wolkenverhangene Himmel verdunkelte sich von Sekunde zu Sekunde mehr. Einzig und allein die nieder fahrenden Blitze erhellten die Silhouetten der Zoraizelte hin und wieder um sie aus dem Schleier der Regenmassen zu zerren. Wie konnte man nur freiwillig hier leben fragte er sich.

Die aufgestellten Wachposten des kleinen Dorfes begrüssten ihn mit einem spöttischen Lächeln. "Ein schöner Tag um auf Wanderschaft zu gehen nicht wahr ?", lachte ihn einer der beiden süffisant ins Gesicht. "Hmm aye, das ist mindestens so erfüllend wie hier Wache schiebend im Regen zu stehen und ein grenzdebiles Grinsen zur Schau zu stellen ...", erwiederte Neferath giftig. "Ich bin auf der Suche nach Ja-Zun und habe es eilig.", fuhr er fort bevor die sichtlich konsternierte Wache zu einer Erwiederung ansetzen konnte. "An den Totems in der Mitte des Dorfplatzes. Und keinen Ärger hier ja ?", gab die Wache unterkühlt zurück und warf dem Zorai einen zornigen Blick zu. "Wozu zum Henker stellt ihr hier Zelte auf wenn ihr doch alle freiwillig im Regen steht ?", murrte Neferath und zwängte sich an den beiden Wachposten vorbei die sich ersichtliche Mühe gaben ihm im Weg zu stehen.

Ein neuerlicher Blitz zuckte vom Himmel und lies die Klinge des Bernsteindolches aufblitzen der in der Hand einer hochgewachsenen Zorai spielerisch seine Kreise zog. Untermalt vom Grollen des Donners trat sie einen Schritt aus den Schatten der Totemsäulen des Dorfplatzes.

"Wer seid ihr und was wollt ihr hier ?", fuhr sie ihn unwirsch an. "Begegnet ihr jedem Reisenden mit solch einer Freundlichkeit ?", gab der Zorai angesäuert zurück. "Mein Name ist Neferath. Fai-Cu Fung schickt mich und ich bin auf der Suche nach Ja-Zun." Die Zorai legte ihren Kopf schief und mussterte ihn durchdringend. "Ihr seht nicht aus wie die Boten die sie sonst hier her schickt ..."

"Das mag daran liegen das ich kein Botenjunge bin den man im Regen stehen lässt.", fauchte Neferath gegen das Prasseln der Tropfen zurück. "Ich bin hier weil ich nach Rat suche." Unbeeindruckt von dem scharfen Ton seiner Antwort umkreiste ihn die Zorai und begann ihn abschätzend zu mustern. "Nun ...",begann sie und legte eine genau bemessene Pause ein. "Ich ... bin Ja-Zun Fa. Empfängerin des Stammes des heiligen Sap´s." Sie breitete ihre Arme aus und begann sich den Kopf hoch gen Himmel erhoben langsam um die eigene Achse zu drehen. "Gesannte der Gemeinschaft und Sprachrohr des Botschafters der Kami in diesem Landstrich. Hüterin der Bernsteinklinge und ..."

Wütend wischte Neferath mit der Hand durch die Luft. "Könnten wir das Ganze eventuell etwas abkürzen oder in einem der Zelte fortsetzen ? Ich bin es Leid diesem Wetter ausgesetzt zu sein." Die Empfängerin atmete scharf aus. Bemüht erkennen zu lassen das sie solcherlei Unhöflichkeiten nicht gewohnt war und diese seltene Gelegenheit nur all zu gern genutzt hätte sich selbst darzustellen, fuhr sie in einem etwas tieferen Tonfall fort. "Dafür das ihr hier steht wie ein begossener Yubo habt ihr eine gefährlich Scharfe Zunge Fremder. Vor allem für jemandem der nach meinem Rat sucht. Ihr seid ohnehin bereits durchnässt.",fuhr sie fort. "Welch Unterschied würde es also machen wenn ich euch in eines der Zelte bitte ? Aber meinetwegen, folgt mir." Sie wandte sich einem der kleinen Zelte zu und bedeutete ihm ihr zu folgen.

Die Talgleuchten erfüllten das Innere des Zeltes mit warmen Licht und die in allen Ecken ausgebreiteten Gingo- und Ragusfelle verbreiteten eine archaische aber dennoch gemütlich und einladend wirkende Athmosphäre. Dankbar dem Regen endlich entkommen zu sein stellte Neferath Fai-Cu´s Kiste ab und begann mit dem hoffnungslosen Unterfangen etwas des Nass´ abzuschütteln. Ja-Zun würdigte ihn keines Blickes und widmete sich einiger seltsamer Gerätschaften in einer Ecke des Zeltes während sie, nun etwas freundlicher, begann sich nach dem genauen Grund seiner Anreise zu erkundigen.

"So ... Neferath ist euer Name sagtet ihr und Fai-Cu hat euch geraten mich auf zu suchen ?" Sorgsam die Felle begutachtend um heraus zu finden welche davon wohl am bequemsten sein könnten setzte der Zorai an zu antworten. "Aye, so ist es. Seit Wochen schon verfolgt mich ein Traum und raubt mir Nacht für Nacht den Schlaf. Ich habe jeden Medicus der verdorrenden Lande aufgesucht aber keiner konnte mir helfen. Eure Cousine meinte ich sollte euch um Rat bitten."

Langsam drehte sich Ja-Zun in seine Richtung, die Augen konzentriert auf ein kleines Behältnis gerichtet in dem sie eifrig einige Utensilien zerkleinerte. "Das ach so böse Monster Neferath wird also von Alpträumen geplagt.",begann sie spitzbübisch lächelnd. "Und ich dachte schon den ach so hoch gelobten Xianjin würde nichts Nahe gehen können." Gequält rollte der Zorai mit den Augen. "Erzählt mir nicht das diese Geschichten selbst diesen Winkel erreicht haben." Endlich einen Stapel Felle erspäht habend der ihm bequem genug erschien entledigte sich Neferath seiner durchnässten Rüstungsteile, lies sich nieder und warf der kleinen Kiste die vor ihm stand einen sehnsüchtigen Blick zu.

"Nur keine Scheu, trinkt den Wein den Fai-Cu euch für mich mit gegeben hat. Sie weiss das ich dieses Zeug nicht in unserem Dorf sehen will aber dennoch versucht sie immer wieder auf´s Neue sich auf diese Art und Weise meine Gunst zu erschleichen um etwas des gereinigten Sap´s zu ergattern welches wir hier herstellen. Sie hat die ...". Ja-Zun legte eine Pause ein als wöllte sie peinlich genau darauf achten das die nächsten Worte ihre Wirkung auch ja nicht verfehlten."Sagen wir es so, gereinigtes Sap hat nicht nur eine heilende Wirkung sondern ebenso ein hohes Suchtpotential. Sie versetzt ihren Cratchawein damit um sicher zu stellen das ihre Kunden auch ja wieder kommen."

Neferath warf ihr einen entsetzten Blick zu. "Was sagt ihr da !?", entfuhr es ihm und noch während die Worte in seinen Ohren widerhallten begann er die Kiste zu öffnen und machte sich daran eine der wenigen Flaschen zu entkorken die den Weg nach Matis erlebt hatten. "Hört mir jetzt gut zu Xianjin ..." begann Ja-Zun eindringlich während sie dem Behältnis in ihrer Hand einige weitere Kräuter hinzufügte. "Der Stamm des heiligen Sap hat sein Quartier inmitten des Feindeslandes aufgeschlagen. Bislang hat man uns unsere Ruhe gelassen und ich möchte das dies auch so bleibt. Sollte sich eure Anwesenheit hier jedoch herum sprechen ... " Sie hielt kurz mit ihrem Werk inne und warf ihm einen beschwörenden Blick zu. "Sollte auch nur ein einziger Matis davon erfahren dürfte es damit wohl nur all zu schnell vorbei sein."

Neferath entkorkte eine der Flaschen und nahm einen tiefen Schluck bevor er den Blick hob und ihr antwortete. "Ihr wollt damit sagen das ich hier nicht willkommen bin und euch wieder verlassen soll ?" Angestrengt prüfend begutachtete Ja-Zun ihre Kräutermischung und fügte noch etwas von einem seltsam aussehenden Pulver hinzu. "Was ich sagen will Schlächter, ist das wir euch für diese eine Nacht Quartier anbieten werden. Ihr werdet dieses Zelt nicht verlassen und noch vor Anbruch des neuen Tages möchte ich das ihr euch auf den Weg macht." Neferath warf ihr einen fragenden Blick zu. "Auf den Weg wohin ? Zurück nach Zora ?" Die Zorai zögerte einen Moment und strich nervös mit den Fingern über den Rand des kleinen Schälchens in ihrer Hand. Schliesslich hob sie den Blick und sah ihm direkt in die Augen.

"Sagt euch der Name Cai-Ci Fuangi etwas ?" Neferath nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche und versuchte verzweifelt sich daran zu erinnern was mit diesem Wein nicht in Ordnung war. Prüfend liess er den Cratchasaft durch seinen Gaumen kreisen, schluckte ihn und spülte mit einem weiteren Schluck nach. Was immer es auch gewesen sein mochte schloss er letztendlich, dieser Tropfen war viel zu gut um ihn verkommen zu lassen. "Ja.", antwortete er schliesslich. "Ich habe einen Grossteil meiner Jugend bei ihr und den Geschwistern der Pflanzen zugebracht. Warum fragt ihr ?"

Ja-Zun schwieg für einen Moment und sah ihn mit offener Verwunderung an. "So schliesst sich also der Kreis.", setzte sie schliesslich an. "Wovon redet ihr da ?", fragte der Zorai mit der Zunge schnalzend bevor er zu einem erneuten tiefen Schluck ansetzte. Ja-Zun zog einen kleinen Flakon aus ihrem Ärmel und gab einige Tropfen einer übel riechenden Flüssigkeit zu der Kräutermischung. "Das spielt keine Rolle Schlächter, ihr würdet es ohnehin nicht verstehen." Sorgsam verrührte sie das Gemisch in ihrer Hand und roch abschliessend noch einmal daran. "Ihr werdet sie morgen vor Anbruch des Tages aufsuchen. Sie wird euch helfen können. Das einzige was ich für euch tun kann ist euch eine Traumlose Nacht schenken und ...". Kopfschüttelnd beobachtete sie wie der Zorai die geleerte Flasche in der Kiste verschwinden lies um in der selben Bewegung gekonnt eine Neue hervor zu zaubern und zu entkorken. "... und euch von diesem Leiden befreien.", fügte sie mehr zu sich selbst sagend hinzu.

"Leert dies auf einen Zug bevor ihr euch heute Nacht zur Ruhe bettet." Sie kam einen Schritt auf ihn zu und hielt ihm das Schälchen mit ihrer unangenehm riechenden Kräutermischung entgegen. "Es wird euch eine Traumlose Nacht bescheeren und euch somit tiefen Schlaf gönnen. Ihr müsst ausgeruht sein wenn ihr Cai-Ci aufsucht."

Dankbar nickend streckte Neferath die Hand nach dem Schälchen aus und platzierte es in sicherer Entfernung zu seinen Füssen neben sich auf dem Boden. "Wenn ihr eventuell noch für eine Mahlzeit sorgen könntet ?", erwiederte er. "Ich fühle mich als ob ich seit Wochen nichts mehr gegegessen hätte." Wissend lächelnd beobachtete Ja-Zun wie Neferath die kleinen Kristalle im Wein bewunderte und die Flasche sanft im Schein der Talgleuchten drehte. "Ich werde euch etwas bringen lassen.",entgegnete sie während sie sich zum Ausgang des Zeltes wendete. Die Plane des Zelteingans zur Seite schiebend wandte sie sich noch einmal um. "Einen kleinen Rat noch Xianjin. Trinkt den restlichen Wein bevor ihr meine Medizin zu euch nehmt. Morgen Früh wird er euch bei weitem nicht mehr so gut munden." Neferath warf ihr einen ungläubigen Blick zu. "Wie könnt ihr sowas sagen ? Ein solcher Tropfen wird mir immer ein Genuss sein. Die Kami selbst müssen ihn gekeltert haben." Kopfschüttelnd wandte sich Ja-Zun zum gehen. "Denkt daran. Noch vor Anbruch des Tages müsst ihr uns verlassen." Mit einem lauten Rascheln senkte sich die schwere Plane hinter ihrem Rücken und Neferath widmete sich wieder ganz dem Wein in seiner Flasche. Es dauerte keine Stunde bis ihm das versprochene Mahl gebracht wurde und einige Flaschen später sank er, das geleerte Medizinschälchen noch immer in Hand haltend in einen tiefen und traumlosen Schlaf.



Fortsetzung folgt.

Re: Der letzte Dämon

Posted: Sat Nov 08, 2008 7:37 am
by neferath
~*~

Fragen ... Ein jeder hat sie. Antworten ... Ein jeder begehrt sie.
Doch was wenn die Wahrheit grausamer ist als die Illusion ?
Was wenn Wissen schmerzlicher ist als Unwissenheit ?
....
Würde der Cratcha freudig seine Blüte erwarten,
wenn er wüsste das nach ihr nur der Verfall und der Tod auf ihn warten ?

~*~

Vor Stunden schon war der monotone Trommelschlag des hernieder prasselnden Regens auf die Zeltplane über ihm einem sanftem Rauschen gewichen, dem durch das gleichmässige Stapfen seiner Füsse auf dem nassen Grund, ein treibender Rythmus verliehen wurde. Sein Magen schien in alle Richtungen gleichzeitig fliehen zu wollen und sein Kopf konnte schon längst nicht mehr zwischen dem pochenden Schmerz der zum zerbersten durchfluteten Adern in seinem Inneren und den Schlägen der Regentropfen auf seinem Haupt unterscheiden.
Aber er hatte geschlafen. Seit so langer Zeit hatte er das erste mal geschlafen ohne von diesem Traum verfolgt zu werden und bald schon würde er das Lager der Geschwister der Pflanzen erreicht haben.
Die Wachen hatten ihn noch vor Anbruch des Tages unsanft geweckt um sicher zu stellen, das er Ja-Zun´s Anweisungen Folge leistete und die kleine Zorai Niederlassung am Kamikreis verliess. Seit dem stapfte er durch den nassen herbstlichen Morast Matias und bald schon würde er das Lager Cai-Ci Fuangi´s erreicht haben ... um, hoffentlich dauerhaft, von diesem Traum befreit werden. Die Geschwister der Pflanzen, er hatte einen Grossteil seiner Kindheit unter ihnen verbracht. Wie seltsam das ein Traum ihn nach all den Jahren zu ihnen zurück führen würde. Was Ja-Zun wohl damit gemeint hatte das der "Kreis" sich schliesse ?
Ein wildes Heulen riss ihn aus seinen Gedanken. Gingos. Sie hatten also aufgeschlossen. Schon seit Stunden waren sie ihm auf den Fersen gewesen. Seiner Spur, seiner Fährte durch den niemals enden wollenden Regen Matias folgend. Sie waren näher gekommen und ihr Heulen verriet, dass das Rudel dazu ansetzte ihn einzukreisen um der Jagd ein Ende zu setzten.
Jäger, Beute, Opfer, Mörder. Er ... war Zorai.
Nichts von alledem war ihm fremd und wie der Izam sein Ei ohne den Schutz eines Nestes legte, damit der Igara es stehlen und ausbrüten konnte, würde er den Gingos den Weg zu den Geschwistern der Pflanzen weisen, damit Cai-Ci Fuangi´s Gemeinschaft ihr Mahl erhielt. Ein Herzschlag, ein Schritt, ein Atemzug, ein Sprung. Die Jäger waren zur Beute geworden als sie ihren Triumph zu feiern begannen. Ein kühles Lächeln umspielte seine Lippen als er langsam aber beständig begann das Tempo seiner Schritte zu erhöhen. Nur noch dieser eine Hügel. Nur noch diese eine Anhöhe und er hatte sein Ziel erreicht. Tief atmete der Zorai durch. Dann stoppte er apprupt seine Schritte und wartete. Wartete hockend mit geschlossenen Augen bis er das gehetzte Hecheln in seinem Nacken vernahm.
Ein Regentropfen, ein Atemzug, ein wildes Knurren, ein Wimpernschlag. Dann katapultierte sich der Zorai vorwärts durch den Regen und hetzte die letzten Meter zum Lager der Geschwister der Pflanzen empor.
"Sie kommen !", schrie er wie in den den Tagen seiner Jugend, die plötzlich so nah vor ihm lagen wie der gestrige Abend und ebenso wie zu jener Zeit, stürmten im selben Moment in dem er es ausrief, die Wachen des Lagers auf ihn zu um die ihn hetzende Meute gebührend zu empfangen. Ein letzter Sprung noch, ein letzter gehetzter Atemzug, dann richtete sich der Zorai schwer atmend auf und schritt gemächlich die verbliebenen Meter zum Lager der Geschwister empor ohne das sich in seinem Rücken abspielende Spektakel eines Blickes zu würdigen. Die Falle war zugeschnappt. Das Mahl bereitet und bald schon, würde der unablässige Regen Matias die letzten Spuren der sterbenden Meute in seinem Rücken beseitigt haben.
Langsam schälte sich der riesige Totempfahl des Lagers vor ihm aus dem Regen und noch während das gequälte Aufjaulen der sterbenden Gingos in seinem Rücken langsam erstarb, konnte der Zorai die flüsternde Stimme des Kamibotschafters der kleinen Gemeinschaft in seinem Kopf spüren.
"Kennen wir dich Neferath." Der dichte Regen und die langsam einsetzende Dunkelheit liessen den kleinen Kami mit seinem schwarzen Pelz nahezu nahtlos mit der Umgebung verschmelzen. Einzig und allein seine grossen weissen Augen liessen seine Präsenz erkennen und starrten ihn ausdruckslos an.
"Schlächter der Karavane du bist und gekommen um nun deine eigene Art zu schlachten. Doch verstehen warum du noch nicht kannst." Kleine Funken begannen die Silhouette des Kami zu umspielen während er seine Arme langsam hob und seine Finger kreisend im Regen spielen liess. Der Zorai sank in die Knie und blickte den Botschafter fragend an.
"Vergebt mir aber ich verstehe nicht. Ich bin wegen eines Traumes hier der mich seit langer Zeit verfolgt. Nicht wegen meines Volkes, nicht wegen dem Streit um unsere Besitztümer und erst recht nicht um den Meinen ein Ende zu bereiten."
Bedächtig wiegte der kleine Kami seinen Kopf von einer Seite auf die andere. "Verstehen du musst Schlächter und verstehen du wirst. Nur im Glanz der Makel gefunden werden kann und nur in einem gefundenen Makel eine Chance auf neuen Glanz besteht. Sprechen du nun kannst mit Cai-Ci Fuangi. Einen letzten Weg sie wird dir weisen und wenn beschritten du ihn hast ... " Der Kami legte eine genau bemessene Pause ein. "... deinen nicht gewollten Traum gegen ein anderes nicht gewolltes Übel du tauschen wirst. Gezeichnet du bist Zorai und gesegnet mit unserem Geschenk um zu verbergen dein Antlitz. Doch an der Zeit es ist, den Preis dafür zu zahlen."
Die Funken welche den Körper des kleinen Kami umspielten erstarben und mit ihnen, erlosch das Echo seiner Stimme im Kopf des Zorai. Er hatte gesagt was zu sagen war und nun war es an Neferath mit Cai-Ci Fuangi zu sprechen.
Fortsetzung folgt.

Re: Der letzte Dämon

Posted: Tue Nov 11, 2008 5:09 am
by neferath
~*~

Majestätisch erhebt sich der ewige Baum bis in die Weiten des Alls.
Nicht zu bändigen ist sein blosser Wille nach den Sternen zu greifen.
Doch auch der mächtigste Stamm wird fallen ist seine Wurzel erst von Fäulnis befallen.
Der wildeste Rendor ins Straucheln geraten beginnt er erst zu lahmen.
Die schärfste aller Klingen stumpf werden, verliert der Krieger, dessen Hand sie führt erst sein Herz.
... und vergehen ein jedes Volk das sich selbst verliert.

~*~


Die Zorai hatte das ungleiche Paar eindringlich beobachtet. Allmählich verblassten die letzten der schwirrenden Funken und der kleine Kami klatschte in die Hände. Er hatte gesagt was zu sagen war.
Sie, würde sich fortan um ihren neuen Gast kümmern. "Du hast uns lange warten lassen ! ", setzte sie laut und scharf an, während sie die wenigen Schritte von ihrem Zelt, zum alles überragenden Totem der Kami, durch den Regen zurück legte. "Man sollte meinen, ich hätte Dir in all den Jahren genügend Respekt gelehrt um eine alte Frau wie mich nicht Jahr um´s Jahr auf´s Neue vergeblich auf einen Besuch von Dir warten zu lassen."
Unwillkürlich zuckte Neferath zusammen. "Cai - Ci ich ..", begann er noch bevor sich die schmucklose Maske der Zorai richtig aus der fortschreitenden Dunkelheit schälen konnte. "Du bist nicht nur respektlos und unhöflich sondern auch total durchnässt !", führte sie seinen Satz mit unverminderter Schärfe fort und sorgte mit einer unwirschen Handbewegung dafür das Neferath erst gar nicht den Versuch machte etwas zu erwiedern. Sie legte den Kopf leicht schief und bedachte den Kami, der beide aus seinen ausdrucklosen Augen beobachtete während ihn erneut kleine Funken zu umkreisen begannen, mit einem nachdenklichen Blick. Stumm nickte sie ihm einen Augenblick später zu und wandte sich ihrem Zelt hinter dem Totem zu.
Den schweren Stoff am Zelteingang beiseite schiebend drehte sie sich zu dem nach wie vor regungslos da stehenden Zorai um. "Worauf wartest Du ? Weder wird der Regen nachlassen noch meine Laune sich bessern wenn ich ihm weiter ausgesetzt bin !", fauchte sie ihn betont hart an. Schulterzuckend schüttelte Neferath den Kopf und folgte ihr um den schweren Stoff des Zeltes etwas höher zu halten damit sie, hoch erhobenen Hauptes, das Zelt betreten konnte. Er war froh dem Regen endlich wieder entkommen zu können. Vor allem aber, freute er sich Cai - Ci nach all diesen Jahren endlich wieder zu sehen und auch wenn sie sich erhebliche Mühe gegeben hatte dies wie immer zu verheimlichen, wusste er das es ihr nicht anders ging. Aufmerksam mussterte er die schlanke, barhäuptige Zorai im Licht der Talgleuchten die verteilt im Zelt brannten. Nach wie vor trug sie die etwas knapp bemessene traditionelle Kleidung der einfachen Zorai Damen und ebenso waren nicht nur ihre Haut sondern auch ihr Körper noch immer jugendlich und nahezu makellos. Einzig und allein ihre Stimme verriet die unendlich vielen Zyklen die ihre Augen schon mit ansehen mussten.
Tief sog der Zorai die Luft im inneren des Zeltes ein. "Du verbrennst kein Timarifett mehr in deinen Lampen ?" Er schritt zu dem kleinen Tisch in der Mitte des Zeltes und hob die darauf stehende Lampe etwas näher an sein Gesicht um daran zu schnuppern bevor er sie kopfschüttelnd wieder zurück stellte. Seufzend schritt die Zorai auf ihn zu und hielt seinen zurückfahrenden Arm fest. "Bodocfett. Uns erreichen schon lange keine Lieferungen mehr aus den verdorrenden Landen oder Fyros und jetzt lass dich erst einmal anschauen Junge." Sanft schob sie ihn einen Schritt zurück und musterte ihn eingehend von Kopf bis Fuss. "Was hast Du nur all die Jahre getrieben Junge ... ", begann sie in einem deutlich weicheren aber dennoch vorwurfsvollem Tonfall während sie mütterlich einige Tropfen mit ihrem Ärmel von seiner Maske wischte. "Was sind das für graue Haare in deinem Alter und woher stammen die Narben an deinen Schultern, und ..." Sie sah ihn für einen Moment durchdringend an dann schloss sie die Arme um ihn und drückte sich fest an ihn.
"Cai ich ...", setzte Neferath an. "Nein. nein ist schon gut.", fuhr sie ihm wie gewohnt ins Wort. "Du bist nicht mehr der kleine Junge von damals und ich nicht mehr die fürsorgliche Pflegemutter die dich all abendlich erwartet." Sie winkte ab und drehte ihm den Rücken zu. Tief durchatmend und bemüht ihre Stimme zu halten begann sie einige Schriftstücke auf dem kleinen Tisch neben sich zu durchsuchen. "Jetzt leg schon endlich diese Rüstung ab und mach es dir bequem." Das gesuchte Pergament in der Hand haltend wandte sie sich einem kleinen Schränkchen zu um Gläser und eine rötlich schimmernde Flasche hervor zu holen während Neferath, sichtlich erleichtert die schweren Rüstungsteile ablegen zu können, auf einem der Hocker neben dem Tisch Platz nahm. Vorsichtig füllte sie die beiden Gläser bis zum Rand auf und schob ihm das Schriftstück über den Tisch zu.
"Es kam also so wie es von Anfang an zu vermuten gewesen war." Sie setzte sich auf einen der anderen bereit stehenden Hocker und warf ihm einen fragenden Blick zu. Flüchtig überflog Neferath die Abschrift des von ihm in Umlauf gebrachten Zo Kian Manifest´s während er sich der zweiten Armschiene entledigte und sie zu den restlichen Rüstungsteilen neben sich fallen lies. "Natürlich kam es so.", beantwortete sie sich ihre Frage selbst und nippte an ihrem Glas. "Sei nicht unhöflich und trink Junge. Ich habe ihn selbst gekeltert." Misstrauisch beäugte der Zorai das für ihn bereitstehende Glas. Dann griff er zu und nahm einen vorsichtigen Schluck. Langsam lies er den Wein in seinem Mund kreisen bis er sich sicher sein konnte das er definitiv einen anderen Geschmack als der mit Sap versetzte Wein aus Fai - Cu´s Bar hatte. Dann schluckte er ihn und antwortete. " Aye. Aus Zorai den Zorai wurde ein Zorai den Fyros. So wie es schon zu jenen dunklen Tagen zu befürchten war als wir die Karavane aus unseren Landen getrieben haben."
Gedankenverloren schob er das Papier auf dem Tisch hin und her. "Selbst jene aus unserem Volk, denen ihr Krümel vom Rendorbraten zu jener Zeit gegönnt wurde, stellen sich gegen unsere Ansprüche da ihnen das was man ihnen in damals zusprach nicht ausreicht und sie nach dem Prunkstück der verdorrenden Lande gieren." Wütend wischte er das Pergament vom Tisch. "Wir haben ihnen angeboten was man anbieten kann. Wenn man uns Zorai nicht gestatten möchte die Güter unseres Landes selbst zu verwalten und unter den Bedürftigen der Kamigemeinschaft zu verschenken ... " Er legte eine Pause ein und nahm einen weiteren kleinen Schluck aus seinem Glas. "Aber ich bin nicht deswegen hier Cai.", fuhr er sichtbar bemüht seine Wut zu unterdrücken fort.
Die alte Zorai warf ihm einen fragenden Blick zu. "Ja - Zun schickt mich.", fuhr Neferath fort. "Sie schickt mich damit du mir dabei hilfst einen Traum los zu werden der mir Nacht für Nacht den Schlaf raubt. So wie immer scheinen die Kami zu wissen. Mehr zu wissen als sie uns sagen. Der Botschafter deines Stammes machte Andeutungen als ich eintraf. Aber ich habe sie nicht verstanden. Er sagte Du ... ", Neferath sah sie über den Rand seines Glases durchdringend an. "Er sagte Du würdest mir einen letzten Weg weisen."
Langsam stand Cai - Ci auf, füllte ihr Glas erneut und schritt etwas weiter in den Schatten des Zeltes. Ein Windzug lies die Flämmchen der Talgleuchten wild aufflackern und die Schatten ihrer Schritte auf dem sie umgebenden Zeltstoff seltsam anmutende Tänze vollführen. "Hast du gereinigtes Sap zu dir genommen ? In hohen Dosen ?", fragte sie, gedankenverloren dem Spiel ihrer eigenen Schatten folgend. "Aye, das habe ich wohl.", antwortete Neferath. "Wie ich dank Ja - Zun erfahren habe, versetzt ihre Cousine Fai - Cu Fuangi ihren Wein in Zora damit. Warum ? Sind diese Träume einer der Nebenwirkungen des Sap´s ?"
Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Dann atmete sie tief ein bevor sie, ihm den Rücken zugewandt mit gebrochener Stimme antwortete. "Dann hörst Du Sie also. Ihr Gesang hat dich erreicht. Ich hatte so gehofft das es nie dazu kommen würde. Doch schon als mich die Abschrift dieses ... ", sie legte eine kleine Pause ein und nahm einen weiteren Schluck. " ... dieses Manifest´s erreichte wusste ich das ihr Lied dich erreicht hat. Das Sie dich nach all den Jahren doch gefunden hat."
"Wovon sprichst Du Cai ? Wer hat mich gefunden und von was für einem Lied redest Du da ?" Langsam drehte sich Cai - Ci um und kam auf ihn zu. Dann stellte sie ihr Glas auf den Tisch, ging vor Neferath in die Hocke und führte seine Hände zu ihrer Stirn. "Konzentriere dich Junge.", begann Sie und legte ihre Hände zur Linken und zur Rechten an seinen Kopf. "Lausche, über deinen Atem hinweg. Hinweg über den Schlag deines Herzens. Lausche dem Wind und dem Klagelied das er singt. Höre ... Sie."
Neferath schloss die Augen. Sein Atem begann zu stocken und mit der Wärme aus Cai - Ci´s Händen, die seinen Kopf durchflutete, begann er zu hören. Sie zu hören. Leise erst, wie ein fernes Summen wurde es lauter. So voller Kummer, so voller Leid und dennoch unbeschreiblich schön. Dieses uralte Lied seines Volkes. Gesungen mit einer Stimme die er seit seiner Kindheit nicht mehr gehört hatte. So klar, so rein so voll der Trauer.
"Ja du hörst sie Junge.", flüsterte Cai während Tränen begannen dunkle Muster über ihre Maske zu zeichnen. "Du kannst ihren Kummer spüren. Ihre Nähe fühlen, und du weisst wo du Sie finden wirst. Wo du sie zurück gelassen hast und wo sie schwor auf dich zu warten. Du kennst den Ort der zu Ihrer Höhle des Zorns wurde ..."
Mit tränengefüllten Augen nickte der Zorai und während sie beide weinend in den Gesang dieses uralten Liedes einstimmten. Während sich der Kummer ihrer Stimmen in die Nacht erhob, mischten sich die ersten Schneeflocken in den niemals endenden Regen Matias. Der Winter war gekommen und mit ihm die Zeit all dem ein Ende zu bereiten um Platz für die Geburt von etwas Neuem zu schaffen.

Fortsetzung folgt ...

Re: Der letzte Dämon

Posted: Fri Nov 14, 2008 4:11 pm
by neferath
~*~

Alles im Leben strebt nach Harmonie, nach einem Ausgleich,
nach einem Gleichgewicht der Dinge.
Doch nur allzu oft hat diese Harmonie einen fürchterlichen Preis.
... und die einzige Frage die sich stellt ist ...
Bist Du dazu bereit ihn zu bezahlen ?

~*~



Die Strahlen der hochstehenden Mittagssonne webten dichte Schleier vor ihren Augen. Ihr Licht war so intensiv, so warm. Sie konnte sich nicht daran erinnern jemals ein so prächtiges Farbenspiel gesehen zu haben. Selbst der Regen hatte inne gehalten und der liebliche Geruch der Psykoplas lies sich beinahe wirklich schmecken. Mit einem vergnügten Summen stieg eines der unzähligen Insekten auf und schwirrte für den Bruchteil einer Sekunde direkt vor ihrem Gesicht. Fasziniert beobachtete sie, wie sich die Sonne in den unzähligen Facetten dieses sonderbaren Tier´s brachen und spiegelten.
Dann schwirrte es brummend davon und das Geräusch ihres reissenden Rockes zwang sie in die Realität zurück. Sie strauchelte und der nächste Fehltritt brachte sie endgültig zu Fall. Hart schlug sie neben einem der unzähligen Psykoplas auf. Seltsam das sein Schnarren fast die selbe Tonlage wie das Knurren in ihrem Rücken hatte, kam es Ihr in den Sinn. Keuchend versuchte Sie sich wieder auf zu richten als der dumpfe Schlag ihre Wade traf. Mit einem wilden Ruck wurde ihr das Bein zurück gerissen und während das Knurren hinter ihr einem schmatzenden Schnappen wich, kam der gleissende, pochende Schmerz. Gepeinigt schrie Sie auf. Tränen schossen ihr in die Augen und etwas floss heiss ihren Knöchel herab. Das Wasser. Sie musste ins Wasser, dort war sie sicher. Wimmerd wischte Sie sich die Tränen aus den Augen und zog sich weiter in Richtung der Sonnenstrahlen, die sich höhnisch lächend in den Wellen vor ihr brachen. Ein erneuter Schlag traf ihren Schenkel und riss wild an ihrem Bein. Kreischend schlug sie nach hinten aus, spürte Fell zwischen ihren Fingern und zerrte so kräftig daran, wie ihre schwindenden Kräfte es zuliessen. Jaulend riss der Gingo ein weiteres Stück Fleich aus ihrem Schenkel nur um es im selben Moment gegen den Rest der Meute verteidigen zu müssen.
Zitternd zog sie sich weiter, spürte Wasser zwischen den Fingern und stiess sich, ihre letzten Kräfte aufbietend, mit dem unverletzten Bein nach vorn. Laut klatschend schlugen die eiskalten Wellen über ihrem Kopf zusammen. Für einen Moment verlor Sie die Orientierung, dann sah sie das Spiel der Sonne über sich und durchbrach prustend die Wasseroberfläche. Kläffend schnappten die Kiefer der Meute nur Zentimeter vor ihr zusammen und stinkender Speichel spritze ihr entgegen. Erschrocken schrie sie auf und brachte einige Meter zwischen sich und das Ufer. Bösartig knurrend, begann das Rudel am Ufer auf und ab zu schleichen. Halb geduckt, immer bereit zum Sprung wagten sie vorsichtig den ersten Schritt ins kühle Nass nur um in selben Augenblick angewiedert einen Satz zurück zu machen. Dann setzten sie sich, beobachteten sie aus ihren kalten Augen.
Langsam begann der pochende Schmerz in ihrem Bein einem tauben Gefühl zu weichen, das nach und nach ihren Körper herauf wanderte. Welle um Welle schwappte mit der Taubheit der dunkle Schleier der Ohnmacht vor ihre Augen. Die Gingos zogen sich langsam etwas zurück und legten sich, sie mistrauisch beäugend, in Ufernähe in die Sonne. Nur einer blieb aufrecht sitzend am Wasser. Regungslos saß er da. Beobachtete sie aufmerksam aus seinen seltsam ausdruckslosen, weiss schimmernden Augen. Einen Moment hielt sie seinem Blick stand, dann wandte sie sich ab und begann mit zitternden Lippen zu singen. Ihr Lied zu singen. Sein Lied zu singen. Er würde es hören, er musste es hören, er hatte geschworen es immer zu hören.
... und während sich das Wasser um sie herum tiefrot färbte schloss sich der gütige Mantel der Dunkelheit über ihr.



Keuchend wachte Neferath auf und begann unwillkürlich zu Würgen. Der Geschmack von brakigem Wasser erfüllte seinen Mund und ein erneutes verkrampfen seines Magens trieb ihm Tränen in die Augen. "Sie hat es Dir gezeigt nicht wahr ?"
Langsam stand Cai - Ci auf und kam auf ihn zu. "Trink das.", begann sie und hielt ihm ein Glas mit grünlich schimmerndem Inhalt entgegen. "Das wird dir den Geschmack nehmen und dich stärken." Zittrig griff der Zorai nach dem Glas während ihm ein weiterer Krampf durch die Eingeweide fuhr. Die Flüssigkeit brannte wie Feuer in seiner Kehle und trieb ihm den Schweiss auf die Stirn. Keuchend kämpfte er gegen das sich breitmachende Gefühl der Ohmacht an und verkrallte sich in den Fellen auf denen er lag. Sekunden später begann sich ein wohliger Schwindel in seinem Kopf breit zu machen und die Krämpfe liessen nach. Vorsichtig hob Cai - Ci seinen Kopf an und sah ihm in die Augen.
"Verstehst du mich ?" Ihre Stimme klang unendlich weit entfernt und irgendwie seltsam verzerrt doch der Zorai nickte. "Die Wirkung des Sap´s wird nicht lange anhalten. Aber so die Kami wollen, lange genug damit du ihr gegenübertreten kannst." Sie bedachte ihn mit einem besorgten Blick. Dann stand sie auf und wandte sich dem Ausgang des Zeltes zu. "Sie erwartet dich Neferath und glaube mir eines Junge ..." Sie atmete tief ein, dann fuhr sie fort. "Sie wartet schon sehr lange und ihre Geduld ist nahezu erschöpft. Ich kann dir nicht sagen was dich erwarten wird, aber rechne mit allem." Dann wandte Sie sich um und verliess das Zelt. Mit fahrigen Bewegungen begann Neferath seine Sachen zusammen zu suchen und kleidete sich an. Das Brennen in seiner Kehle war nach wie vor mörderisch und der Schwindel liess die Konturen vor seinen Augen verschwimmen. Vorsichtig, versuchte er nach der noch immer zur Hälfte gefüllten Weinflasche auf dem Tisch zu greifen.
Langsam näherten sich seine Hände von links und rechts dem Objekt seiner Begierde bis er das Glas der Flasche zwischen den Fingern spürte. Bedächtig führte er sie zu seinem Mund nur um resigniert fest zu stellen das er sie erst noch entkorken musste. Schluck um Schluck lies das Brennen nach und verstärkte den wohligen Schwindel in seinem Kopf. Geleert lies er sie über den Tisch zu Boden rollen und stemmte sich behutsam in die Höhe. Alles tanzte vor seinen Augen und er brauchte einen Moment bis er sich sicher genug war das er den Ausgang des Zeltes aufrecht erreichen würde.
Dann machte er sich mit vorsichtigen Schritten daran das Zelt zu verlassen.

Fortsetzung folgt ...