Die Geschichte von Velvet-Paw
Kapitel 1
Es war ein Morgen wie jeder andere in der fyrischen Wüste. Die langsam emporsteigende Sonne heizte den Sand bereits auf. Aber, noch waren die Temperaturen in Pyr erträglich und es tummelten sich trotz der frühen Morgenstunde bereits viele Homin in den Straßen der Hauptstadt des Fyros Imperiums.
Einer von ihnen war ein junger, doch erfahrener Jäger mit Namen Velvet-Paw.
An diesem Morgen erwarteten ihn wieder einmal viele Aufträge. Das brachte zwar Dapper in die Kasse, war aber auch mit viel Arbeit verbunden. Er sollte das Fleisch einiger Kitin besorgen, sowie deren Panzer und Zähne. Und alles von möglichst hoher Qualität. Dies bedeutete auch ein hohes Risiko.
Nachdem er seine Ausrüstung geschultert hatte, machte der wüstenerfahrene Fyros sich gen Thesos auf. Dort sollte es die Dinge geben, die er für seine Auftraggeber zu besorgen hatte. Als er jedoch die erste der großen Brücken überquerte, welche die tiefen Abgründe von Fyros überspannten bemerkte er, dass auf der gegenüber liegenden Seite keinerlei Tiere zu sehen waren.
- "Das ist ja sehr merkwürdig dachte er bei sich.
Normalerweise wurden viele dieser Brücken von den Kitin scharf bewacht. Vielleicht lag es an diesem seltsamen Knistern in der Luft. Und der Horizont sah auch sehr merkwürdig aus. Solch eine Färbung hatte er noch nie gesehen.
Velvet-Paws Weg führte weiter durch weite, leere Dünen. Nichts regte sich. Weder Tier noch spärliche Pflanze. Die Luft stand. Irgendetwas stimmte nicht. Und nun erkannte er auch, dass es seltsam dunkel gefärbte Wolken waren, die von Süden langsam auf ihn zu schwebten.
Ein paar Stunden strammen Marsches durch die leere Einöde später, erreichte Velvet-Paw zum höchsten Stand der Sonne Thesos. Auch hier waren keine Tiere zu sehen. Und selbst die Einwohner waren ratlos, warum und wohin sie verschwunden waren. Man sprach von einer Strafe der Kami, oder einem heraufziehenden Unwetter. Doch niemand wusste eine wirkliche Antwort.
Nach einem stärkenden Mahl und einem Becher guten Ales in der Taverne von Thesos machte sich Velvet-Paw auf, um weiter im Südosten von Thesos nach Tieren Ausschau zu halten. Er verabschiedete sich noch von den Homin die in der Taverne saßen schulterte seine Ausrüstung und verließ die Stadt, den drohenden Wolken furchtlos entgegen.
"Immer noch keine Tiere zu sehen. - Da kann doch etwas nicht stimmen."
Velvet-Paws Weg würde umsonst gewesen sein, wenn er keine Tiere fände. Er grübelte während seines gesamten Marsches über ihr seltsames Verschwinden.
Tief in den Dünen, weit weg von allem Schutze einer Ansiedlung, zwischen Thesos und den unüberwindlichen Holzwällen die den Süden begrenzten, passierte es. Ein Sandsturm brach über die Wüste herein, wie ihn ganz Fyros noch nicht erlebt hatte.
Velvet-Paw presste sich ein Tuch vor Mund und Nase. Dies hielt zwar den Sand aus den Lungen fern, aber seine Augen waren dem peitschenden Staub ungeschützt ausgeliefert.
Er konnte kaum seine Hand erkennen, wenn er sie anhob um sich den Sand aus dem Gesicht zu wischen. Verzweifelt suchte er nach einem Unterschlupf, doch so tief in der Wüste gab es nichts. Weder Bäume noch Felsen hinter denen ein Fyros Schutz gefunden hätte. Nur den unbarmherzigen Sand, der von allen Seiten auf ihn einpeitschte und ihn orientierungslos vorantrieb. In der bangen Hoffnung, doch vielleicht einen Schlupfwinkel zu finden. Blind stapfte der müde Jäger durch die gelbe Leere, die selbst die Sonne verschluckte. Umtost vom beißenden Wind, der an ihm zerrte und riss. Hinfallend und sich wieder aufrappelnd. Er wollte und würde nicht aufgeben. Er musste einen Unterschlupf finden. Er würde nicht in der Wüste sterben. Sie würde ihn nicht besiegen!
Nach Stunden, oder Tagen des Umherwanderns, der junge Jäger hatte jedes Zeitgefühl verloren, verschwand das mittlerweile schon fast vertraute prasseln des Sandes auf seinem Gesicht von einem Augenblick auf den Nächsten. Doch er hörte noch immer das Toben und Brausen des Sturms hinter sich.
Eine Höhle.
Den Kami sei es Gedankt.
Ein sicherer Platz.
Blinzelnd wagte er einige Schritte vorwärts, da noch immer Sand seine geschwollenen Lieder verklebte. Zu spät bemerkte er den Strudel aus hellem Licht, welcher sich unheimlich vor ihm auftat. Kraftlos taumelte er hinein.
Kapitel 2
-"..ooo"
- "..alllooo?",
- "Hallo?"
- "Ob er tot ist?"
-"Hallo? Bitte! Ihr müsst aufwachen."
Stimmen schwirrten durch Velvet-Paws Kopf. Wer sprach da? Männer und Frauen. Es war die Gemeinsprache, doch mit einem seltsamen Akzent.
Vorsichtig öffnete er die Augen. Das Licht brannte in seinen geschundenen Augen und zusätzlich fühlte er sich so schwach und benommen wie ein neugebornes Capryni.
Als sich seine Sicht ein wenig klärte, erschrak Velvet-Paw fast zu Tode.
Ein Dämon starrte ihn an. Eine hässliche blaue Fratze, mit nach unten gebogenen roten Hörnern auf der Stirn beugte sich über ihn und schrak ein Stück zurück als sie bemerkte, dass er wach war.
Nein. - Kein Dämon. Ein Mann in einer unbekannten Rüstung. Und die Fratze war ein Helm. Ein Helm mit Gesichtsmaske.
- "Keine Angst Freund." erklang eine sanfte weibliche Stimme nahe bei ihm. "Wir wollen Dir nichts tun."
Velvet-Paw schloss beruhigt wieder die noch immer brennenden Augen. Ein kühles Tuch wurde über sie gelegt.
Jemand flößte ihm ein wenig Wasser ein. Hastig wollte er schlucken. Doch der Schlauch wurde von ihm fort genommen.
- "Schhhh. Nicht zu schnell. Ihr seid vollkommen ausgetrocknet. Da ist es nicht gut, zu schnell zu trinken. - Langsam.", beruhigend sprach die Frau erneut.
Wieder benetzte etwas Wasser seine Lippen und er bemühte sich nun etwas vorsichtiger zu trinken. Hatte er selbst doch schon diesen Rat erteilt, als er verdurstende fand.
Es war noch immer sehr heiß. Er lag im Schatten eines Gestells aus Stangen und Stoff, welches anscheinend nur für ihn errichtet worden war.
- "Wer... Wer seid Ihr?" fragte Velvet-Paw die Unbekannte. Seine Stimme brüchig und rau, wie trockene Borke.
Aber sie antwortete nicht sofort sondern gab ihm zunächst vorsichtig mehr Wasser. Dann erklang wieder dieser weiche, fremde Akzent in ihrer Stimme.
- "Sprecht nicht. Es ist besser wenn ihr ein wenig schlaft. Ihr seid noch sehr schwach. Morgen brechen wir nach Yrkanis auf."
Yrkanis? Das war doch die matisianische Hauptstadt. Wieso nach Yrkanis? Sollte er etwa von Fyros in die Grünen Anhöhen gekommen sein?
Diese Gedanken wirbelten noch durch seinen Kopf bevor er vor Erschöpfung erneut einschlief.
Kapitel 3
Metall klapperte an Metall. Holz stieß auf Holz. Die ungewohnten Geräusche weckten Velvet-Paw aus einem tiefen, traumlosen Schlaf der Erschöpfung. Der Sandsturm war fort. Aber, wo war er? Er richtete sich steif auf und warf einen Blick umher. Die meisten Tiere die die er in der Ferne erkennen konnte, hatten Ähnlichkeit mit denen die er aus Fyros kannte. Aber ihre Fellfarben waren anders. Und einige waren ihm völlig fremd. Und so wie die Sonne stand hätte die Felswand nicht in seinem Rücken sein dürfen.
Wo war er. Wer waren die merkwürdig gekleideten Fremden?
Matis. Tatsächlich. - Die grünen Anhöhen. Er erinnerte sich. Es sah so aus als würden die Leute das Lager abbrechen. Alles wurde gewissenhaft zum Transport verstaut.
Mitten aus dem ungewohnten Tun um ihn herum, kam eine Frau auf ihn zu.
Ihre strahlend grünen Augen lächelten ihn an als sie ihm eine Schale mit einer dampfenden Brühe überreichte.
- "Hier, iss das. Du musst zu Kräften kommen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns."
- "Vielen Dank." antwortete Velvet-Paw und begann, vom Hunger getrieben, hastig die heiße Suppe herunter zu schlingen. Den kurzen Schmerz ignorierend.
Aber, jetzt erkannte er ihre Stimme. Sie hatte ihm Wasser gegeben. Und er sah sie endlich vor sich. Ihr schmalen, feinen Gesichtszüge und das lange, streng nach hinten gebundene, sonnenfarbene Haar. Viel heller als das flammengelb einer Fyros. Und ihre Augen...
Die Frau setzte sich neben ihn und schaute erstaunt zu, wie er die dampfende Brühe fast in einem Zug herunterkippte.
- "Wie ist Dein Name?" fragte sie neugierig.
- "Velvet
.Paw" antwortete Velvet-Paw mit vollem Mund.
- "Du musst sehr hungrig sein Velvet-Paw" bemerkte sie mit einem Lächeln.
- "Ja. Danke. Ich weiß zwar nicht wie lange es her ist, seit ich in diesen Sandsturm geriet, aber meinem Magen nach zu urteilen müssen es Wochen sein."
- "Ein Sandsturm?" Fragte die Matis ungläubig. "Hier hat es seit Monaten keinen Sandsturm mehr gegeben. Schon gar nicht in den letzten 6 Wochen. - Solange sind wir nämlich schon hier. Wir sind Prospektoren und haben hier wertvolles Material ausgegraben, welches wir auf dem Markt von Yrkanis verkaufen wollen."
- "Aber solange kann ich doch hier nicht herumgelegen haben" Er starrte sie ungläubig an.
- "Nachdem ich aus Thesos aufbrach, geriet ich in diesen fürchterlichen Sandsturm. Und das letzte an
das ich mich erinnern kann sind diese Lichtblitze."
- "Dann hast Du bestimmt unabsichtlich eines der Portale zwischen den Ländern benutzt", dachte die junge Matis laut.
- "Das Portal befindet sich dort hinter dem Felsen." Sie deutete auf eine nicht weit entfernte Spalte im Holz der Klippe.
- "Aber aus irgendeinem Grund ist es seit zwei Tagen nicht mehr aktiv. Es schloss sich anscheinend irgendwann nach Deiner Ankunft. Vielleicht hat es etwas mit dem Sandsturm zu tun von dem Du geredet hast. Einer unserer Männer hat Dich dort durch Zufall entdeckt. Zum Glück denn sonst wärst Du in der Hitze verdurstet."
Sie schaute ihm ins Gesicht und lächelte. Sie war froh, dass der junge Fyros gerettet worden war.
- "Vielen Dank das Ihr mich gerettet habt aber ich muss zurück." Ihre Augen. Er konnte sich kaum davon losreißen.
- "Du wirst mit uns mitkommen müssen. Alleine lassen wir Dich hier nicht zurück. Auch für einen erfahrenen Jäger wie Du einer zu sein scheinst ist es hier viel zu gefährlich." Sie deutete auf die Trophäen welche an Velvet-Paws Jagdkleidung hingen.
- "Aber ich muss zurück zu meinem Volk!"
- "Daraus wird nichts. Bis das Tor wieder funktioniert wirst Du mit uns mitkommen." Sie lächelte ihn strahlend an. "Na komm schon Velvet-Paw, wir beißen nicht."
Oh, diese Augen. Grün wie das brennende Sap aus den Quellen unter Pyr. Irgendwie wollte Velvet-Paw gar nicht mehr so eilig zurück nach Fyros. Er stand auf und bemühte sich nach Kräften den Matis bei ihren Reisevorbereitungen zu helfen.
Kapitel 4
Die kleine Gruppe von sechzehn Matis und einem Fyros machte sich nun auf gen Süden. Nach Yrkanis.
Man hielt sich während der Reise nah an den Wänden aus hartem, von Wind und sang glatt geschliffenem Holz, welche diesen Teil der Wüste einrahmten. Man sagte ihm, dies sei der gefährlichste Teil ihrer Reise. Und mittels dieser Taktik, konnte man sich den Rücken frei halten gegen eventuell angreifende Tiere, oder Kitin, die sich hier ebenfalls herumtrieben. Ab und an wagte es ein Raubtier die Gruppe anzugreifen, als sie sein Revier durchquerten. Aber die fähigen Krieger konnten die aggressiven Vierbeiner schnell besiegen. Schwieriger erwiesen sich die Kitin, die hinter einigen Biegungen und Dünen lauerten. Verborgen durch Holz und Sand schnellten sie hervor und versuchten ein Opfer zu finden, das sie mit sich reißen konnten. Aber auch hier erwiesen sich die erfahrenen Ernter als ebenso gute Krieger und brachten die Monstren schließlich zu Fall.
Es ging schleppend vorwärts. Doch schließlich kam man erschöpft, dafür aber lebendig am Rand des großen Waldes an.
Von hier aus war es noch ein weiter Weg. Und da diese Handelsstrecke ein beliebtes Ziel von diversen Banditen war, entschied man sich die Nacht durchzureisen um sich in ihrem Schutze an den lauernden Unholden vorbei zu schleichen.
Der Obmann gab kurz nach Sonnenuntergang das Signal zum Aufbruch und die Kolonne setzte sich langsam und vorsichtig in Bewegung. Niemand wagte es eine Fackel zu entzünden, da die Räuber sicher in der Überzahl waren und man sich ihnen natürlich nicht verraten wollte. Langsam und vorsichtig schlich man durch das Unterholz. Die Männer hatten entschieden die Hauptstraße zu meiden, da dort vermutlich die Späher der Banditen nach ihnen Ausschau hielten. Der Mond schien fahl und unheimlich auf die kleine Gruppe herab, sein Licht filterte durch das Blätterdach und erweckte die Schatten zu huschendem Leben.
Um sie herum waren nur die Geräusche der Nacht und das Knarren der Ledergurte ihrer Packtiere. Selbst die Mektoubs waren ungewöhnlich still. Als wüssten sie unter welcher Spannung ihre Führer standen. Mit einem Male brach Feuerschein durch die Bäume.
Alle erstarrten. Sie waren in ihrer Absicht die Banditen zu umgehen, fast direkt in ihr Lager gestolpert. Vorsichtig, zog man sich zurück.
- "Obacht! Es wird bestimmt Wachen geben." raunte einer der Männer.
Aber es war schon zu spät.
Einer der Banditen hatte tatsächlich hier Wache gehalten und sich von hinten an die Gruppe geschlichen.
Er tauchte mit einem Male aus der Dunkelheit auf und hielt Occhi Verdi, das war die grünäugige Schönheit, ein langes Messer an die Kehle.
- "Halt!" zischte er. "Legt Eure Waffen nieder oder sie stirbt!" er holte tief Luft um seine Kameraden zu rufen, doch brach er nur gurgelnd zusammen.
Ein großer Fyros Jagddolch steckte in seiner Brust. Velvet-Paw hatte ihn blitzschnell geschleudert.
In diesem Moment ertönte ein Alarmruf aus dem Dickicht zu ihrer Linken. Ein weiterer Wächter. Im Lager vor ihnen ertönten antwortende Stimmen.
- "Schnell. Zieht weiter zum Turmbrückenweg. Bringt die Waren und unsere Ausrüstung in Sicherheit" rief der Obmann und wählte schnell 8 der Seinen aus.
- "Der Rest bleibt hier und hält Euch den Rücken frei!"
Velvet-Paw blieb mit den restlichen Matis zurück um sich den Banditen zu stellen und die Flucht ihrer Kameraden zu decken. Unter ihnen auch Occhi Verdi die dank Velvet-Paw nur knapp dem Tod entkommen war.
Kapitel 5
Die Banditen waren in der Überzahl. Doch zwei der Prospektoren waren gute Schützen und erledigten mit ihren Gewehren einige der heranstürmenden Banditen.
- "Sie kommen zu nah für die Gewehre" schrie ein Schütze den anderen Zurückbleibenden zu, ließ die Waffe fallen und griff nach seinem Schwert.
- "Dann lasst Sie nur kommen." raunte eine dunkle Stimme, "Ich habe noch einen Izam mit denen zu rupfen". Es war Occhi Verdi, die nun aus ihrem Gepäck einen langen Beidhänder hervorzog und sich kampfbereit in den Knien wiegte.
Velvet-Paw hatte bisher noch nie ein Matis Blatt-Schwert gesehen. Es war so schön wie seine Besitzerin.
Er war überrascht, dass die Matisdame den Schrecken so schnell überwunden hatte und konnte nicht umhin ihren Mut zu bewundern.
Da waren die Banditen auch schon herangekommen! Ein wilder Kampf entbrannte.
Und nun zeigte die junge Frau, dass sie nicht nur mit der Spitzhacke gewandt war, sondern auch mit einem Schwert umzugehen vermochte.
Mit ihrem Zweihänder tötete sie zwei Banditen auf einen Streich und verwundete einen dritten so stark, das dieser schwer verwundet zurück ins Unterholz kroch. Velvet-Paw hatte nur seine Jagddolche, welche er aber auch mit Geschick zu führen wusste. Er hechtete zur Leiche des ersten Banditen und riss seinen Dolch aus dessen Brust. Während ein weiterer Mann brüllend auf ihn zu stürmte. Das Schwert erhoben. Der Fyros wirbelte herum und warf seinen noch immer Blut befleckten Dolch durch die Kehle des Mannes. Den zweiten Dolch rammte er einem vorbeistürmenden Banditen in den Bauch, welcher es auf den Obmann der Gruppe abgesehen hatte.
Dieser kämpfte mit Schild und Schwert gegen einen hühnenhaften Mann, der einen Streitkolben führte. Die Waffe blieb jedoch im Holz des Schildes stecken und es gelang dem obersten Prospektor sein Schwert in einen weiten Bogen gegen die Beine des Angreifers zu führen. Der Mann brach schreiend zusammen und verstummte als die Klinge sein Herz traf.
Von so viel Gegenwehr überrascht traten die restlichen Banditen den Rückzug an und flohen, ihre verletzten Kameraden stützend zurück in ihr Lager.
- "Die hätten wir geschlagen" keuchte einer der Schützen. "Wir sollten machen dass wir weiterkommen. Wer weis ob es nicht noch mehr Banditen in dem Lager gibt."
Hastig wollten sie weiterziehen als er sich plötzlich umdrehte.
- "Wo ist Lazlo Vandi?"
Alle machten sich daran möglicht geräuschlos und vorsichtig die Umgebung des Kampfplatzes abzusuchen. Velvet-Paw fand ihn. Sein Gewehr lag zerbrochen neben dem Matis. Blut rann aus seinem Mund und unter ihm glänzte der Boden feucht von dunkler Flüssigkeit. Sein Gesicht war blass wie der Mond. Sein Atem ging Stoßweise und seine Augenlieder flatterten. Es ging bereits zu Ende.
- "Hilfe kommt." Raunte Velvet-Paw ihm ins Ohr, als er nach der Hand des tödlich verwundeten griff. Doch dieser schien zu wissen wie es um ihn stand.
- "Nein..." stieß er hervor. "Gib - dies meinem... Sohn." Zitternd drückte er etwas in die Hand des Fyros. Velvet-Paw konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken.
- "Ich verspreche es."
Dann schloss er die gebrochenen Augen des Mannes und legte seinen Kopf zurück in das Laub.
- "Wir werden seine Leiche hier liegen lassen müssen." Der Obmann blickte Reihum in die trauernden Gesichter seiner Männer. Und stieß auf Velvet-Paws harte Augen.
- "Das kommt gar nicht in Frage" erwiderte der junge Fyros. Drängte sich an den Anderen vorbei und begann den Toten in seinen Umhang zu wickeln. "Wir haben zwar keine Zeit, ihn hier und jetzt zu begraben, aber als Futter für die Aasfresser werde ich ihn hier nicht liegenlassen. Er ist einen ehrenvollen Tod gestorben und soll auch ein ehrenvolles Begräbnis bekommen!"
Er schulterte ächzend die Leiche und stapfte davon in die Nacht. Die Prospektoren blickten ihm erstaunt und mancher auch bewundernd hinterher.
Kapitel 6
Ein paar Stunden später erreichte der Trupp, ohne weitere Zwischenfälle, das Gebiet Namens Turmbrückenweg. Die hohe Holzformation, die aus dem Boden ragte und in sich verknotet zu sein schien, registrierte Velvet-Paw nur am Rande. Er trug an seiner Last mit Stolz und Trauer. Trotz der frühen Morgenstunde waren noch ein paar andere Ernter dabei, Materialien aus der Erde zu holen, welche nur in der Nacht zur Verfügung standen. Doch sie ließen von ihrer Arbeit ab und liefen den Ankommenden entgegen. Wissbegierig fragend, wie es ihnen ergangen sei. Die Gruppe welche geflüchtet war, hatte bereits von dem Angriff der Banditen erzählt und nun brannte man auf Neuigkeiten. Auf einer kleinen Anhöhe war ein Feuer entzündet worden um das sich die Flüchtenden gescharrt hatten. Velvet-Paw erkannte ihre Männer und stampfte schweren Schrittes auf sie zu. Die Neugierigen um ihn herum nicht beachtend.
- "Was ist los?!" - "Was ist passiert?!" fragten die Wartenden.
- "Wo ist Lazlo?" fragte einer von ihnen.
Daraufhin lies Velvet-Paw das schwere Bündel, welches er die ganze Zeit auf seinen Schultern getragen hatte, wortlos vor dem knisternden Lagerfeuer zu Boden gleiten.
Nun konnten alle das Blut erkennen, welches durch den Stoff gesickert war. Niemand wagte zu sprechen.
Eine der Frauen schluchzte leise. Der erste Schütze nahm sie vorsichtig in den Arm und hielt sie fest. Schließlich begann der Obmann ein Gebet und gemeinsam mit den Umstehenden sprachen die Matis zu den Karavan für den Verstorbenen.
Velvet-Paw hockte sich ans Feuer und streckte die kalten Hände aus. Als das Gebet vorüber war und sich die Menge zerstreute spürte er eine Bewegung neben sich Occhi Verdi setzte sich neben ihn. Legte ihren Kopf an seine Schulter und schlief sofort ein. Velvet-Paw legte ihr noch eine Decke über, die er von einem der Männer gereicht bekam und starrte noch eine Weile in das flackernde warme Feuer bevor auch er einschlief.
Kapitel 7
Das Feuer war mittlerweile heruntergebrannt. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und die Luft war angefüllt mit schaben, klopfen und dem leisen Blubbern der Rohstoffquellen. Der beißende Geruch von Quellengas lag in der Luft. Jemand hatte beim graben nicht aufgepasst.
Velvet-Paw erwachte, streckte sich und schaute sich um. Überall waren Ernter. Die meisten waren Matis aber er konnte auch zwei farbenfrohe Tryker in einiger Entfernung ausmachen die sich gemeinsam über eine leuchtende Quelle beugten. Einer holte das Rohmaterial heraus während der andere sich darum kümmerte, dass kein giftiges Gas austrat, oder die Quelle gar explodierte.
- "Alles noch Anfänger" erklang neben ihm eine sanfte, Stimme.
Es war Occhi Verdi. Welche wohl schon länger wach war und ihm einen Becher mit einer dampfenden schwarzen Flüssigkeit überreichte. Der Fyros schnüffelte und der leicht bittere, angenehme Geruch vertrieb einen Teil seiner Müdigkeit. Psykoplaffeé war ein starkes Getränk aus den Wurzeln der Psykopla hergestellt. Welches die Matis morgens zu trinken pflegten, da es Stoffe enthielt, die den Körper in Schwung brachten, erklärte sie ihm.
- "Ich hoffe Ihr habt gut geschlafen. Wir wollen weiterziehen. Bis Yrkanis ist es nicht mehr weit."
- "Ja sicher. Danke." antwortete Velvet-Paw noch ein wenig verschlafen. Und trank seinen Becher in einem Zug aus. Dann griff er sein Bündel und gesellte sich zu den anderen, welche schon zum Aufbruch bereit standen. Die Leiche von Lazlo hatte man mittlerweile in eine neue Decke gewickelt und auf einen der Packer gebunden. Man machte sich auf den Weg.
- "In zwei Stunden sind wir in Yrkanis" sagte einer aus der Gruppe zu ihm.
Und so war es auch. Knapp zwei Stunden später erreichte die Karawane das aus Ästen zweier reich verzierter Bäume gewobene Eingangstor von Yrkanis.
Von weitem schon konnte man die riesigen, holen Bäume erkennen die als Häuser dienten und es schien reges Treiben auf den Straßen der Stadt zu herrschen.
Händler brachten auf Mektoubs ihre Waren zum Markt, viele Einwohner und fremde Homin liefen geschäftig hin und her und Wachen patrouillierten vor dem Tor und in der Stadt.
Bei den Ställen, die direkt hinter dem großen Tor lagen verrichteten Stalljungen ihre Arbeit. Fütterten und wuschen Mektoubs oder führten die abgeladenen Lastentiere der Händler in die Pferche. Die Stadt war zwar groß, aber nicht zu vergleichen mit Pyr. Dachte Velvet-Paw bei sich. Auch gab es hier viel weniger Homin.
Seine Gedanken wurden durch die Schreie einer Frau jäh unterbrochen.
- "Neeeeiiiinnnn!!!!" Ihre Stimme brach. Und sie rannte gradewegs auf die Prospektoren zu. Velvet-Paw wusste sofort, dass es sich um Lazlos Frau handelte. Nur mit Mühe konnten ein paar Männern sie davon abhalten die Decke von der eingewickelten Leiche zu reißen, um ihren Mann in die Arme zu schließen.
Die Tränen liefen ihr in Bächen über das schmerzverzerrte Gesicht und Occhi Verdi versuchte sie zu trösten. Behutsam nahm sie sie in ihre Arme und strich mit einer Hand über den an ihrer Brust vergrabenen Kopf.
Dann bemerkte Velvet-Paw den Jungen. Er stand zwischen dem Mektoub mit Lazlos Leiche und der weinenden Frau und starrte das Bündel an. Es fiel ihm schwer bei einem schmächtigen Matis Kind, doch schätzte er das Alter des Knaben auf ungefähr 10 Jahre. Langsam bildeten sich Tränen in den großen blauen Augen des Jungen und er drehte sich wortlos zu seiner Mutter um und vergrub das Gesicht in den Falten ihres weiten Rockes. Eine Hand seiner schluchzenden Mutter fand seinen Kopf und strich fahrig darüber. Die Leiche seines Vaters wurde nun endlich vom Mektoub gehoben und von einigen Männern fortgebracht. So das zumindest dieser Anblick den Beiden nun erspart blieb.
Velvet-Paw näherte sich langsam dem Jungen, kniete vor ihm nieder. Der Junge blickte ihn mit tränenüberfluteten Augen an. Vorsichtig wischte der Fyros mit seinem schwieligen Daumen einige Tränen von dessen Wange und holte Lazlos letzen Willen hervor. Es war eine wunderschöne handgefertigte matisianische Halskette, mit in Bernstein eingefassten kleinen Ora-Zähnen. Der Junge erkannte die Kette sofort und starrte darauf, wie auf einen Boten Jenas. Velvet-Paw legte die Kette wortlos in die kleine Hand des Jungen und strich ihm noch einmal durch das nussbraune Haar. Ganz wie das seines Vaters.
Er hatte den Wunsch des sterbenden Mannes erfüllt. Nun stand er auf drehte sich um und ging, der Stadt den Rücken zugewandt, ein paar Meter in den Wald. Dort setzte er sich in das noch taunasse Gras und beobachtete mit ausdruckslosem Gesicht eine Schar Yubos, die ganz in seiner Nähe, ohne Scheu im Gras herumtollte.
Der Junge und seine Mutter wurden von einigen der Prospektoren nach Hause begleitet.
Die Waren wurden zum Markt gebracht und die Ausrüstung im Lagerhaus verstaut. Danach zerstreuten sich die Männer und Frauen und jeder ging wieder seiner eigenen Wege.
Kapitel 8
Velvet-Paw saß noch bis in die späte Nacht hinein am Waldrand. Von weitem war das jaulen eines Gingos zu hören und um in herum summte die Luft leise von Insekten.
Es stand jemand neben ihm. Er schaute zur Seite und erblickte Occhi Verdi, die junge Matisdame mit den wunderschönen grünen Augen, die trotz der kühlen Nachtluft nur ein luftiges, seidiges Gewand trug. Sie sah bezaubernd aus. Wieder fingen ihre Augen ihn ein. So tief und klar. So liebevoll.
- "Komm mit. Du kannst nicht die ganze Nacht hier draußen verbringen."
Sie lächelte und reichte Velvet-Paw eine Hand.
Wortlos ließ er sich von ihr aufhelfen und sie gingen zu ihrer Wohnung. Sie ließen einander in den folgenden Stunden nicht mehr los.
Am nächsten Morgen wachte Velvet-Paw in einem weichen Bett aus flauschigem Bodoc und Yubo Fell auf.
Er blickte sich noch ein wenig verschlafen um. Die Wohnung war geschmackvoll eingerichtet. Überall hingen Blumen und Gewürze an den Wänden, umrahmt von armlangen Schmetterlingsflügeln. Ein paar Felle und gewebte Teppiche lagen auf dem Boden aus weichem Moos und in einer Ecke standen eine komplette glänzende Rüstung und einige Waffen. An einer anderen Wand lehnten eine Hacke und ein Beutel mit ausgegrabenen Materialien.
Durch ein Fenster in der Decke fiel ein heller Sonnenstrahl und sorgte so für genügend Licht in der Wohnung.
Es war eine sehr schöne Nacht gewesen die er mit der jungen Matis Dame verbracht hatte und nun fiel ihm auch auf, dass er immer noch nicht ihren Namen kannte.
- "So was. Da lernt man eine hübsche Dame kennen mit der man den Rest seines Lebens verbringen möchte und vergisst nach dem Namen zu fragen.", Velvet-Paw schüttelte lachend den Kopf.
Er blickte sich um und versuchte die junge Matis zu finden, aber sie schien die Wohnung schon verlassen zu haben.
Der so viel Annehmlichkeit nicht gewohnte Jäger stand auf und fand nach einigem Suchen einen kleinen Nebenraum in dem sich eine große Muschel mit Wasser befand. Er ließ sich das kühle Nass über den Körper gleiten. Als er sich schließlich abtrocknete bemerkte er ein Grummeln in seinem Magen. Zeit fürs Frühstück, dachte er und begann in der Kochecke nach etwas essbarem zu suchen. Er fand jedoch nur ein paar getrocknete Beeren und ein Stück Trockenfleisch. Etwas wenig, aber besser als nichts. Nachdem er sein spärliches Frühstück aufgegessen hatte, begann er seine Sachen zusammenzupacken um ein wenig durch die Stadt zu schlendern.
Kapitel 9
Leben erfüllte die breiten Straßen von Yrkanis. Die Bewohner hasteten von einem Baum zum nächsten und eine große Anzahl Händler versuchten ihre Waren an den Homin zu bringen. Truppen gingen im Stechschritt über die Straßen und am Rande summte eines der geheimnisvollen Raumschiffe der Karavan vor sich hin. Der Kami gläubige Fyros betrachtete es misstrauisch. Er mochte diese hinter Helmen verborgenen Gestalten nicht.
Velvet-Paw schlug den Weg zum Marktplatz ein, um noch etwas zu essen, Vorräte und vielleicht ein schönes Andenken, oder ein Geschenk für seine Angebetete zu erstehen. In den Auslagen der Händler, erblickte er hier ein schönes Schwert, dort einen robusten Helm und auf der anderen Seite Materialien von höchster Qualität, mit denen er selbst etwas Passendes herstellen könnte.
Er ging ein Stück weiter und erblickte etwas abseits ein paar Gelehrte und Trainer, welche ihm bestimmt noch das eine oder andere beibringen konnten.
Velvet-Paw wollte gerade in diese Richtung gehen, als auf einem riesigen überdachten Baumstumpf plötzlich ein Mann mit einer großen Schriftrolle in der Hand auftauchte und mit lauter Stimme die Homin um ihre Aufmerksamkeit bat.
"Matis und Besucher anderer Länder! Höret diese Worte des Rates!!"
Dies wiederholte er noch ein paar Mal, bis sich eine große Gruppe aus Homin vor ihm gebildet hatte.
- "Homin! Soeben erreichte uns eine schreckliche Nachricht aus dem Norden!
Die Kitin sind einmal mehr in unser Land eingefallen!!!"
Erschrecktes Raunen und Murmeln ging durch die Reihen der Zuhörer.
- "Die Wüste und der Bereich um den Eingang zu den Urwurzeln sind komplett von den Bestien überrannt worden!" Er machte eine dramatische Pause um die Bedeutung seiner Worte sicher zu stellen.
- "Es werden nun alle willigen und fähigen Homin dazu aufgerufen sich den Kitin entgegenzustellen bevor sie zu unseren Städten vordringen! Hilfe aus den Seenlanden ist unterwegs! Doch weiß niemand wie lang diese Truppen brauchen werden!!
Die Homin riefen wild durcheinander. Frauen brachten Ihre Kinder nach Hause während einige entschlossene Männer schon nach ihren Waffen griffen.
- "Jede starke Hand wird gebraucht! Die Freiwilligen mögen sich bitte in diese Liste eintragen!!"
Mit diesen Worten deutete er auf einen Schreiber der am Rand des Baumstumpfes hinter einem kleinen Tisch saß. Er würde in einem großen Buch die Namen der Homin notieren, welche tapfer in den Kampf mit den Kitin-Horden zogen.
Er wiederholte nochmals seinen Text für die Homin die erst später dazukamen.
Velvet-Paw war mittlerweile ein Stück zurückgegangen und lehnte sich an einen Zaun.
- "Mein Rückweg ist versperrt." Nachdenklich schaute er auf die lange Schlange der freiwilligen Kämpfer.
Wollte er wirklich zurück nach Fyros? Hier hatte er jemanden gefunden den er liebte. Er wollte bei ihr bleiben, sein Herz war sich sicher. Aber es wusste auch etwas anderes. Was war ihre Liebe wert, wenn die Kitin alles zerstörten?
"Ich kann nicht tatenlos herumsitzen. Ich muss auch etwas tun." Sein Blick festigte sich. Er würde mit den anderen die Kitin zurückschlagen und dann hierher nach Yrkanis ziehen. Mit diesem festen Entschluss im Herzen, stellte Velvet-Paw sich in die Reihe der Freiwilligen und wartete darauf sich in die Liste eintragen zu können.
Noch am gleichen Abend zog die Armee aus Freiwilligen los um die Kitin zurück in die Urwurzeln zu treiben. Krieger, Magier, Fernkämpfer und sogar Prospektoren waren unter ihnen. Nicht nur Männer, auch viele Frauen wollten ihr Land und ihre Familie beschützen.
Kapitel 10
Occhi Verdi war nicht mit dabei. Sie war an diesem Tage schon früh zu einem Ernteplatz aufgebrochen um bei Sonnenaufgang dem Boden ein paar besonders schöne Materialien abzuringen. Sie wollte ein besonders schönes Geschenk für Velvet-Paw herstellen und es ihm am Abend überreichen. Um ihm so zu zeigen das sie gerne mit ihm zusammen in Yrkanis glücklich werden würde.
Nachdem sie genügend Rohstoff ausgegraben hatte, begann sie gleich vor Ort damit, das Material zu verarbeiten. Sie packte ihr Werkzeug aus und begann damit einen kleinen aber wunderschönen Schild zu fertigen. Es bat nicht viel Schutz aber durch die feinen Muster, die polierte Oberfläche und dem großen funkelndem Stein in der Mitte war es ein wertvolles Schmuckstück, welches zu besonderen Anlässen getragen werden konnte. Nur wenige beherrschten die Kunst, solche Schilde zu fertigen. Daher hob es sich gut von der Masse ab.
Ihr Ausflug dauerte bis zum frühen Abend und als sie endlich wieder in Yrkanis angekommen war, brach schon die Nacht herein. Am Tor angekommen bemerkte sie dass irgendetwas nicht stimmte. Es war ungewöhnlich ruhig. Und es waren für diese Zeit nur recht wenige Homin in der Stadt zu sehen. Sie ging mit einem fragenden Blick auf den Stadtempfänger zu, welcher alle Neuankömmlinge am Stadttor zu Begrüßen pflegte und fragte ihn was denn los sei.
- "Es ist etwas schreckliches passiert" antwortete ihr der Offizielle. "Die Kitin sind wieder über unser Land hereingebrochen. Unsere Homin sind vor etwas mehr als zwei Stunden aufgebrochen um die Invasion zu stoppen."
- "Oh nein! Velvet-Paw!" entfuhr es ihr.
Der Stadtempfänger schaute sie mit fragendem Blick an.
- "Sucht ihr Euren Liebsten? Geht zum Schreiber dort. Er wird Euch sagen können ob ein Mann dieses Namens mit der Armee ging."
Die Junge Matis ging sofort zu der angegebenen Stelle. Schon von weitem konnte sie den Schreiber sehen, der immer noch an dem kleinen Tisch saß und einige Einträge in seinem Buch ergänzte.
Bei ihm angekommen, fragte sie erst gar nicht sondern riss dem überraschten Mann das Buch aus den Händen und begann darin zu blättern.
-"Verzeihen Sie junge Dame aber sie können doch nicht einfach... " entrüstete sich der ältere Mann. Aber die schöne Matis achtete nicht auf ihn. Die Namen waren nicht sortiert daher benötigte sie einige Sekunden bis sie den Eintrag fand den sie suchte.
Name: Velvet-Paw Rasse: Fyros Heimatstadt: Pyr
Mehr war nicht aufgelistet.
Sie gab das Buch an den Schreiber zurück und begab sich langsam und voller Sorge zurück zu ihrer Wohnung. Sie konnten nichts machen. Um der Armee hinterher zu reisen war es zu spät.
So blieb ihr nur zu hoffen, dass ihr Liebster, den ihr das Schicksal auf solch ungewöhnliche Weise geschenkt hatte, heil zu ihr zurückkehren würde.
Kapitel 11
Eine Woche war vergangen, seit die Armee aus Freiwilligen in den Kampf gezogen war.
Eine Woche bangen ob die tapferen Krieger wieder zurückkommen würden. Eine Woche voller Ungewissheit.
Die Stadt lag in einem Meer aus Nebel. Zu dieser Morgenstunde herrschte unter normalen Umständen schon reger Betrieb auf Yrkanis Strassen. Doch lag der Nebel wie ein Leichentuch über der Stadt, dämpfte die Geräusche der wenigen Händler die ihre Stände trotz allem aufbauten und schluckte alle Farben die etwas Hoffnung hätten wecken können.
Hoch im Norden der grünen Anhöhen. An der Grenze zwischen Wald und Wüste kämpften Tausende von Homin gegen eine Übermacht von Kitin. Würden sie es schaffen? Wie fiele Tote und Verletzte würde ein eventueller Sieg bringen? Wie viele eine Niederlage?
Der dichte Nebel vermischte Stöhnen und Schreie verwundeter und sterbender Homin sowie ihrer Gegner zu einem grausamen Klagelied. Die hohen, spitzen, kreischenden Laute der Insekten bildeten einen Konterpunkt zum gequälten aufbäumen ihrer weichhäutigen Opfer. Das Schlachtfeld war übersät mit Leichen beider Seiten des Krieges. Überall war der Gesang der Waffen zu hören, die sich in harte Kitinleiber bohrten. Ihr nur langsam ersterbendes Brüllen übertönte fast die Todesschreie der Krieger die von ihren messerscharfen Klauen entzwei gerissen wurden. Gigantische, dunkel schimmernde Kipesta und Kizoar sirrten über Wald und Steppe hin und her. Die riesigen Mischwesen aus Libellen, Wespen und Heuschrecken stießen immer wieder aus dem Nebel hinab. Um entweder einen unglücklichen Homin mit ihrem Stachel zu durchbohren und in den finsteren Himmel zu entführen, oder selbst von den Äxten, Schwertern und Lanzen der Verteidiger zu Boden gerissen zu werden. Kincher-, Kipee- und Kipukasoldaten lauerten im Unterholz, schnellten hervor und zerrten schreiende, verzweifelt zappelnde Homin mit sich zurück in die Dunkelheit.
Der Kampf schien aussichtslos zu sein. Die Massen der Kitin schienen nicht weniger zu werden. Für einen getöteten Kitin erschienen zwei neue.
Gleichwohl die Armee des Seenlandes vor zwei Tagen das Schlachtfeld erreicht hatte und die Tryker sich mit ihren vor Elektrizität knisternden Schwertern mutig in den Kampf stürzten schrumpfte die Armee der Homin Tag für Tag, Stunde um Stunde. War man sich zunächst noch sicher gewesen, die Kitin in die Flucht zu schlagen, so machte sich nun langsam Verzweiflung unter den Kämpfern breit. Es schien eine unaufhaltsame Flut aus gepanzerten, vielbeinigen und geflügelten Leibern zu sein, der sie sich verzweifelt entgegen stemmten. Ein aussichtsloser Kampf in dem scheinbar nur die Kitin den Sieg erringen konnten.
Im ersten Morgengrauen jedoch geschah etwas das den Kampf wenden und den Homin den Sieg bringen sollte.
Einem Trupp von fast hundert Nahkämpfern war ein verzweifelter Vorstoß gelungen und sie hatten eine Schneise in die kaltblütigen Horden geschlagen. Unterstützt von Dreißig Kampfmagiern, konnten sie sich, im großen Bogen und durch natürliche Holzplateaus geschützt, nah an den Anführer der Kitin heranschleichen. Einen riesenhaften Kipuka. Aufrecht stehend, so groß wie zwanzig Homin. Sein Chitinpanzer glänzte Feuerrot und feucht im sich nur langsam lichtenden Nebel. Das Monstrum stand auf einer Anhöhe, von wo aus es das Geschehen aus sicherer Entfernung überschauen und seine Truppen befehligen konnte. Ihn flankierten zwei besonders große und aggressive Kinchern. Welche aufmerksam die Umgebung ihres Befehlshabers beobachteten. Ihre Beißwerkzeuge knirschten bedrohlich und die Scheren an den Enden ihrer vorderen Gliedmaßen zerteilten mit einem unheimlichen Zischen die trübe Luft.
Man war übereingekommen, dass der Rest der beinahe aufgeriebenen Hominarmee auf ein vereinbartes Zeichen hin, die übrigen Kitin von dem Anführer weg locken sollten. Bis da hin kämpften die Homin verbissen um jeden Zentimeter ihres Landes.
Velvet-Paw gehörte zu dem kleinen Stoßtrupp, welcher sich an den Befehlshaber herangeschlichen hatte.
Ein Kipee hatte den jungen Krieger am dritten Tag der Schlacht einige schwere Verletzungen beigebracht und der Fyros musste, nachdem sich die Heiler um ihn gekümmert hatten, für einen Tag das Krankenlager hüten. In dieser Zeit, zum Nichtstun verdammt, während in wenigen Kilometern Entfernung seine Kameraden starben, hatte er diesen tollkühnen Plan ersonnen. Er drang mit unerschütterlicher Beharrlichkeit zum obersten Heeresführer der Hominarmee vor und unterbreitete ihm sein Vorhaben. Er und seine Generäle waren nicht von einem solchen Selbstmordkommando begeistert und berieten lange, kamen aber schließlich zu der Übereinkunft, das ein solcher Plan wohl bessere Aussichten auf Erfolg hatte, als von den Kitin Stück um Stück aufgerieben zu werden. Kundschafter wurden ausgesandt, den Kitin-Führer zu finden.
Nur zwei von ihnen kehrten zurück und brachten die Position des Monsters.
Heute Morgen nun war es soweit. Die Kämpfer hatten sich im Schutze der Dunkelheit nahe genug an den Anführer herangepirscht. Allen voran der Heeresführer. Dicht gefolgt von Velvet-Paw. Durch seine Erfahrungen als Jäger wusste der Fyros, wie man sich des Nachts am besten an Kitin heranschlich.
Nur mehr seine Leibgarde bewachte den gewaltigen Kipuka. Der Rest seiner Armee kämpfte im etwas entfernten Wald mit den Homin.
- "Gut. Weiter sollten wir jetzt nicht gehen, sonst werden sie uns zu früh bemerken", flüsterte Velvet-Paw.
Der oberste General an seiner Seite nickte.
"In Ordnung. Haltet Euch bereit.", wies er seine Magier an.
Kurz beobachteten sie noch die gewaltigen Monstren, welche vor ihnen aufragten. Der Kipuka voll auf die Schlacht konzentriert. Siegesgewiss und keinen Laut von sich gebend. Die Kincher aufgeregt zischend, um ihn herum staksend, wachsam, doch die gut versteckte Angriffstruppe nicht bemerkend. Der General hob eine Hand. Als sich eine Lücke in der Deckung der beiden Leibwachen auftat, ließ er sie in einer schnellen schneidenden Bewegung sinken und die Magier hinter ihnen entfesselten die Hölle.
Kapitel 12
Magieverstärkende Handschuhe gleißten auf. Und wie eine gewaltige Lanze aus Feuer und Licht schoss die Energie des Zauberspruches, abgefeuert von dreißig in tödlichster Macht bewanderten Magiern auf den riesenhaften Anführer der Kitin Armee los. Der Aufprall dieser gewaltigen magischen Energien lies einen leuchtenden, blutroten Phönix über dem Schlachtfeld aufsteigen. Dies war das Zeichen für die Reste ihrer Armee. Sie schnitten nun den Kitin den Rückzug ab und hinderten die riesigen Insekten daran ihrem Anführer zu Hilfe zu eilen. Der Kampf brandete erneut in all seiner Grausamkeit auf. Beider Seiten fochten nun umso erbitterter für den Sieg. Scharfschützen nahmen die fliegenden Bestien unter Beschuss und drängten auch sie in den vermeintlichen Schutz der Wälder zurück. Wo sie jedoch von wartenden Homin überrascht und niedergemacht wurden.
Der massive Kipuka bäumte sich schreiend unter dem gewaltigen Einschlag der magischen Lanze auf und sofort reagierten seine Leibwächter. Sie wandten sich in die Richtung in der noch immer das schwache nachglühen der Magieverstärker zu sehen war und stürmten darauf los.
Doch kamen ihnen bereits die Homin Krieger entgegen. Allen voran der Heeresführer und Velvet-Paw. Die Einheit versuchte sich auf den angeschlagenen Kipuka zu konzentrieren, aber dessen fürchterliche Wächter rissen sie buchstäblich in Stücke. Ein weiterer Gezielter Schlag war beinahe unmöglich.
Mittlerweile war ein Unwetter aufgezogen, Blitze zuckten und der Regen strömte in Sturzbächen vom Himmel. Es wollte kaum Tag werden. Die Sicht verschlechterte sich noch und im schlammigen Boden verloren die Kämpfer schnell den Halt. Die Homin stemmten sich jedoch Todesmutig und verbissen gegen die Welle aus gepanzerten, vielbeinigen Leibern. Kein Kitin durfte zu ihrem Führer durchbrechen. Äxte, Schwerter und Lanzen fuhren herab, in einem nicht enden wollenden furchtbaren Tanz des Todes.
Endlich fiel der erste Wächter. Ein wenig Hoffnung flammte in den Herzen der Homin auf, doch wurde dieser Funke schnell wieder erstickt. Der zweite mächtige Kincher und der gigantische Kipuka selbst warfen sich mit all ihrer grausamen Kraft in den Kampf.
Es kamen nie genug Krieger in die Nähe des verwundeten Leit-Insekts um einen tödlichen Stoß zu führen. Die Bestie hielt eine blutige Ernte unter den Homin, trotz ihrer großen, schwelenden Wunde auf dem Rücken.
- "Wir müssen den Wächter irgendwie ablenken!" schrie jemand über den Kampfeslärm.
-"Wenn wir den Wächter erledigen, ist der Anführer so gut wie tot!!" schrie ein anderer.
Da löste sich mit einem gewaltigen Kriegsschrei auf den Lippen ein Krieger von der Gruppe. Er trug ein Zweihandschwert der Matis und warf sich dem verbleibenden Kincher entgegen. Wie ein Berserker drosch der Mann auf das widernatürliche Insekt ein. Seine Hiebe ließen dem Gegner kaum Zeit eigene Attacken anzubringen. Getroffen und sich mit aller Kraft verteidigend taumelte das riesige Wesen zurück und gab den Weg zu seinem Herren frei.
- "Das ist der Jäger aus Fyros!!", rief jemand.
Der oberste General erkannte ihre Chance.
- "Er hat den Weg frei gemacht! Vorwärts! -- FÜR MATIS!!!"
Die fast aufgeriebene Einheit stürmte wie ein Mann vor. Erneut blitze magische Energie auf und spiegelte sich in den Blanken Klingen der Krieger. Ein magischer Sturm wurde entfesselt, welcher den, der in den Himmeln tobte an Wildheit überbot. Phantomhafte, grüne Schlangen wanden sich um schwebende Matis und entließen mit einem gefährlichen Rasseln ihr Gift in den Feind. Gleißende Lichtbögen purer Elektrizität schossen aus den zierlichen Körpern der Tryker Magier und verbrannten das Fleisch des grauenhaften Kitin. Hier und da flammten die Lichtsäulen der letzten überlebenden Priester auf, die blau schimmernde Ballen knisternder Energie im weiten Bogen über das Feld warfen, welche zwischen den Kämpfenden zerplatzen und heilende Runen um sie legten. Der Kipuka gab sich jedoch nicht leicht geschlagen und forderte einen Blutigen Tribut von den verzweifelten Homin.
Doch schließlich wankte das Ungetüm. Ein markerschütternder Schrei entrang sich seiner Kehle und die Massen seiner Untertanen zuckten im mit ihm gefühlten Todeskampf. Die Bestie brach zusammen und rührte sich nicht mehr. Ein Jubelschrei sprang über hunderte Lippen. Von diesem Sieg gestärkt kämpfte man weiter gegen die nun verwirrten und wie kopflos umher rennenden Insekten. Und besiegte sie.
Stille kehrte langsam ein über den grünen Anhöhen. Der Regen wusch das Blut von unzähligen Homin-Leichen und Kitin-Kadavern. Die Überlebenden wurden sich der Unwahrscheinlichkeit ihres Sieges erst tatsächlich gewahr, als die Sonne schließlich die Dunklen Wolken verdrängte und das Schlachtfeld in seiner ganzen Grausamkeit vor ihren Augen auftauchte.
Ein wenig Abseits des Schlachtfeldes, einige Meter von dem Hügel auf dem der Kipuka verendete entfernt, lag einer seiner riesigen Leibwächter. Als man ihn fand ragte die Spitze einer giftigen Klinge aus seinem Schädel hervor. Noch immer umklammert von dem der sie geführt hatte. Und der selbst tödlich durchbohrt war, von einer Sichelklaue seines Gegners.
Kapitel 13
Die ersten Strahlen der Sonne tasteten sich langsam über die vom Morgentau benetzten Wiesen als am Horizont von Yrkanis gen Norden, die ersten Gestalten auftauchten, die langsam und schweren Schrittes, der Hauptstadt entgegen trotteten.
Die Überlebenden kehrten nach Hause zurück.
Die frohe Kunde das die Kitin vertrieben wurden, hatte sich längst bis nach Yrkanis ausgebreitet. Und so warteten die Einwohner auf die Rückkehr ihrer tapferen Helden.
Doch zu viele Homins liefen den Heimkehrenden vergeblich entgegen. Verzweifelt auf die Rückkehr eines Mannes, einer Frau oder eines Kindes hoffend. Zu viele blieben auf dem Schlachtfeld zurück. Gestorben um die zurückgebliebenen von der Bedrohung durch die Kitin zu befreien.
Auch Occhi Verdi wartete voller Ungeduld vor dem großen Stadttor von Yrkanis auf die Rückkehr ihres Liebsten.
Sie trug ihr bestes Kleid und in ihrer Hand hielt Sie den kleinen Zeremonienschild, welchen Sie am Tage der Invasion vor über einer Woche gefertigt hatte.
Überall standen wartende Mütter, Kinder, Ehefrauen und Ehemänner vor dem großen Stadttor. Die Kinder hielten Blumen in ihren Händen um die Heimkehrer zu begrüßen.
Viele jubelten den heimkehrenden Helden zu, welche am Horizont zu sehen waren.
Als die siegreiche Gruppe jedoch näher kam verstummten die Jubelrufe. Trauer breitete sich aus. Denn was da zurückkam, war nur ein kleiner Bruchteil dessen, was damals voller Zuversicht in die Schlacht zog. Zudem waren viele Heimkehrer verletzt oder gar verstümmelt. Der blutige Krieg gegen die Kitin hatte wieder einmal seinen grausamen Tribut gefordert.
Viele schlossen einander nur schweigend fest in die Arme.Sie waren zurückgekehrt, doch viele ihrer Freunde und Verwandten hatten für ihr Land ihr Leben geopfert. Andere tanzten und jubelten mit ihren Verwandten aus Freude darüber lebend zurückgekehrt zu sein. Schließlich gewann die Freude über den Sieg Oberhand und man begann in den Straßen zu feiern. Die Schwerverletzten wurden von Heilkundigen in das Lazarett gebracht und leichtere Verletzungen wurden noch an Ort und Stelle behandelt.
Die Gruppen der Heimkehrer und der wartenden wurden immer kleiner.
Immer mehr der tapferen Recken fanden zu ihren Familien. Immer mehr Homin hörten vom Tode ihrer Geliebten und Verwandten. Man ging Heim. Manche um zu trauern und andere um das Leben zu feiern. Einige um Jena zu danken, für die Rettung der Lebenden. Viele um zu beten für die Gefallenen.
Übrig blieben einige wenige, welche die Hoffnung nicht aufgaben. Die jedoch letzt Endlich vergeblich auf die Rückkehr eines geliebten Homin warteten.
Unter ihnen eine junge, schöne Matis, mit Augen so grün wie das brennende Sap unter Pyr.