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Re: Ein Augenblick
Posted: Mon Nov 10, 2008 12:16 pm
by anith21
Dunkelheit. Schwärze. Eliza sah nur in der Ferne einen Lichtschein. Vorsichtig schlich sie darauf zu. Ein Feuer brannte in der Dunkelheit. Um das Feuer waren Homins versammelt. Ihre Gesichter waren verzerrt, entstellt durch unbändigen Hass. Eliza wandte sich angeekelt von der Hässlichkeit der Fratzen ab. Die Fratzen stimmten einen flüsternden Singsang an. Loria, wir holen Loria. Immer wieder. Immer wieder. Die Stimmen klangen entsetzlich schrill und unwirklich.
Plötzlich zeigte eine der Fratzen auf sie. Holt sie! Ihre Stimme zitterte, als sie flüsterte: Jena wird mich beschützen, Jena wird Euch bestrafen! Angsterfüllt wich sie zurück. Wir sind Diener Jenas kleines Mädchen! Nein! Eliza schrie entsetzt auf, als die Fratzen immer näher kamen, mit ihren klauenähnlichen Händen nach ihr fassten. Grelles Licht. Eine donnernde Stimme.
Eliza blinzelte in die Sonne, die durch die Palmwedel schien. Zarah rüttelte an ihrer Schulter. Miss Eli, Miss Eli! Aufwachen. Du schreist ja ganz furchtbar. Die kleine Trykerin weinte fast Miss Eli, sag doch was. Bemüht, die Kleine zu beruhigen, lächelte sie und setzte sich auf. Sie hatte wieder mal in Dyron am See geschlafen. In Yrkanis hatte sie in letzter Zeit keinen guten Schlaf gehabt. Und nun auch hier.
Zarah umarmte sie. Oh Jena sei dank! Ich hab hier wieder einen Brief für Dich Miss Eli. Jemand hat ihn mir in die Hand gedrückt, den kannte ich gar nicht.
Danke meine Kleine. Sie riss den Brief auf und las, was in ihm stand.
Ungläubig starrte sie auf den Text und dachte an den Traum. Jena hat sie bestraft! flüsterte sie kaum hörbar und lächelte still.
Re: Ein Augenblick
Posted: Tue Nov 11, 2008 8:22 pm
by anith21
Nachdem ihr Gesprächspartner die Bar verlassen hatte, blieb Eliza gedankenverloren bei Lydix sitzen.
"Die Pfade der Erleuchtung sind schwer zu erreichen." hatte seine Schülerin ihn zitiert. Sich selbst vertrauen und herauszufinden, wo das Licht für sie leuchtet, das war sein Rat. Die Wahrheit lag bei dem, mit dem sie in Liebe verbunden war.
"Liebe!" Ein großes Wort. Eigentlich klang es einfach. Aber wie oft bediente man sich ungerechtfertigter Weise dieses Wortes. Es gab viele Arten von Liebe. Die Liebe einer Familie, die Liebe von Freunden und natürlich die Liebe, die zwei Homins verband.
Es soll ein wundervolles Gefühl sein, hatte sie gehört. Sie erinnerte sich an die Wärme und Geborgenheit ihrer Familie. Und ... und an den Schmerz.
Liebe war das größte Geschenk und gleichzeitig höchste Gefahr. Jemanden zu lieben bedeutete, ihm eine gewaltige Waffe an die Hand zu geben und sich gleichzeitig ungeschützt vor ihn zu stellen.
Eliza fürchtete diese Verletzbarkeit und gleichzeitig sehnte sie sich danach. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, jemanden zu finden, dem sie so vertraute, dass sie glauben konnte, dass er die Waffe nie verwenden würde.
Das Geräusch von klappernden Flaschen ließ sie erschrocken hochfahren. "Oh, Du willst sicherlich schlafen. Entschuldige." Der Wirt lächelte sie aus dem wettergegerbten Gesicht an. "Wenn es Dir nichts aus macht." Eliza legte die Bezahlung für das Ocyxfeuer auf den Thresen und schlenderte hinaus in die sternenklare Nacht.
Das Gespräch im vergänglichen Garten war zwar interessant gewesen, jedoch nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie war froh, dass Chanchey dabei gewesen war. Ohne ihn wäre sie manchmal hilflos gewesen, da sie nicht auszudrücken vermochte, was sie sagen wollte. Vielleicht war sie auch für den ein oder anderen Satz zu feige. Und vielleicht kommen irgendwann andere Zeiten. Eliza runzelte die Stirn. Ein paar Homins waren der Einladung gefolgt. Immerhin. Ein paar Vertreter der United Homins waren da gewesen - charmant wie immer *sie lächelte ironisch*, Biggy, Cyrillis und Neferath. Neferath. Reden konnte er, aber er sagte nichts. Ach ja. Dieser Fyros noch, der dem Haus Elantar den Krieg erklärte hatte. Wie war noch sein Name? Gadeus? Glatteus? Sie zuckte mit den Schultern. Unwichtig. Er hatte nichts wirklich interessantes zu sagen gehabt.
Re: Ein Augenblick
Posted: Wed Nov 12, 2008 12:18 pm
by anith21
Verwirrt sah sich Eliza um und verdrehte dann die Augen. Sie hatte die falsche Rune benutzt und stand jetzt in Thesos. Naja, wenn sie schon mal da war, konnte sie auch hier zum Händler laufen. Als sie sich der kleinen Oase näherte, hörte sie in der Stille gewaltige Schläge.
"Hmmm. Was ist denn hier los? Wird der Turm abgerissen?" ... neugierig lief sie weiter. Plötzlich sah sie eine Bewegung am Stall. "Ach Du ...! Beim großen Vorax!" ... sie traute ihren Augen nicht. Da stand der Zorai, den wohl jeder auf Atys schon aus hundert Metern Entfernung von anderen unterscheiden konnte. Naja, außer vielleicht von Wey. Sie schlich näher. Da stand tatsächlich Phazer am Stall und benutzte eine Kamikeule, um etwas in die Wand zu schlagen. Seine Rüstung war ganz staubig und irgendwie seltsam abgewetzt. "Pack!" Eliza lachte erleichtert. Sie hatte schon gedacht, sie würde einen Geist sehen. Aber das konnte nur Phazer sein. Der drehte sich plötzlich um und sah in ihre Richtung. Sie erstarrte. "Karapack!" Die Keule landete in seiner geöffneten Hand. "Hallo Phazer! Auch schön Dich zu sehen!" Eliza grinste unsicher. Die Keule landete nochmal in seiner Hand. "Äh ...! Ähm ... tschüss Phazer!" Eliza drehte sich wie in Zeitlupe um, verharrte einen Moment und sprintete dann los. Für ihren Geschmack viel zu langsam.
Re: Ein Augenblick
Posted: Thu Nov 27, 2008 12:16 pm
by anith21
"Schokoladenkuchen!" Zarah`s Augen leuchteten. Still beobachtete Elizabeth, wie viel Freude die Kleine hatte. Die Argonauten kümmerten sich rührend um die kleine Trykerin. Dampfeschön. Zarah hatte sich schon das erste Stück Kuchen in den Mund geschoben. Gerade bekam sie noch von Yuu eine große Milch mit Honig zugeschoben.
Eliza runzelte leicht die Stirn. War es richtig, dass sie sie so oft alleine in Yrkanis ließ oder sie mit nach Pyr und Dyron nahm? Sie hatte zwar bemerkt, dass Antanox scheinbar einen Narren an ihr gefressen hatte, denn die sonst so zurückgezogene Fyros verwöhnte die Kleine, wenn sie meinte, Eliza bekäme es nicht mit. Aber dennoch. Sie war viel zu oft alleine.
Eliza war wochenlang in der Wüste unterwegs gewesen und hatte wie eine Besessene Material besorgt, Munition gebaut und geübt, bis sie Blasen an den Händen hatte. Sie seufzte innerlich, versuchte sich aber vor den Argonauten, die die Weihe eines neuen Mitgliedes feierten, nichts anmerken zu lassen.
Der letzte Kampf um Ginti war eine Katastrophe gewesen, obwohl sie soviel Hoffnung gehabt hatte. Hannah hatte den Angriff sehr früh abgebrochen. Hatten sie dadurch eine Chance vertan? Und dann hatten einige der Kamisten auch noch ihr Reittier getötet. Wie konnte man nur seine Launen an einem wehrlosen Tier auslassen? Verabscheuenswürdig. Aber sie hatte herausbekommen, wem sie dies zu verdanken hatte. Zorais Wachen hatten einmal ihren Respekt genossen. Es war nicht einfach, sich diesen zu verscherzen. Alles eine Frage der Ehre.
Gedankenverloren strich sie Zarah über die Haare. Als diese mit strahlenden Augen und schokoladenverschmiertem Mund zu ihr aufblickte, musste sie unwillkürlich lächeln. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Herzen aus. Familie! Dafür lohnte es sich, weiter zu machen.
Re: Ein Augenblick
Posted: Thu Dec 18, 2008 12:17 pm
by anith21
Eliza sog scharf Luft ein. Die kalte Luft brannte in ihren Lungen. Sie biss die Zähne aufeinander und stieß sich ab. Das Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen. Ein Winter in der Wüste war nicht zu unterschätzen. Gut, dass das Wasser nicht ganz so sehr abkühlte wie die Luft.
Langsam drehte sie im großen See in der Ofloaks Oase ein paar Runden. Über ihr war nur der Sternklare Himmel und in der Ferne hörte sie die Zangen von ein paar Cloppern. Sie entspannte, ließ sich auf dem Rücken einfach treiben.
Momentan war es wieder sehr ruhig auf Atys. Das machte ihr ein wenig Sorgen. Vor ein paar Tagen oder vielleicht schon Wochen gab es nur ein wenig Aufregung aufgrund einer verschwundenen Karawane. Sie selber war zu dem Zeitpunkt im Trainingslager und hatte dadurch nur Erzählungen mitbekommen. Es hieß die Gouverneurin hatte einen wertvollen Bernsteinwürfel fast verloren. Ranger hatten Homins um Hilfe beten und sie hatten mit Mühe und Not den Bernsteinwürfel im Ausweichenden Wald aus der Kitinfestung bergen können.
Achja, das Waisenhaus in Yrkanis brauchte Hilfe. Die Herrscher der drei anderen Länder hatten wohl gespendet und jemand musste helfen die Sachen zu entladen. Wenn sie Zeit hätte, würde sie mithelfen. Und am Tag darauf wäre schon das Segensfest. Eliza lächelte mit geschlossenen Augen.
Es muss auch mal eine Zeit geben, wo man sich solchen Dingen widmet.
Der Außenposten der Guardians of Aeden Aqueous wurde friedlich an die Arise of the Ashes übergeben. Das freute sie. So konnte er besser genutzt werden.
Vorgestern hatten sie alle zusammen eine Jagd veranstaltet. Die Argo Navis, Arise from the Ashes, Kitin Riders, Jasurro vom Haus Elantar und Muetze von den Rising Phoenix. Eine wundervolle Runde und ein einzigartiger Spass. Aber er sollte nicht einzigartig bleiben. Wieder lächelte Elizabeth und bewegte ihre Hände durch das Wasser. Alle waren dafür gewesen, es zu wiederholen. Es war schön zu sehen, wie gut die Zusammenarbeit gewesen war.
Vielleicht ... sie überlegte ... ach ... morgen ist auch noch ein Tag ...! Ein aufmerksamer Zuhörer konnte ein paar Minuten später einen scharfen Atemzug hören und einen leisen Fluch über Kälte, Nadeln und nackte Haut.
Re: Ein Augenblick
Posted: Sat Dec 27, 2008 11:23 am
by anith21
Eliza trieb immer und immer wieder die Hacke in den Boden. Automatisch achtete sie darauf, dass die Quelle dabei stabil blieb. Fast wütend bearbeitete sie den Boden. Immer noch war sie beschämt und wütend auf sich selber, dass sie den Angriff auf ihren Außenposten so spät bemerkt hatte. Aber das passierte, wenn sowohl Antanox als auch sie auf längeren Reisen waren. Dennoch, was für ein Affront, von einer vorgeblichen Karavangilde angegriffen zu werden. Eliza hielt einen Moment inne. Wieder sah sie vor sich, wie der Außenposten sich mit Homins füllte. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Ein stolzes, triumphierendes Lächeln und dennoch voller Wärme. Alle, ausnahmslos alle anderen Karavangilden hatten ihre Unterstützung demonstriert. Alle waren sie dagewesen. Und sogar Freunde, die nicht den Jenagläubigen angehörten, hatten sie unterstützt. Auf all das konnte man stolz sein, unendlich stolz und froh, dass man solche Freunde hatte.
Schade nur, dass das ganze ihr etwas das Segensfest verdorben hatte, da sie so mit der Organisation beschäftigt gewesen war, dass sie geistig nur halb bei der Suche nach der Karawane und dem Trek nach Yrkanis anwesend war. Zu sehr war sie in Sorge gewesen. Sie hatte weder der Geschichte von Ciosso, noch dem glanzvollen Auftritt der Königin die Aufmerksamkeit widmen können, die beides verdiente.
Nur ein Ereignis am Rande hatte sie kurz in die Wirklichkeit holen können. Als sie kurz mit Zeron über den bevorstehenden Kampf sprechen wollte, äußerte sich Purpur, eine junge Matis aus seinem Haus sehr laut über etwas, worüber sie gar nicht nachdenken wollte. Sie hatte nichts darauf zu antworten gewußt, aber ein Gespräch gestern mit Zeron hatte sie nochmals davon überzeugt, dass an der Vermutung der jungen Matis nichts handfestes war. Eliza lachte leise. Sie wurde nicht ganz schlau aus dem blonden Matis. Mal war er frech, dann ernst, dann sehr zurückhaltend und ein anderes Mal wußte sie nicht, wie ernst sie ihn nehmen sollte. Die Zusammenarbeit mit ihm klappte reibungslos, das war die Hauptsache.
Ein Brüllen. Eliza schaute erschrocken von der Quelle auf. Raj! Schon wieder. Seufzend unterbrach sie ihre Arbeit und drückte sich an den Rand der Höhle, wo er sie nicht sehen konnte.
Re: Ein Augenblick
Posted: Tue Dec 30, 2008 10:44 am
by anith21
Eliza seufzte. Sie hatte eine anstrengende sinnlose Diskussion hinter sich. Die Doppelmoral einiger Homins erstaunte sie immer wieder aufs neue. Ein Sieg - so klein er auch sein mochte - war aufgrund der Größe ihrer Fraktion nur mit der Hilfe von Finten möglich. So war es gekommen, dass man Hilfe stellte, als gestern so ein kleiner Sieg möglich war. Fast fassungslos standen alle auf dem Außenposten und einige weinten und freuten sich wie kleine Kinder, so ungewohnt war das Gefühl eines Sieges. Und so wichtig war es, dass sie noch einmal dieses Gefühl spüren konnten. Nur einmal - wenn auch für kurze Zeit. Aber der Zorn der Ma-Duk-Anhänger war mächtig. Elizabeth senkte den Kopf. Sie sahen nicht bis über den Tellerrand. Sobald man in ihr Revier vordrang, reagierten sie wie bissige Hunde, nur ihr Eindringen in unsere Heimat - dafür fielen ihnen jederzeit gute Entschuldigungen ein. Gönnerhaft brüsten sie sich mit Großmut, doch sobald man es wagt, etwas zu tun, was ihnen nicht passt, dann stehen sie parat. Allein der Vorwurf man würde einer Gilde helfen, die kein Ansehen genoss. Eliza lachte bitter. Was erwarteten sie? Es gab nicht mehr viele Karavan. Beissenden Spott erntete die Zerstrittenheit der Fraktion. Und dennoch erwartete man, dass man Homins ausgrenzte? Homins, die fast immer halfen? Nein. Nur weil sie sich wünschten, dass der Zusammenhalt der Karavan noch schlechter werden sollte, deswegen musste man dem nicht in die Hände spielen. Wem mußte sie Ehre beweisen? Den Ma-Duk-Gläubigen oder ihrer eigenen Fraktion?
"Ich bin Karavan. Wir sind Karavan."
Re: Ein Augenblick
Posted: Sun Jan 04, 2009 12:21 pm
by anith21
Elizabeth ging über den Markt von Pyr, um ein paar Sachen einzukaufen. Die Kapuze ihres Umhanges hatte sie tief ins Gesicht gezogen. Sie wollte jeglicher Konfrontation aus dem Wege gehen, jedoch das was sie hörte, ließ sie ein ums andere Mal den Kopf schütteln und mehrmals musste sie an sich halten, um nicht direkt etwas dazu zu sagen. Aber Scharmützel vor dem eigentlichen Kampf machten nicht viel Sinn, daher hielt sie sich zurück.
In letzter Zeit fragte sie sich, ob einige der Kamisten mit Blindheit geschlagen waren oder keinen Spiegel zur Verfügung hatten. Noch hallten die Worte in ihren Ohren, die Karavan würden nur jammern und heulen und bekämen nichts auf die Beine gestellt. Aber was sie hörte, ließ sie an der Integrität einiger Kamisten zweifeln. Immer hatte sie große Stücke auf ihren Feind gehalten. Mit Achtung von vielen gesprochen. Sich Kampfgefährten gewünscht, die ebenso glühten und ehrenvoll handelten, wie einige der Homins, die sie auf der anderen Seite kennen lernen durfte. Doch es schien, als wenn ständiger Sieg und Reichtum auch die wunderbarsten Homins verderben würde.
Sie selber hatte an der Notwendigkeit, die restlichen Außenposten der Karavanier auf besondere Art zu schützen, gezweifelt. Sie dachte, dass auch der Feind einen Kampf von Angesicht zu Angesicht vorzog. Doch sie hörte einige Homins darüber sich beschweren und so fragte sie sich: Warum? Es war also tatsächlich notwendig gewesen, den anderen Außenposten Schutz angedeihen zu lassen. Denn wer sich darüber beschwert, der hatte auch vor, diese anzugreifen. Aber warum? Hatten sie so sehr Angst vor einer Armee, die vielleicht die Hälfte, wenn es gut laufen würde zwei Drittel an Homins, teilweise schlecht ausgebildeten Homins in abgerissenen Rüstungen, stellen konnte? Hatten sie so sehr Angst davor, dass die Karavanier wieder ein Stück ihres Landes zurückgewinnen könnten, so sehr Angst, dass sie unerwartet unehrenhaft handeln wollten? Warum?
Wo war die Frage der Ehre geblieben?
Re: Ein Augenblick
Posted: Mon Jan 05, 2009 4:57 pm
by anith21
Eliza saß auf ihrem Mektoub und sah über Berello hinweg in die untergehende Sonne. Stolz und mit Liebe betrachtete sie das Land was vor ihr lag. In der Ferne sah sie einige Baumwipfel sich sanft im Abendrot bewegen. Eine innere Zufriedenheit erfüllte sie, trotzdem immer noch der Kamibohrer auf Berello stand.
Es war ein ehrenvoller Kampf gewesen. Auf beiden Seiten. Also hatte sie sich doch nicht getäuscht in ihrem Gegner. Urteile mit dem Verstand zu fällen war schwer geworden.
Als die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand wandte sie sich um und ritt in Richtung Wüste. Nach einem kurzen Zögern zügelte sie nochmals ihr Mektoub, wandte sich um und betrachtete ernst Berello, die Cuttler, die um sie herumsprangen, gar nicht bemerkend.
Seltsam, dass gerade Berello zu ihrem Schicksal geworden war.
Ein Augenblick.
Nein, sie selbst war ihr Schicksal. Berello symbolisierte es nur. Sie allein verschuldete Verlust und Gewinn in ihrem Leben. Sie allein traf die Entscheidungen, ob richtig oder falsch. Sie allein hatte - ob bewusst oder nicht - mit hohem Einsatz gespielt und diesen verloren. Aber dies musste nicht bedeuten, dass sie nicht wieder gewinnen konnte. Sie musste nur an sich selber glauben.
Eliza runzelte die Stirn und lächelte, als ihr bewusst wurde, wer ihr genau diesen Satz noch vor nicht allzu langer Zeit gesagt hatte.
Re: Ein Augenblick
Posted: Fri Jan 16, 2009 12:18 am
by anith21
Eliza hätte fast ihre Verabredung verpaßt. Als sie eilig zu ihrer Wohnung lief, wartete Zeron schon auf sie. Abgehetzt zog sie sich um. Seit einer Ewigkeit hatte sie dieses Kleid nicht mehr getragen ... weiss. Aber es war dem Anlass angemessen. Und schon waren sie unterwegs zum Turmbrückenweg, zum Treffen der Barden, auf das sie sich seit langem gefreut hatte.
Sie waren natürlich etwas zu spät, aber sie hatten nur den Anfang von Wasaris Geschichte verpaßt. Diese war, wie alle Geschichten von Wasari wundervoll. Die Zeit verging so schnell, dass sie erstaunt war, als Lylanea sie fragte, ob sie auch etwas zu erzählen hätte. Sie wartete, bis die Homins ruhig waren und fing an an zu erzählen und die Geschichte konnte von ihren Lippen, von ihrem Gesicht und von ihren Händen gelesen werden. Die Geschichte von den Schneegeistern:
"Ich hörte unlängst im Winter eine Geschichte, die mir ein Homin erzählte, der sie von einem Homin wußte, welcher diese von wiederum einem anderen ...
Ein Mektoub trabte langsam den Weg entlang. Auf ihm saß zusammengesunken ein Homin, dick eingepackt, denn es war Winter. Bald würde er den Turmbrückenweg erreicht haben. Es war Nacht, über dem Horizont schien jedoch ein warmes rötliches Licht zu leuchten und der Himmel war voll von dicken Schneewolken. Die Welt war weiss und klar und überall klitzerten die Schneekristalle auf den Ästen der hohen Bäume. Es war still. So still. Als ob man durch Watte reiten würde. Selbst die Hufe des Mektoubs verursachten nur ein sanftes „wusch“ im Schnee.
Plötzlich durchfuhr diese Stille ein schrilles Kreischen. Der Homin auf dem Mektoub schrak zusammen, das Mektoub scheute und er landete unsanft im Schnee. Mitten aus dem Schlaf gerissen sah er sich panisch um, konnte jedoch nichts entdecken. Zu hören war ebenfalls nichts mehr. Das Mektoub hatte ein paar Meter weiter angehalten und holte sich gerade mit seinem Rüssel von einem Baum den Rest des vergangenen Jahres, ein paar übrig gebliebene grüne saftige Slavenimoosspitzen.
Er wollte gerade wieder aufsteigen, als er auf einmal leises Lachen hörte. Durch die Zweige der Bäume sah er Lichter und so ging er langsam vorwärts. Eine Lichtung lag vor ihm, eine Lichtung wie aus einem Traum. Drei Mädchen tanzten auf der Lichtung. Eine war schöner als die andere und die letzte einfach außergewöhnlich schön. Ihre Haut war ebenmäßig und ihre Augen strahlten wie Sterne. In ihren silbernen Haaren waren eingeflochten Blumen aus Eiskristallen und ihr Kleid schien aus reinstem Schnee zu bestehen.
Sandor, so hieß der Homin, ein bekannter Kaufmann aus Yrkanis, konnte seine Augen nicht mehr abwenden. Immer noch ein Stück weiter ging er auf sie zu, bis er ohne es zu merken, mitten auf der Lichtung stand. Ganz verzaubert waren seine Augen von der letzten und er meinte sein Herz auch. Gewohnt alles zu bekommen, was sein Herz begehrte, streckte er die Hand nach dem Mädchen aus und hielt sie fest. Diese sagte nichts, sah ihn nur still und fragend an. „Du wirst meine Frau.“ sagte er nur und war der Meinung, dies wäre genug. Er setzte sie auf sein Mektoub und ritt nun schnurstracks und munter auf Yrkanis zu, begierig darauf, sie seinen Bekannten und Freunden vorzustellen und mit diesem Stern an seiner Seite zu glänzen.
In Yrkanis angekommen ritt er direkt zur Bar, wohlwissend, dass dort um diese späte Zeit noch genügend Homins anwesend waren. Aufgeregt holte er alle Homins heran, um ihnen – wie er ankündigte – seine zukünftige Frau vorzustellen, das schönste, was eines Homins Auge je erblickt hatte. Und so stürmten alle zu seinem Mektoub und wollten das Wunder sehen. Er hatte das Mädchen in seinen Mantel gewickelt und hob sie nun vom Mektoub. Ein Blick aus ruhigen Augen traf ihn und sie flüsterte, so dass nur er es hören konnte: „Liebe, Liebe kann man nicht stehlen, nicht kaufen und nicht fordern. Sie ist nur da.“ Ehe er sich versah, hob sich vor seinen Augen ein schöner weißer Izam in den Nachthimmel, drehte noch einmal eine Runde über den Köpfen der Hominmenge und flog dann in die Nacht hinein. Sandor jedoch starrte nur den leeren Mantel in seiner Hand an.
Wenn Ihr also nachts im Winter Licht erspäht, wo keins sein sollte und Lachen vernehmt, wo nur die Natur laut sein müßte, nehmt Euch in Acht! Die Schneegeister könnten auch Euch den Kopf verdrehen.