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Re: Fragmente
Posted: Mon Aug 14, 2006 4:11 pm
by cushing
Heftig tobte ein Feuer in Salazar. Es verzehrte seine Träume und Hoffnungen von einem friedlichen Matia, und genährt wurde es von unbändiger Wut auf jene, die begonnen hatten, das Land nach einer Phase des Friedens erneut mit Krieg und Zerstörung zu überziehen, den Boden mit Blut zu tränken, den Gestank verbrannten Fleisches über die grünen Wälder und Lichtungen ziehen zu lassen. Blut ist kein guter Dünger. Die Früchte, die auf solchem Boden wachsen, sind bitter und giftig. Haß ist kein guter Dünger, denn die Pflanzen wachsen exzentrisch – niemals gerade in die Höhe, sondern krumm und schief, oder sie kriechen auf dem Boden entlang. Diese Pflanzen blühen niemals. Sie erfreuen keinerlei Auge, sie nähren kein Tier, sie erfüllen keinen Zweck. Doch mit der Zeit graben sich ihre Wurzeln tiefer und tiefer in die einst fruchtbare Scholle, so tief, bis niemand sie mehr entfernen kann; und die Früchte machen jene, die davon essen, so bitter und giftig wie sie selbst es sind, und gekrümmt von niederen Gefühlen schleichen sie so umher, als seien sie die wahren Blüten jener giftigen, hässlichen, bösen Pflanze. Doch mit der Zeit wird der Boden grau und leblos, und dann schlagen die Pflanzen ihre Wurzeln in die Körper und Seelen der Homins und zehren sie auf, bis am Ende nichts mehr von ihnen übrig bleibt. Salazar sah das Bild einer grauen, einer grauenvollen Einöde vor sich; von einem Land, das keinem Homin mehr Heimat bot und das schließlich preisgegeben war den nachrückenden Truppen der Kitins.
Als die Auseinandersetzungen zwischen der „Interessengemeinschaft Matis“ und der „Allianz der Vier“ begonnen hatten, da hatte Salazar für die Allianz und gegen den Krieg Partei ergriffen. Mit Worten hatte er offen gegen viele gefochten, die die Allianz ins Fadenkreuz genommen hatten, und hinter verschlossenen Türen hatte er gesehen, wie die Allianz die Stimme der Vernunft verdorren ließ. Er hatte sich mit dem Hochmut der einen auseinandergesetzt und gleichzeitig unter der Selbstgerechtigkeit der anderen gelitten. Dann hatte die Allianz begonnen, sich selbst zu zerstören – hatte Pyr berannt und eigene Bündnispartner angegriffen, so dass schließlich eine der kamiistischen Gilden die Allianz verließ. Aber andere Gilden rückten nach – zunehmend geschah sogar das hinter einer so hohen Mauer des Schweigens, so dass schließlich niemand mehr wusste, welche Gilden sich der Allianz angeschlossen hatten. Mit der Veränderung der Handlungsweise, die nun die Züge von Wahnsinn – nicht jedoch von dem einstmals postulierten Willen nach Frieden und religiöser Gleichberechtigung - trug, hatte die Allianz Sympathien in der Öffentlichkeit verspielt. Die Verteidiger, auch die getreuesten, verstummten; die Interessengemeinschaft machte hingegen mit einigen zögerlichen diplomatischen Versuchen Boden gut, auch wenn niemand sicher sein konnte, dass diese wirklich ernst gemeint waren. Dann war Sotbo, die einst mit einem diplomatischen Vorgehen in den eigenen Reihen sabotiert worden war, dem Irrsinn verfallen, hatte die Allianz verlassen, die Free Souls ganz alleine angegriffen und verschwand ohne eine Spur zu hinterlassen.
Die Allianz hatte Wooky-Werkstatt eingenommen und damit wieder Fuß in Matia gefasst – ein grundsätzliches Recht, dass Salazar und mutmaßlich viele friedliche Gilden, die längst auf Distanz zur Allianz gegangen waren, ihr zusprach, und als eine kamiistische Gilde sie auf diesem Grund und Boden angriff, da war Salazar darauf vorbereitet, ihnen – wenn es unbedingt sein musste – beizustehen, obwohl ihm Kampf zuwider war. Aber dann hatte die Allianz Berello eingenommen, und es wurde für Salazar offensichtlich, dass es ihr Bestreben war, Matia mit einem Bürgerkrieg zu überziehen, der auf ihrer Seite von den kamiistischen Bündnisgilden gestützt wurde. Als sie Ginti den Krieg erklärten, da zerbrach erneut etwas in Salazar, der seit dem Gemetzel an den Dryaden keinen Schlaf mehr gefunden hatte, und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit betrat er einen Außenposten mit dem festen Willen, seine bescheidenen Fähigkeiten in einem Kampf Homin gegen Homin zur Verfügung zu stellen. Mehr als einmal fiel er, mehr als einmal stand er wieder auf; doch wollte er nicht dulden, dass die Allianz neue schwärende, nässende Wunden in den Leib von Matia schlug, völlig ignorant den Bedürfnissen und Wünschen und Träumen seiner Bewohner gegenüber. Das war es, was er Sorenal sagte, als sie sich nach der für die Interessengemeinschaft verlorenen Schlacht auf dem blutgetränkten Boden von Ginti trafen. Sorenal, der einst das große Symbol eines friedlichen, geeinten Atys gewesen war, und der sich nun der Allianz so bedingungslos verschrieben hatte. Salazar hatte ihn damals bewundert und war umso überraschter gewesen, als er sich bei Zerbrechen der Stimme der Vernunft einer Allianz-Gilde angeschlossen hatte. Der Zorai hatte versucht, Salazar vom Friedenswillen der Allianz zu überzeugen. Nun, sein Land war es nicht, das litt; in Neu-Trykoth beteiligten sich die unterschiedlichen Religionsfraktionen innerhalb der Allianz nicht an den eher halbherzigen, aber strategisch geschickten Kämpfen gegen die eigene Glaubensgruppe, in Zora gab die Allianz schon bald darauf Außenposten widerstandslos preis. In Matia aber gab es keine Skrupel. Salazars Augen waren gerötet von Tränen der wütenden Verzweiflung, als sein Mektoub endlich wieder Yrkanis erreichte. War Sorenal so blind? Längst vertrat die Allianz nur noch die eigenen Interessen, und das wesentliche eigene Interesse schien es zu sein, die IntMatis um jeden – jeden! – Preis in die Knie zu zwingen; und wenn der Preis die Vernichtung Matias, die Vergiftung seines Bodens war.
Der Zorai hatte auch von Bastionen gesprochen, von kriegstauglichen Befestigungen, deren Entwicklung gerade betrieben wurde. Davon hatte Salazar noch nichts gehört. Er studierte die Dokumente, die er bei Verlassen seiner alten Gilde mitgenommen hatte, entdeckte jedoch keinen Hinweis; er bemühte das Archiv des königlichen Herolds und die Bibliothek von Ayronil, jedoch ohne Erfolg. Als er Numar, den Fürsten der Elantar, darauf ansprach, vermittelte ihm dieser den Eindruck, als habe die von Thlindae geführte Bibliothek seines Hauses in dieser Hinsicht etwas zu bieten. Doch die Bibliothek der Elantar betritt nur ein Elantar, hieß es. Salazar hatte gelegentlich daran gedacht, sich wieder einer Gilde oder einem Haus anzuschließen; er schätzte keine Gilde höher als die von Chanchey Breggan, in der er viele Freunde hatte – wie den fürsorglichen Chanchey selbst, Wasari, deren Schmuck er trug, den Zorai Shaolin und den Matis Mioncheng oder den hübschen, ungestümen Thy, und zu gerne hätte er mehr erfahren über den finsteren, einäugigen Yachalis und das Geheimnis seiner zerstörten Maske. Doch fühlte er selbst sich zu sanftem, kampflosem Widerstand, für den die Free Souls standen, nicht fähig, gerade jetzt nicht, wo die Leidenschaften in ihm heftig um Vorherrschaft rangen. Er pflegte freundschaftliche Kontakte zu den Argo Navis und ihrem Ersten Offizier Nuvad, vor allem jedoch zu Lylanea, doch die Bewerbung zum Beitritt in einen religiösen Orden, und sei er auch liberal, stand für Salazar nicht wirklich zur Debatte.
Die Elantar waren ein altes Adelshaus ohne politische Macht, denn der Adel Matias war mit den Philosophen des Landes unter der Regentschaft Jinovitchs weggefegt oder ins Exil getrieben worden – so wie Salazars eigene Familie; er selbst war der letzte aus dem altehrwürdigen Geschlecht der Caradini, geboren in dem Jahr, in dem sein Onkel, gemeinsam mit anderen, wie ein wütendes Fanal gegen die Freiheit des Denkens auf einem Scheiterhaufen brannte. Die Elantar waren dem König verpflichtet, was Salazar gefiel, und den Karavan treu, was er ohne Enthusiasmus, aber mit Interesse zur Kenntnis nahm. Salazar mochte Thlindae, den staubtrockenen, aber liebenswürdigen Bücherwurm, und er respektierte Fürst Numar. Bei weitem nicht jeden politischen Schachzug der Elantar hatte er mit Symphatie oder Zustimmung begleitet, doch das Bedürfnis, Matia zu schützen, teilte Salazar unbesehen. Dem karavanischen Glauben beizutreten – das stand auch hier nicht zur Diskussion. Aber vielleicht würden die Elantar ihn auch so akzeptieren, und vielleicht würde er dann Zugang erhalten zu Wissen, das ihm jetzt noch verschlossen war. Dem König Treue und den Elantar – außerhalb seiner Redaktionsarbeit, für die er innere Unabhängigkeit geboten hielt - Loyalität zu schwören, das erschien ihm nicht als ein Problem. Und so setzte er sich nieder und begann einen Brief, den er an Fürst Belain Numar Elantar richtete …
Re: Fragmente
Posted: Tue Aug 15, 2006 4:40 pm
by yachalis
ooc: Eine Kleinigkeit zu deinem wunderschönen Text ,)
Nuvad ist nicht der Ordensleiter der Argo Navis. Er ist der Erste Offizier und Adjutant von Mentor Vessus Vega, der wiederum Ordensleiter der Argo Navis ist.
Super geschrieben und so mitreissend, dass ich nicht weiter stören will. ,) Weiß ja auch nicht inwiefern hier ingame-kommentare überhaupt gerechtfertigt wären, immerhin wissen biele Charaktere nicht, wie es in Salazar aussieht.
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Re: Fragmente
Posted: Tue Aug 15, 2006 5:42 pm
by cushing
yachalis wrote:ooc: Eine Kleinigkeit zu deinem wunderschönen Text ,)
Nuvad ist nicht der Ordensleiter der Argo Navis. Er ist der Erste Offizier und Adjutant von Mentor Vessus Vega, der wiederum Ordensleiter der Argo Navis ist.
OOC: Behoben. Und: danke.
Re: Fragmente
Posted: Wed Oct 18, 2006 2:08 pm
by cushing
Salazar klopfte sich den Staub aus den Kleidern. Gerade erst war er von einer mehrtägigen Wanderung zurückgekommen, fern von den manchmal ermüdenden, manchmal erfrischenden Umtriebigkeiten der Städte und Dörfer von Matia. Er hatte ein paar Skizzen angefertigt, Zeichnungen von Landschaften, Tieren, Pflanzen; seine Mappe quoll über von mit schwarzer Kohle oder bunter Kreide bedeckten Pergamenten. Er warf sie auf den Tisch in seiner Wohnung, goß sich einen Becher mit rotem Wein aus einer Bernsteinkaraffe voll setzte sich ächzend nieder.
Seit Salazar dem Haus Elantar beigetreten war hatten sich in der Tat die Ereignisse überstürzt. Ein Friedensvertrag war mit der "Allianz der Vier" ausgehandelt worden, der der "Interessengemeinschaft Matis" in Matia annähernd den Status quo zusicherte, der vor der Invasion der beinahe vernichteten und ebenso überraschend wie beeindruckend wiedererstarkten Ally4 geherrscht hatte. Die Ally4 behielt die Festung von Berello und hatte damit einen Außenposten in Matia; ein Zustand, für den Salazar schon früher eingetreten war.
Der Frieden zwischen den sich einstmals so erbittert gegenüberstehenden Bündnissen schien ein Gutteil von Atys jedoch in ernsthafte Sinnkrisen und die verzweifelte Suche nach und Neudefinition von Feindbildern zu stürzen. Die Raben des Margus hatten die IntMatis verlassen, gleichfalls die KitinFighters, die daraufhin sofort in den CoMa aufgingen. Die IntMatis unterstützte die Ally4 bei militärischen Interventionen gegen Außenposten der kamiistischen United Homins und Verwesenden Cutes in Neu-Trykoth, welche beide von den CoMa mitverteidigt wurden. Die Sicherung dieser Handelsstationen bewirkten ihrerseits die Rückführung von Ginti und Wooky in den Besitz der IntMatis. Die United Homins eroberten ihrerseits Zo-Kian in Zorai von der Allianzgilde Keepers Of Infernal Waters, reichten ihn jedoch weiter an die Burning Tears, welche ihrerseits inzwischen erfolglos wechselweise von den Söldnern der Black Seeds und von der Ally4 - die zwischenzeitlich auch Zorais Wachen um ihren Außenposten in Zorai erleichtert hatten - berannt wurden. Die United Homins ihrerseits attackierten mit beträchtlicher Ausdauer den in Loria von ihnen verlorenen Handelsposten.
So weit war Salazar Willens, den „Sinn“ der einzelnen Aktionen nachzuvollziehen. In Zorai und Fyros war jedoch zwischenzeitlich ein erbitterter Verteilungskampf zwischen kamiistischen Gilden ausgebrochen. Haus Kurita und die Meister der Kamigawa hatten die Roten Teufel angegriffen, vorgeblich in dem Versuch, die Ressourcen des fast vollständig von Fyros besetzten Zorai wieder in die Hände des eigenen Volkes zu bringen. Undurchsichtig wurde zunehmend die Rolle der CoMa, die man auf zahlreichen Schlachtfeldern und in allen Ländern für Kamiisten kämpfen sah; so griffen sie unter dem Banner von Zorais Wachen Wooky in Matia an, nachdem große Teile der IntMatis, die zur Verteidigung ihrer Heimat lange Zeit vergeblich auf Angreifer gewartet hatten, bereits verschwunden waren. Die kleine Gruppe derjenigen, die dort verblieben waren, hatten diesem Ansturm nichts entgegenzusetzen. Jedoch war der Außenposten zu diesem Zeitpunkt bereits gesichert. Dann hatten sie erstmals eine Gilde der IntMatis, die sich den CoMa gegenüber trotz diverser Begegnungen auf Schlachtfeldern und trotz des Vorfalls auf Wooky weitgehend neutral verhalten hatte, direkt angegriffen und sich damit in einen rechtsfreien Raum gestellt. Salazar seufzte. Waren die CoMa wirklich so blind vor Haß? Und was ritt Zorais Wachen, die auf einem – vor ihm auf dem Tisch liegenden – Dokument behaupteten, die IntMatis hätte konzertiert mit der Ally4 in Zorai angegriffen – just zu der Zeit, als Salazar mit dem Bündnis auf Wooky stand und auf den Angriff der Gilde Mao Fu-Rans wartete? Und wie kam Mao Fu-Ran zu der eigenwilligen Behauptung, die IntMatis habe gemeinsam mit der Ally4 die Raben des Margus in Matia angegriffen? Salazar seufzte erneut und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bernsteinkelch. Fast sehnte er sich eine Zeit herbei, in der die Kitin erneut Atys bedrohten, denn nur dann waren die Homins fast immer geeint gegen einen gemeinsamen Feind vorgegangen; wenngleich ihm aufgefallen war, dass bei der kürzlichen Verteidigung des Lagers im Wald von Rosidera womöglich weniger Homins angetreten waren als bei einem beliebigen Gefecht um einen Außenposten irgendwo auf Atys.
Salazar lehnte sich zurück, ein wenig steif, verkrampft, und starrte auf eine Verzierung an der Wand seiner Wohnung. Eine Wohnung … erstmals hatte er solchen Besitz, seit der Zeit, als seine Familie aus der Heimat vertrieben worden war. Er gehörte einem Haus an, in dem er sich nicht fehl am Platze fühlte, und er hatte endlich ein wirkliches Zuhause in dem Land, das er mehr liebte als alles andere. Und doch fühlte er manchmal eine Leere in sich, die ihn zu erdrücken drohte. Und er beugte sich vor, stellte den Kelch ab, griff nach der Feder und begann, ein Pergament mit seiner feinen, schwungvollen Handschrift zu bedecken.
Re: Fragmente
Posted: Sun Jan 07, 2007 12:06 am
by cushing
Unter der fiebrigen Röte erbleichten Salazars Züge, als der junge Laufbursche ihm das Protokoll der Versammlung vorlas, und als ihm
Utrans Aushang nahegebracht wurde, da versuchte er reflexhaft, einen Fluch zwischen den zusammengepreßten Lippen hervorzustoßen. Heraus kam lediglich ein Laut, der an ein Stöhnen gemahnte. Seine Zunge, seine Muskeln, sie reagierten noch immer nicht so, wie er wollte. So lag er weiter reglos auf seiner Bettstatt, von der rätselhaften Krankheit daran gefesselt, und niemand konnte erkennen, wie aufgewühlt er doch in seinem Inneren war.
Muang - lebhaft erinnerte er sich an den Namen und an die Maske, die der Zorai trug. Salazar war der erste gewesen, der auf ihn traf, in dem Moment,
als Muang seinen der Haft entflohenen Mitverschwörer Stachini niederstreckte und mit einem offenbar auf Goo basierenden Gift übergoß, welches dessen Samen vernichtete. Als Muang durch das Portal nach Ichor flüchtete, da hatte Salazar - gefolgt von Ayronil, Utran und Monda - ihn verfolgt, doch der Mörder verschwand auf mirakulöse Weise mit unbekanntem Ziel, ehe sich die Matis' auf ihn zu stürzen vermochten. Salazar hatte nach der Rückkehr nach Yrkanis alle Informationen sowie seine mit dem merkwürdigen Gift besudelten Handschuhe der Wache des Königs übergeben, und was er im
Herold zu drucken erlaubt war, das hatte er auch veröffentlicht.
Doch die Spur schien ins Leere zu führen. Niemand hatte scheinbar seither den mysteriösen Muang gesehen und gehört, und gerade jetzt - jetzt, wo er, Salazar, so schwach war, unfähig, seine Wohnung zu verlassen, unfähig, seine Stimme zu erheben - und wie gerne hätte er seine Stimme in Fairhaven erhoben! - gerade jetzt tauchte der Meuchelmörder, der Entführer und Erpresser, der Drahtzieher im Hintergrunde wieder auf, und nur Utran hatte wenigstens versucht, ihn festzusetzen. Warum hatte niemand die Wachen gerufen? Warum hatte keiner Utran begleitet, versucht, die Senatorin zu schützen und dem Schurken das Handwerk zu legen?
Ein weiteres Ächzen entrang sich Salazars Kehle. Der Heiler fühlte nur kurz seinen Puls, während sein Bursche ihm vorsichtig Schweiß und Tränen der Erregung vom Gesicht wischte, Stirn und Brust trockenrieb und ihn sanft wieder zudeckte. "Sooo - Ihr solltet jetzt schlafen," murmelte der Heiler mit professioneller Verbindlichkeit und völliger Ahnungslosigkeit über das, was Salazars Verstand in diesem Augenblick in Flammen setzte. Er nickte dem Burschen zu und verließ das Appartement. Der Bursche wiederum löschte die meisten Lichter und setzte sich beim Schein einer einzigen Lampe neben das Bett, wo er schnell einschlief. Salazar aber lag noch lange wach, auch wenn kein Finger sich rührte und nur ein leichtes Zucken seiner Augenlider die innere Erregung verrieten.
/ooc edit: Link entfernt, die Seite des
Königlichen Herolds ist jetzt Offline.
Re: Fragmente
Posted: Tue Jan 09, 2007 12:51 pm
by cushing
Vorsichtig erprobte er die Funktion seiner Extremitäten, als Salazar sich nach der langen Krankheit erstmals von seinem Lager erhob. Auf seinen Burschen gestützt, noch immer am ganzen Körper zitternd, durchmaß er vorsichtig, schwankend wie ein Kleinkind oder ein Betrunkener, seine Wohnung. Der Hausmantel, den er trug, umschlotterte seine ohnehin schlanke, durch die Leidenszeit sogar noch abgezehrter wirkende Gestalt. Als er sich schließlich mit einem Seufzer auf den Stuhl an seinem Schreibtisch sinken ließ, breitete sich der fließende Stoff zu seinen Füßen aus wie ein erstarrter Wasserfall, der sanft im Licht der untergehenden Sonne schimmert.
"Kann ich Euch etwas bringen, Herr?" fragte der Bursche, seine Züge von Sorge gezeichnet. "Ihr solltet wirklich noch nicht ..."
Salazar winkte mit einem Lächeln ab. "Bring mir einen Becher Rotwein, vermischt mit Eigelb; das sollte ein Stärkungsmittel sein, das mindestens so gut ist wie die Medizin dieses Quacksalbers. Und danach sieh zu, was Du an Aushängen, Zeitungen, Gerüchten zusammentragen kannst. Ich werde mich derweil um all das kümmern, was sich in der Zwischenzeit hier angesammelt hat ..." Sein Blick streifte den Stapel von Pergamenten auf dem Schreibtisch. Irgendwo darin mußte auch Utrans Aushang sein, und dessen Schilderung und Skizzen Muangs wollte er sich zunächst eingehender widmen.
Beinahe schüchtern verbeugte sich der Bursche, eine leichte Röte auf den Wangen. Er erinnerte Salazar daran, wie er selbst in dessen Alter war. Er blickte dem jungen Matis nach, als dieser - von ernstem Eifer ergriffen - die Wohnung verließ. Erneut umspielte ein leichtes Lächeln Salazars Lippen. Dann wandte er sich endgültig dem Schreibtisch zu und begann mit dem Studium der darauf angesammelten Papiere.
(OOC: Hurra, Computer läuft wieder!
)
Re: Fragmente
Posted: Wed Jan 10, 2007 6:05 am
by jarnar
Direkt neben dem Pergament Utrans mit dem Bericht über die Versammlung in Fairhaven lag eine auffällige Notitz - denn mehr war es nicht - die in einer ungewöhnlich harschen Handschrift verfasst wurde.
Auf dieser Notiz war zu lesen :
"Hallo Salazar,
ich habe von deiner Krankheit gehört und wollte dir gute Besserung wünschen, obwohl du ein Matis bist.
Da ich da von ausgehe, dass du dies nicht lesen wirst bevor du wieder auf den Beinen bist freut es mich, dass es dir besser geht.
Wenn du mal wieder in die Wüste kommst schau' doch mal bei mir rein.
Jarnys"
(freut mich, dass dein Computer wieder OK ist)
Salazars Queste
Posted: Mon May 14, 2007 8:38 am
by cushing
Salazar blickte hinauf zur Statue, die den Gedenkstein an der Tempelanlage Jenas nahe Yrkanis krönte, und er fühlte so etwas wie … Ehrfurcht aufsteigen. Das gleißende Licht, welches die lebensspendende Kraft der Göttin symbolisierte, reflektierte sich in dem wie poliert wirkenden, glänzenden Bernsteingrün seiner Augen. Er hatte schon lange dort gesessen und abwechselnd zum Tempel und zum Himmel hinaufgeblickt, seit vielen Stunden, beinahe einen Tag und eine Nacht lang, hatte in sich hineingehorcht, den Schlag seines Herzens gehört, das Schäumen des Blutes in seinen Venen, hatte sich Fragen gestellt und beantwortet, und jetzt … jetzt wartete er nur noch, und wusste doch selbst nicht so genau, auf was er eigentlich wartete.
Die letzten Monate waren ereignisreiche im Leben des schlanken Matis gewesen, ereignisreicher vielleicht als alle Zeit seit den Tempelkriegen. Das Bündnis, das die Allianz der Vier und die IntMatis geschlossen hatten, bestand zwar nach wie vor, doch war die Macht ihrer Gilden in Stücke zerschlagen worden, als sich nach mehreren Vorfällen in den Kami-Ländern die Kamisten zusammenrauften und die Bündnispartner mit geballter Übermacht von den Schlachtfeldern fegten. Haus Elantar, nicht Willens, einen verfehlten Krieg in den kamistischen Ländern zu führen, hatte das Bündnis zu diesem Zeitpunkt längst verlassen, stellte seine Kraft jedoch – erfolglos - zur Verfügung, als die Kami-Gilden Neu-Trykoth aufrollten und die dort wieder angesiedelten Karavan-Gilden vertrieben. Liberale Gilden der Kamisten fanden sich plötzlich in der Situation wieder, von fanatisierten Anhängern ihres eigenen Glaubens ausgemerzt zu werden, und manche Gilde gerade in Zorai sah sich plötzlich von denen bedroht, mit denen sie noch kurz zuvor gemeinsam in den Heiligtümern meditiert hatten. Sie wurden von ihrem Besitz verjagt, und schließlich sah sich selbst Matia vom Wahn zoraistischer Fanatiker bedroht.
Die enorme Bedrängnis der Karavanier und auch der liberalen Kamisten blieb nicht ohne Folgen. Bekannte Kami-Anhänger wie der ehrenwerte Bewahrer der Schriften und einstige Hochoffizier der Pyr’schen Silberdrachen, Ayronil, siedelten in die gefährdeten Matis-Enklaven um, weil sie sich in den kamiistischen Ländern zunehmend unwohl fühlten. Feingeister wie der Zorai-Barde Fyl fühlten sich in der eigenen Heimat nicht mehr wohl. Karavaneer, die die Vernichtung der Kamisten in deren Ländern gefordert hatten, liefen plötzlich mit fliegenden Fahnen zu diesen über, wechselten den Glauben, wandten sich gegen ihre einstigen Freunde und Verbündeten. Die Raben des Margus, die sich offen auf die Seite der Anhänger Ma-Duks gestellt hatten, zerbröckelten in eine neue karavanistisch ausgerichtete Gruppierung namens Liberi Margus einerseits und verloren Mitglieder an die kamistischen United Homins andererseits. Die geschrumpften Reste der CoMa, noch immer unter Mikiras Führung, schlugen ihr Lager ab und zogen weiter, fernen Welten entgegen. Die Mitglieder des friedliebenden Ordens der Argo Navis griffen zum Schwert und betraten mit den anderen Karavaniern das Schlachtfeld, um Matia zu schützen und Neu-Trykoth zu befreien, und zwischendurch sprachen sie Messen in beiden Ländern, um den Kampfgeist der teilweise zerstrittenen Jena-Gläubigen wachzurufen und sie über ihre internen Differenzen hinweg zu Einen.
Für Salazar war diese Zeit auch bewegt, weil er es nicht gewohnt war, so häufig auf Kriegsschauplätzen zu stehen und zu kämpfen. Er fand wenig Geschmack daran. Der Krieg war nicht das Handwerk, das er – anders als manch anderer Homin – präferierte. Krieg war destruktiv, er zerstörte Leben und Land, Unabhängigkeit und Moral. Krieg führt fast unweigerlich dazu, die schlechten Eigenschaften, die in jedem Homin ruhen, freizulegen, die Bestie laufen zu lassen. Statt Maß zu halten sich der Maßlosigkeit hinzugeben. Die wirtschaftsstarken, militärisch hochgezüchteten und -gerüsteten und zahlenmäßig überlegenen Kamisten schlugen die Karavaneer jedes Mal und konnten erst in Matia gebremst werden, in das einige Kami-Gilden, von Gier und dem Übermut des beständigen Siegers getrieben, einzudringen suchten. Die Versuche der Karavanier, Twintowers und Loria zurückzugewinnen, schlugen fehl und brachten deren Kampfmoral auf einen gefährlich niedrigen Stand. Beinahe wünschte sich Salazar, Muang hätte Recht behalten; der teuflische Zorai, der an der Entführung des Prinzen Stevano beteiligt gewesen war, hatte Salazar erklärt, dass nur im Krieg Fortschritt zu finden sei und Krieg deshalb die beste Methode wäre, die Hominheit zivilisatorisch voranzubringen. Aber Muangs Samen war verdorrt, und Salazar hatte nie herausgefunden, welcher Mechanismus ihn hatte Ticken lassen, was ihn zu dieser Überzeugung gebracht hatte. Aber der wirkliche Fortschritt blieb aus, auch wenn die streitbaren Stimmen unter den Karavaniern leiser wurden.
Hinzu kam der Mikrokosmos des Persönlichen, der Salazar von einem Wechselbad der Gefühle in das nächste stieß. Er war energisch für die Belange des Hauses Elantar eingetreten, und letztlich hatte Principe Numar ihn zum Bibliotecario berufen und ihm eine beratende Funktion des Elantrais zugeteilt, eine durchaus ehrenvolle Funktion, zumal für einen schlichten Cavaliere. Salazar war stolz, derart gewürdigt zu werden, doch gleichzeitig verwirrten ihn die Dinge, die Vessus Vega, der Ordensmeister der Argonauten, zu ihm gesagt hatte. In der Nacht, in der Vessus mit Thy Varan und ihm sprach, da hatte Vessus tief in sein Herz gesehen, hatte Dinge erblickt, die wie wütende Gingos an seinem Innersten rissen. Er hatte das Sehnen in Salazar gesehen, die Düsternis und die Leere, und Salazar war erschaudert, weil er in Vessus’ Augen erkannte, was dieser erblickt hatte. Er war sich enblößt vorgekommen, ausgeliefert – und gleichzeitig befreit, seine innere Last auch auf die Schultern eines anderen verteilen zu können, der lächelte und ihn nicht schalt. Woher kam das warme Licht in Vessus Augen? Warum schrumpften in seiner Gegenwart all die Argumente, die Salazar zu jener Zeit, in der er vom Glauben an Jena und ihre Lehren abgefallen war, in seinem Verstand sorgfältig sortiert und handlich zurechtgelegt hatte, zu einem bedeutungslosen Nichts? Er wandte den Blick des Nachts hinauf zum Himmel, zu den Sternen, und hinauf zur Sonne, wenn der Tag angebrochen war, ganz so, als würde er lauschen, sich ein Raunen der Göttin erhoffen. Hieß es nicht, dass Jena zu Vessus sprach? Warum redete sie nicht mit ihm? Warum ließ sie ihn alleine in einer Welt, die er doch so gerne verstehen wollte und nicht konnte?
Thy Varan war ärgerlich geworden, als er – beinahe gewohnheitsmäßig – seine beständigen Zweifel an göttlicher Güte und Allmacht geäußert hatte. Thy. Thy mit seinen leuchtenden Augen, den widerspenstigen Haaren, der Spontaneität, Leichtigkeit und Leidenschaft eines Trykers und der gefährlichen, schnellen, kämpferischen Verbissenheit eines Torbaks. Thy war zu den Argonauten gegangen, nicht zum Haus Elantar; seither schien er geradezu voller Wunder zu sein, mitunter eine Weisheit und Sicherheit zu verströmen, die Salazar sprachlos machte. Salazar konnte sich das nicht erklären. Er konnte sich die innere Ruhe nicht erklären, das Strahlen in Thys Augen, wenn er von Jena sprach.
Manches Gespräch hatte Salazar seither gesucht, im Hause Elantar, mit den Argonauten, bei Freunden und auch anderswo, weil die große Welt doch nicht von seiner kleinen lassen wollte. Er hatte mit den Desillusionierten gesprochen und den Hoffnungsvollen, mit Träumern und Pragmatikern und Fatalisten, mit haßerfüllten Fanatikern und politischen Taktierern. Er wandte sich öffentlich an sie, schrieb sie an, traf sie beinahe konspirativ. Manch einer, mit dem er gerne gesprochen hätte, war schon lange nicht mehr an der Oberfläche von Atys gesehen worden. Nadje – so trotzig, frech und naiv, und die Homina, mit der er am längsten befreundet war, länger als mit jedem anderen lebenden Bewohner dieser Welt - war gegen Jenas Geheiß in die Urwurzeln gegangen, hatte ihr Heil nicht bei den Göttern, sondern beim Drachen gesucht, der im Innersten der Welt schläft und träumt, und dort war sie verschwunden. Ihre letzten Zeilen, fleckig von den heißen Tränen, die Salazar über ihnen vergossen hatte, lagen noch immer auf seinem Schreibtisch.
Manches schien ihm erschreckend ähnlich zu einst, zu den Zeiten der Tempelkriege. Als Thy und er, nach einer Anfrage durch den von Salazar hochgeschätzten und verehrten Chanchey Breggan, einer großen Gruppe von Kamisten geholfen hatten, die gefürchtete Aen aus ihrem Loch zu treiben und in allen ihren Inkarnationen zu töten, da waren sie anschließend beleidigt und gefordert worden, und ihre Verdienste bei diesem Kampf – bei dem Thy mitunter ganz allein Aens Zorn auf sich hielt und so den Elementalisten die Möglichkeit zum sicheren Einsatz bot – hatte man auf demütigende Weise herabgewürdigt. Einer der großen Anführer der Kami-Anhänger, über welchen auf deren Seite immer mit Ehrfurcht und Respekt gesprochen wird, hatte sich nach Salazars Empfinden an diesem Ort als ein Scheinriese herausgestellt, weil Größe sich nach seinem Empfinden nicht von Macht, sondern Charakter herleitet. Salazar war versucht, sich in jenem Moment wie gefordert zu Jena zu bekennen und niederstrecken zu lassen, als unbewaffneter Heiler die Demütigung auf eine Art zurückzugeben, die für grobes Denken vielleicht zu subtil war. Aber er wusste, dass dann Thy wütend zu seinen geliebten Messern gegriffen hätte, freilich völlig chancenlos gegen diese Übermacht. Also hatte er die Lippen zusammengepresst, dünn gelächelt und war fortgegangen. Seither hatte es auch keine Gespräche mehr zwischen ihm und den fanatisierten Anhängern Ma-Duks gegeben; wenn er ihnen begegnet war, dann auf dem Schlachtfeld.
(Fortsetzung unten)
Salazars Queste: Der Kampf um Twintops
Posted: Tue May 15, 2007 8:44 pm
by cushing
Dann kam der Kampf um Twintops, den Außenposten in den Bounty Beaches, den die Kami der Seen den Karavaneer abgerungen und den sie seither besetzt gehalten hatten. Ihre Gier hatte diese Gilde noch weiter getrieben, bis nach Matia hinein, wo sie zurückgeschlagen worden war. Unter anderem Werebor und seine Faust Jenas hatten sie seither erfolglos berannt; nun hatten die Arise from the Ashes den Kamisten den Krieg erklärt. Salazar versuchte, den Namen dieser Gilde als gutes Omen zu sehen. Zu oft schon hatten die Karavaneer gegen eine scheinbar unerschöpfliche Übermacht der Kamisten gestanden, zu oft hatten sie mit tränenverkrusteten Augen enttäuscht das Schlachtfeld räumen müssen. Der Schleier zwischen Hoffnung und Verzweiflung war dünn geworden, beinahe durchsichtig. Salazar zitterte vor Anspannung, als er die Düne nahe des Außenpostens erklomm und von dort hinabblickte in die Ebene, in der Twintops lag. Die Luft über den Bounty Beaches schien vor Erregung zu flirren und zu flimmern, als sei knisternde Elektrizität freigesetzt worden, und als habe große Hitze die Welt in ein undifferenziertes Spektrum schwimmender Farben verwandelt. Er blickte in die Gesichter derjenigen, mit denen er gekommen war, und zu jenen, die schon auf sie gewartet hatten. Verbissene, ernste Gesichter. Abelio starrte hinunter in die Ebene, die Augen zu Schlitzen verengt. Principe Numar, die Reihen der Elantar hinter sich, spielte Gelassenheit, doch der Schweiß, der auf seinen Schläfen perlte, die Starrheit seines Blickes strafte die Pose Lügen. Salazar sah auch Nuvad, das Gesicht zur Sonne gewandt, mit einem Gebet die Gnade und Hilfe Jenas anrufend. Thy konnte er nirgends erblicken. Lady Sorum kam mit ihren Getreuen die Düne aus Richtung des Teleporters herauf, die Miene eine Maske frostigen Stolzes.
Salazar schirmte seine Augen vor der Sonne ab, die nun hoch am Himmel stand, und blickte zum Außenposten hinunter. Die Ebene war von Gegnern dunkel gefärbt, kleine, schwarze, insektenhafte Punkte. Es gab wenig Bewegung dort unten. Salazar konnte sich vorstellen, dass sie dort mit nicht weniger Nervosität zur Düne heraufstarrten wie die Karavanier herab. Beide Seiten hatten viel zu verlieren. Doch die Kamisten waren gestärkt vom Tonikum des Sieges und der Gewissheit, dass die Söldner des Außenpostens ihnen zur Seite standen. Und die Banner vieler Gilden, auch der gefürchteten United Homins, wehten über ihren Häuptern.
Der schlanke Matis leckte sich kurz über die Lippen. Trockenes, hartes Sägemehl klebte an ihnen, festgebacken vom Schweiß, der seine Gesichtszüge bedeckte. Er wischte mit der Hand darüber, spuckte aus, ärgerte sich, dass er sich selbst den salzig-feuchten Dreck in die Augen hineingerieben hatte. Er strich sich, etwas ungehalten, eine Haarsträhne aus dem Gesicht und versuchte blinzelnd, wieder ein klares Bild zu bekommen. Die Truppenführer der Gilden, Orden, Häuser standen beieinander und flüsterten. Kein Gestikulieren, kein Gezeter, eine beinahe beängstigende Stille, nur das Kreischen der Izams dann und wann. Salazar sah, wie Sorum ernst nickte, einige ihrer Getreuen heranwinkte und eine Teleporterrune brach. Bevor sie verschwand, und ihre Soldaten und Magier mit ihr, da war es Salazar so, als habe ein leichtes Lächeln ihre Lippen gekräuselt. Es mochte eine Einbildung gewesen sein, eine Fata Morgana, ein Phantombild, geboren aus Anspannung, dem Brennen seiner Augen, der Flüchtigkeit des Moments.
Und dann, in diese Stille hinein, kam der Befehl. Die erste Welle der karavanischen Angreifer zog seine Waffen und stürzte auf Twintops zu, und als die energetischen Aufladungen der Kampfzauber aufblitzten und das brüllende Donnern der Launcher-Explosionen den Himmel über den Lagunen erfüllte stieß Numar einen heiseren Schrei aus und die Elantar strömten mit der zweiten Welle die Düne herunter, Salazar unter ihnen, atemlos, strauchelnd, und doch voller Wut und Hoffnung und Willen zum Sieg.
Die Schlacht selbst verlief für Salazar, wie immer, wie in einem Nebel. Seine Konzentration auf die Gesundheit jener Elantar seiner kleinen Einheit ließ ihn das alles Umgebende nur verschwommen wahrnehmen, wie in einem Traum. Sie wurden zurückgeschlagen, ein-, zweimal; dann jedoch gelang es den Karavaneer, die Verteidiger in die Zange zu nehmen und zu überrennen, während – wie Salazar später erfuhr – sich Sorum und ihre Begleiter in Loria mit der rasenden Wut Phazers und dessen Helfern maßen. Salazar pumpte Heilzauber um Heilzauber in die Nahkämpfer und Offensivmagier der Elantar, gelegentlich auch in andere Karavanier, wenn er sie am Boden liegen sah, und empfing seinerseits den Segen der Heilung, aber er nahm nicht wirklich wahr durch wen. Sein Gesicht war heiß und naß, eine klebrige Nässe, und er fuhr mit dem Handrücken darüber und sah, dass es Blut war; ob seines oder das eines anderen vermochte er nicht zu sagen. Mehr als einmal schleuderten ihn Explosionen zu Boden oder umgaben ihn Zauber mit einem ätzenden Nebel aus Gift oder mit feuriger Glut. Kämpfer durchbrachen die Reihen der Karavanier und versuchten die Heiler zu fällen, wurden aber häufig zurückgehalten. Wenn sie dort ankamen, dann war es meist verheerend. Nachdem die Karavaneer jedoch endlich in den Außenposten eingedrungen waren und die Kamisten daraus vertrieben hatten, gelang es diesen trotz hartnäckigen Bestrebens nicht mehr, dort Fuß zu fassen. Sie griffen verbissen an, aus überraschenden Ecken, von zwei Seiten, und trotz ihrer Übermacht drangen sie nicht mehr dauerhaft in Twintops vor, in dem die Karavaneer scheinbar unverrückbar Wurzeln geschlagen hatten. Die Luft war voll vom Geklirr der Waffen, den Entladungen der Zauber, von Explosionen und Kriegsgeschrei und dem Wimmern der Verwundeten und Sterbenden. Die Elantar vertrieben nach jeder bewältigten Runde die flüchtenden Kamisten-Heiler, und Salazar rutschte und schlitterte hinter den Nahkämpfern seiner Einheit her, rutschte und schlitterte über das stockende Blut, das den Boden tränkte, und das in Farbe und Konsistenz keine Trennung zwischen Kamisten und Karavaneer zuließ.
(Fortsetzung unten)
Salazars Queste: Finale an den Zwillingstürmen
Posted: Fri May 18, 2007 5:29 pm
by cushing
Thy war inzwischen angekommen. Salazar hatte ihn gesehen, gar nicht so weit von seinem eigenen Standort entfernt. Thy hatte gelächelt und ihm zugewinkt, und Salazar hatte zurückgewinkt und zurückgelächelt, letzteres etwas angestrengt, sich darüber wundernd, dass Thy ihn unter der grotesken Maske aus geronnenem Blut überhaupt erkannt hatte. Aber Regen hatte eingesetzt, und er spülte das klebrige Rot von Gesichtern und Rüstungen und Waffen, sogar von den Körpern der Gefallenen, und schwemmte es in den Boden und in morastige, karmesinverfärbte Pfützen.
Schließlich sammelten sich die Kamis der Seen und ihre Unterstützer, inzwischen wahrscheinlich nicht minder verzweifelt als die Karavanier bei ihrem ersten Angriff, zu einem letzten großen Schlag. Wie eine Gewitterwolke am Himmel ballten sich die Kräfte der Anhänger Ma-Duks, um das Licht Jenas in ihrem Dunkel zu ersticken. Über den Außenposten hatte sich eine gespenstische Stille gelegt. Salazar war kurz zu Thy getreten, hatte ihn flüchtig am Arm berührt und ihm zugenickt, so als wolle er ihn ermutigen. Dabei war das Lächeln Thys viel mehr Ermutigung als alles, was Salazar in seiner verbissenen Konzentration zustande gebracht hätte. Caaahl trat unruhig von einem Bein auf’s andere; die Lippen Nuvads bewegten sich unablässig, zweifellos weitere Anrufungen Jenas in den Äther entlassend. Die Nahkämpfer, von Thy abgesehen, der sich zu den Heilern gesellt hatte, standen ein Stück den Hügel herab, Rüstung rieb an Rüstung, Waffen zuckten in nervösen Händen. Nuvad beendete seine Gebete und stellte sich wieder zu ihnen. Und dann kamen die Kamisten, und wie ein Sturm fegten sie über die Karavaneer hinweg.
Es war wirklich eine Lawine, die über die Dünen zum Außenposten herunterrollte. Fernkämpfer schossen Lücken in die Reihen der Verteidiger, lockten sie aus ihrer Deckung heraus, und während die schwer gepanzerte Linie zu zerfasern begann, stürmten die kamistischen Nahkämpfer durch die Maschen des Netzes, um die Hexer und vor allem die Heiler der Karavaneer zu erschlagen. Fast alle konnten gestoppt werden, brachen zusammen, bevor sie den kleinen Hügel erreichten, auf dem die Defensivmagier sich zusammengedrängt hatten. Je weiter die karavanischen Kämpfer jedoch in die Reihen der Kamisten vordrangen, desto mehr rückten die Heiler nach, zerfaserten ebenso wie jene, die sie an Leben zu halten versuchten.
Salazar, fast der einzig verbliebene seiner Profession auf der kleinen Anhöhe, kümmerte sich jetzt vornehmlich um die Offensivmagier und die nach draußen vorrückenden Heiler, denn die Nahkämpfer hatte er längst aus seinem Fokus verloren. Er versuchte ehrgeizig, die Lebenskräfte und den Saphaushalt der Gruppe auf einem praktikablen Niveau zu halten, als etwas ihn traf, zur Seite stieß, sich mit einem knirschenden Geräusch durch die Rüstung hindurch in seinen schmalen Körper fraß. Salazar erstarrte unwillkürlich. Er fühlte verwundert Feuchtigkeit in seinem Mund, einen metallischen Geschmack, und er brauchte eine Sekunde, um sich bewusst zu machen, dass es Blut war, sein eigenes Blut. Er starrte den baumlangen Kamisten an, dessen glänzende Rüstung fleckig war von dem Lebenssaft seiner Gegner, vielleicht auch von dem Salazars, und während er beinahe in Zeitlupe in die Knie ging, schien der Kamist in ähnlichem Tempo die mächtige Klinge über den Kopf zu heben, um ihm den Gnadenstoß zu versetzen. Ein merkwürdiges, grünes Flirren jedoch schien ihn abzulenken, und auch Salazar, der sich darüber wunderte, warum sein Leben nicht in kurzen Szenen an seinem inneren Auge vorbeizog, war abgelenkt. Er wandte leicht den Kopf, flüsterte dabei unbewußt, wie mechanisch, den Zauber, der einen Teil seines Lebens in seinen Körper zurückbrachte und die Wunden schloß, und sah Thy mit der Verbissenheit eines Torbaks und der Gewandtheit eines Tänzers auf den Kamisten einstechen. Seine Messer zogen irritierende, rasend schnelle grüne Reflexionen durch die Luft, und Salazar erkannte, dass dieses floureszierende Grün es war, das seine Aufmerksamkeit angezogen hatte. Der Kamist schnaubte wütend, wie ein Mektoub, das von lästigen Stechinsekten gepeinigt wird, und versuchte träge, sein Schwert in Position zu bringen. Salazar konnte sehen, dass er bereits aus zahlreichen kleineren Wunden blutete, und in jedem Moment kamen neue hinzu, während Thy wie ein wütender Derwisch auf ihn einstach. Auf Salazar wirkten die beiden wie zwei Tänzer, die zu unterschiedlichen Melodien und Rhythmen tanzten, das wilde, wirbelnde, elegante Ballett Thys gegen den trägen, aber kraftvoll-gleichmäßigen Walzerschritt des schwergerüsteten Kami-Anhängers. Der Kamist versetzte Thy einen mächtigen Hieb, und Salazar – nun wieder halbwegs bei Kräften und zurück auf seinen Beinen – flüsterte gestikulierend Heilzauber, um seinen Retter bei relativer Gesundheit zu halten. Der Kamist heulte zornig und enttäuscht auf. Ein Offensivzauber traf ihn, vielleicht auch zwei, die ihn in seinen Grundfesten erschütterten; offensichtlich hatte er inzwischen seine Heiler im Kampf eingebüßt. Thy fügte ihm noch immer in einem kaum nachvollziehbaren Tempo eine Verletzung nach der anderen zu. Der Riese wankte, auch wenn er – stoisch wie ein federgetriebener Mechanismus – immer wieder und mit wechselndem Erfolg nach seinem Gegner schlug. Schließlich zog Thy einen seiner Dolche durch die Kehle des Angreifers. Der Kamist röchelte, brach in die Knie und kippte mit einem letzten gurgelnden Laut vornüber. Unter der prächtigen Rüstung breitete sich in beängstigender Geschwindigkeit eine große Lache Blut aus.
So endete der Kampf der Kamisten um den Außenposten von Twintops. Geschlagen, enttäuscht, gedemütigt zogen sie sich für dieses Mal zurück, dabei um einen Rest von Würde bemüht, die doch für den Verlierer einer Schlacht so viel schwerer zu erreichen ist als für den Gewinner. In den Bounty Beaches hatten dieses Mal, stolz und ungebeugt, die Karavaneer triumphiert. Überall schlugen sich die siegreichen Kämpfer gegenseitig auf die Schultern, grienten sich an, lachten, verbeugten sich voreinander, beglückwünschten die neuen, noch etwas fassungslosen Besitzer. Numar rieb, scheinbar ungerührt, an einem Fleck auf seiner weißen Rüstung – eine sinnlose Handlung, war doch die ganze Rüstung mit Blut und Dreck bespritzt. Die Mitglieder der AftA sanken erschöpft zusammen, dankbar angesichts der Tatsache, dass sie soeben einen Außenposten in Neu-Trykoth für den Dienst an Jena und ihren Kindern zurückgewonnen hatten. Thy stieß einen Jubelschrei aus, während Nuvad Dankgebete an die Göttin sprach und die neue Flagge über Twintops segnete. Salazars Mund war trocken. Er hatte Abelio seine Reverenz erwiesen und ihm gratuliert, aber nun wollte er etwas anderes sagen, etwas zu Thy sagen, der für ihn gekämpft hatte und dem er sein Leben schuldete, aber er wusste nicht, was er sagen sollte – oder besser, wie er es sagen sollte. Thy war so fröhlich, so ausgelassen. Er tollte wie ein Torbak-Welpe über die Anhöhe zwischen den erschöpften Recken hindurch, rannte plötzlich auf Salazar zu, umarmte ihn, küsste ihn übermütig. Dann ließ er ihn wieder los, stieß ihn ein Stück von sich weg und blickte ihm, halb lächelnd, halb ernsthaft, tief in die Augen. „Ich bin glücklich, dass wir gewonnen haben. Ich bin glücklich, dass wir Jena die Wahrhaftigkeit unseres Glaubens beweisen konnten, und dass die Karavaneer doch zusammenstehen, wenn es darauf ankommt. Ich danke Jena, die ihr Licht auf uns fallen ließ, unsere Herzen erwärmte, unseren Arm führte und uns den Sieg brachte. Ich danke Jena dafür, daß ich doch noch bei diesem Kampf dabei sein durfte.“ Salazar öffnete den Mund, wollte nun seinerseits etwas sagen, sich bei Thy bedanken, doch dieser legte ihm einen Finger auf die Lippen und sagte mit großer Ernsthaftigkeit: „Und ich danke Jena dafür, dass sie mich heute an Deine Seite stellte, als Du mich brauchtest“.
Salazar schluckte, blickte zurück, in seinen Augen nichts anderes als ungestellte Fragen. Woher nahm Thy diese Sicherheit? Diese Festigkeit im Glauben? Und gleichzeitig schien es ihm, als habe allen Karavaneer heute ein besonderer Funke innegewohnt, als wären sie beseelt gewesen von einem besonderen, optimistischen Geist. Auch Salazar hatte es empfunden, bei aller Anspannung; und als der Kamist mit seinem Schwert ausholte, da war keine Furcht in ihm, nur die unerklärliche, verrückte, irrationale Gewißheit, dass Jena seine Seele behüten würde oder aufnehmen würde in ihr Reich. Er richtete seinen Blick zum Himmel, zur Sonne, und dann zurück in Thys strahlendes, offenes Gesicht, und er sah Liebe in beiden.
(Fortsetzung unten)